Lassen Sie uns über den Motor sprechen, mit dem die Formel 1 ab 2020, respektive 2021 fährt.
Remi Remi Taffin: 2021!

Wenn die Motoren aber schon 2020 kommen, würde man sich ein Jahr sparen, in dem man die neuen Motoren entwickeln und die Power Units parallel noch weiterentwickeln muss...
Remi Taffin: Wir müssen für 2021 eine Entscheidung treffen und wenn wir das Ende des Jahres schaffen, dann haben wir drei Jahre, um uns darauf einzustellen. Ich finde, 2021 ist eine angemessene Zeit. Es ist fair zu sagen, dass jedes Jahr, das wir den neuen Motor früher bringen, uns etwas Geld spart. Aber an einem gewissen Punkt ist es einfach wichtig, dass wir die Zeit haben, um es zu schaffen. Deshalb finde ich, dass 2021 richtig wäre.

Wenn der nächste Verbrennungsmotor tatsächlich ein 1,6 Liter V6 mit 80 Millimeter Zylinderbohrung bleibt, wie viel könnten sie vom aktuellen Verbrennungsmotor übernehmen?
Das hängt sehr davon ab, wohin die Drehzahlen gehen und wie stark der Benzinfluss nach oben geht. Aber die Struktur wird in gewisser Weise eine Übernahme sein. Wir würden nicht viel ändern, aber das hängt sehr stark von dem Zuwachs in diesen zwei Bereichen ab.

Können Sie ganz grob sagen, wie diese Variablen sein müssten, damit wir eine ähnliche Leistung haben wie mit den aktuellen Motoren? MGU-K mal beiseite.
Remi Taffin: Ich glaube, das ist ziemlich einfach zu sagen. Wir befinden uns in der Region von 20 Prozent bei beiden. Wir hätten dann einen maximalen Benzinfluss von 120 Kilogramm pro Stunde. Und bei den Drehzahlen ist es eine Frage, wie man sie wählt. Aktuell gehen wir da alle in die gleiche Richtung, wir würden auch hier in dieser Größenordnung landen, um beim Zylinderdruck in der gleichen Größenordnung zu bleiben. Man würde dann bei 12.500 bis 13.000 Umdrehungen rauskommen, bei dem der maximale Benzinfