Der Formel-1-Tross macht am Wochenende Station in Singapur. Der 14. Lauf der F1-Saison 2017 gehört als Nachtrennen unter Teams, Fahrern und Fans zu den absoluten Highlights im Rennkalender. Doch was erwartet uns beim Singapur GP? Kontern Ferrari und Singapur-Spezialist Sebastian Vettel nach dem Debakel beim Heimrennen in Monza? Oder bleibt Mercedes selbst auf seiner Angststrecke schlechthin eine Macht? Und Red Bull Racing? Stark in Monza, neue Nummer eins in Singapur? Motorsport-Magazin.com liefert die brennendsten Fragen zum Rennen.

1. Singapur-Brennpunkt: Gelingt Ferrari vs. Mercedes der Konter?

Ferrari musste ausgerechnet beim Heimrennen in Monza eine derbe Klatsche einstecken. 36 Sekunden fehlten Sebastian Vettel im Ziel auf Lewis Hamilton. Gegen Mercedes wusste Ferrari zu keinem Zeitpunkt des Wochenendes auch nur eine Kleinigkeit auszurichten. Dabei hatte Vettel nach Augenhöhe in Spa verkündet, Ferrari kenne fortan keine Angststrecken mehr. Zu früh gefreut also, auf Highspeed-Kursen scheint die Scuderia sich im Schnitt noch immer schwerer zu tun. Auch, wenn Ferrari-Präsident Sergio Marchionne das Scheitern einzig mit einem völlig verwachsten Setup zu erklären suchte.

Mit Singapur steht nun jedoch das genaue Gegenteil auf dem Programm. Auf dem gut fünf Kilometer langen und extrem langsamem Stadtkurs zählt Motoren-Power kaum, dafür alles, was der Ferrari liebt. "Wir können dieses Jahr sehen, dass langsame und winklige Kurse eher Red Bull und Ferrari liegen, Highspeed und Abtrieb eher gut für unser Auto ist", sagt Mercedes' Toto Wolff. Beispiel gefällig: Langsamer als Singapur ist nur Monaco. Dort siegte Ferrari. Die nächst langsame Strecke im bisherigen Saisonverlauf: Ungarn. Wie in Monaco ein Ferrari-Doppelsieg. Noch dazu gelang es Ferrari schon 2015, Mercedes in Singapur zu schlagen während Vettel selbst mit vier Siegen der absolute Singapur-Spezialist im Grid ist. Perfekte Voraussetzungen also für eine rote Rache.

2. Singapur-Brennpunkt: Besiegt Mercedes die Angststrecke Nr. 1?

Perfekt ist die Ausgangslage für Ferrari in Singapur jedoch nicht nur wegen der eigenen Stärke, sondern mindestens genauso wegen der potentiellen Schwäche Mercedes'. Selbst in den hoch dominanten, ersten Jahren der Hybrid-Ära war es stets Singapur, das die Silberpfeile trotz aller Überlegenheit in die Bredouille brachte. 2014 siegte Lewis Hamilton noch, jedoch nur knapp vor Red Bull, damals noch mit einem gewissen Sebastian Vettel. 2015 scheiterte Mercedes dann beiden: Red Bull und Vettel, mittlerweile bei Ferrari. Nicht einmal auf das Podium schafften es Hamilton und Nico Rosberg.

Im Vorjahr lief es wieder besser, jedoch luchste Red Bull Mercedes um ein Haar erneut den Sieg weg. Nur eine meisterliche Fahrt von Nico Rosberg rettete den Sieg. Das weiß auch Wolff. "Trotz dieses Erfolges war es für uns schwierig, diese Strecke mit ihrer Kombination aus kurzen, scharfen Kurven, relativ kurzen Geraden sowie vielen Bodenwellen zu meistern", erinnert der Mercedes-Motorsportchef. " Somit reisen wir auch diesmal in Erwartung einer großen Herausforderung nach Asien."

Denn: Auch 2017 laufe es für Mercedes auf ähnlichen Streckentypen ähnlich, Monaco, Ungarn & Co. hätten Mercedes das Leben bereits schwer gemacht. "Manchmal sind solche Charakteristiken einfach in der DNS eines Autos verankert", fürchtet Wolff. Dennoch: Schon vorher aufgeben, das gibt es natürlich nicht bei Mercedes. Wolff: "Wir haben viel durch unsere Schwierigkeiten in Monaco gelernt, unser Performance-Niveau in Ungarn deutlich angehoben und gute Fortschritte dabei gemacht, zu verstehen, was wir tun müssen, um das Optimum aus dem Chassis herauszuholen."

3. Singapur-Brennpunkt: Bottas wie Räikkönen nur Wasserträger?

Interessant wird es jedoch nicht nur aus Performance-Sicht, in Singapur einen ganz genauen Blick auf Mercedes zu werfen. Durch seinen Sieg in Monza übernahm Lews Hamilton erstmals die WM-Führung, liegt nun hauchdünn vor Sebastian Vettel. Doch während dem Ferrari-Piloten nur drei Punkte fehlen, liegt Hamilton-Teamkollege Valtteri Bottas bereits weitere 38 Zähler zurück. Zu viel, um noch von einem Dreikampf zu sprechen?

Toto Wolff jedenfalls hatte bereits vor dem Start in Monza angekündigt, der Rennausgang sei für Bottas ein extrem wichtiger. Im Hinblick auf künftige Teamorder im Sinne einer klaren Nummer-1/2-Regelung wie bei Ferrari komme es für den Finnen darauf an, ob der Rückstand größer oder kleiner werde. Auf Vettel wohlgemerkt. Genau diese Mission erfüllte Bottas mit P2 vor dem Deutschen - wenn auch knapp. Doch ist das genug, um weiter frei fahren zu dürfen? Immerhin machte Bottas durch sich selbst als Puffer vor Vettel den Sieg Hamiltons umso süßer. Singapur könnte sich für Bottas also final als alles entscheidend erweisen. Wenn die ungeliebte Entscheidung nicht bereits gefallen ist.

4. Singapur-Brennpunkt: Trumpft Red Bull Racing groß auf?

Die Aussagen Toto Wolffs legen bereits mehr als nahe: Wer in Singapur nur ein weiteres Duell Ferrari vs. Mercedes ins Auge fasst, macht einen Fehler. Red Bull Racing überraschte bereits in Monza mit einer fast unfassbar starken Vorstellung: Im Regen-Qualifying trotz des wohl krassesten Low-Downforce-Setups aller Teams auf P2 & P3 gelandet, dann strafversetzt, nur, um im Rennen erneut ein Feuerwerk abzuliefern. In Sachen roher Pace war Red Bull sogar Ferrari klar überlegen. Nur vier Sekunden trennten Daniel Ricciardo im Ziel vor Sebastian Vettel - der zehn Positionen weiter vorne gestartet war.

DHL Fastest Lap Award: Italien GP (02:02 Min.)

"Das Chassis hat hier sehr gut funktioniert", erklärte Christian Horner. "Das Auto hat sich stark verändert." Red Bull scheint die Trendwende eingeleitet zu haben - endlich, war der RB13 doch die bislang wohl größte Enttäuschung der F1-Saison 2017. Nicht wenige Experten hatten Red Bull wegen der einschneidenden Regeländerungen im Vorfeld ganz weit oben auf dem Zettel gehabt. Doch jetzt scheint der Knoten nicht zu platzen, aber doch Stück für Stück aufzugehen. Schon 2016 erwies sich Red Bull als Gewinner des Entwicklungsrennens, ohne viel mit ins neue (Regel-)Jahr nehmen zu können. Umso mehr wird Red Bull nun weiter feilen, bleiben die Regeln diesmal nahezu ident.

Doch denkt Red Bull nicht einmal daran, nur noch 2018 ins Auge zu fassen. Das eine oder andere Glanzlicht noch in der laufenden Saison soll es dann doch sein. "Ob Siege drin sind, weiß ich nicht. Aber in Singapur können wir sicherlich näher an Mercedes und Ferrari rankommen", sagt Teamchef Horner zu Motorsport-Magazin.com. Nicht nur heran, sondern vorbeikommen, lautet dagegen das Credo der Fahrer. "Dieses Rennen war in der Vergangenheit ein starkes für uns, also denke ich, dass wir dieses Jahr um ein Podium kämpfen können", sagt Max Verstappen. Daniel Ricciardo geht sogar noch weiter: "Ich glaube, dass Singapur nicht unsere einzige Chance, aber unsere beste Chance auf einen Sieg in der zweiten Saisonhälfte sein wird."

5. Singapur-Brennpunkt: Offizielles zu McLaren/Honda/Renault?

McLaren steht kurz vor der Trennung von Honda. Diese ungeschriebene Wahrheit kursiert spätestens seit dem Italien GP überall durchs Fahrerlager. Dort erhielten die in Kürze offiziell erwarteten Nachrichten neues Futter, als sich McLaren-Verantwortliche mit Renault trafen. Doch wie die britischen Kollegen von Autosport berichteten, soll der erwartete Deal mit den Franzosen eine ganze Reihe an Folgen nach sich ziehen.

Kurz gesagt: Toro Rossos Carlos Sainz ist die Königsfigur im gesamten Spiel. Der Zusammenhang: Toro Rosso gibt den bereits länger wechselwilligen Spanier für Renault frei, darf dafür seinen Motorenvertrag mit den Franzosen auflösen und wechselt stattdessen zu Honda, die eine große finanzielle Unterstützung mitbringen, ihr Gesicht wahren und auch ohne McLaren in der Formel 1 bleiben. Damit hätten alle gewonnen - auch McLaren, wenngleich 'nur' sportlich, nicht finanziell. Noch ist all das jedoch unbestätigt. Großes Bekanntgabe-Wochenende in Singapur? Wir sind vor Ort und liefern euch die Informationen direkt aus dem Paddock?

6. Singapur-Brennpunkt: Hülkenberg und der ungeliebte Rekord

Abgesehen von Sebastian Vettel verlief die Formel 1 nach der Sommerpause aus deutscher Sicht nicht gerade prickelnd. Pascal Wehrlein war mit Sauber in Spa und Monza chancenlos, vermochte dem Feld nur hinterher zufahren. Nico Hülkenberg ging nach soliden Punkten für P6 in Belgien mit Renault in Monza plötzlich sang und klanglos unter - keine Punkte.

Entsprechend sind beide auf einen sehr viel besseren Singapur GP gepolt. "Es wäre schön, wenn wir in den letzten Rennen noch das eine oder andere Highlight setzen könnten", sagte Wehrlein im Interview mit Motorsport-Magazin.com. Hülkenberg dagegen muss in Singapur nicht nur die Monza-Scharte auswetzen, sondern viel Schlimmeres verhindern: Fährt der Renault-Mann nicht auf das Podest, stellt er einen neuen Rekord auf. Und das ist kein begehrter: Hülkenberg wäre mit 129 Grands Prix ohne Podium der alleinig größte Podest-Verweigerer der F1-Geschichte. Aktuell teilt er sich den ungeliebten Rekord noch mit einem anderen Deutschen: Adrian Sutil.

7. Singapur-Brennpunkt: Startaufstellung, Regen, Hitze, Safety Car?

Was sorgt diesmal für Verwirrung und mächtig Redebedarf im Paddock und unter den Fans? In Monza war es gleich zweierlei: Regen-Chaos im Qualifying, vor dem Rennen Fragen über Fragen, wie denn nun die Startaufstellung mit all den Strafen aussehen wird. Auch Singapur ist für Kapriolen immer ein gutes Pflaster: Straßenkurs sei Dank liegt die Wahrscheinlichkeit für Safety Cars bei nahezu 100 Prozent - mit Blick auf die vergangenen fünf Jahre tatsächlich.

Noch dazu ist Singapur immer eine Belastung für Mensch und Maschine - Hitze und hohe Luftfeuchtigkeit lassen grüßen. "Die Bedingungen erschweren die Arbeit in der Box, es ist physisch anspruchsvoll für die Fahrer und eine Herausforderung, die Brems- und Reifentemperaturen an den Autos im Griff zu haben. Safety Car-Einsätze sind nahezu garantiert", bestätigt Toto Wolff. Sogar ein Regenschauer könnte der F1 diesmal blühen. Laut Prognosen sollte das Wetter am Rennwochenende nicht zwingend stabil bleiben. Wenn das nicht mal die Eidechsen aus ihren Löchern lockt ...

Monza-Chaos: Darum fährt die F1 nicht im Regen (04:58 Min.)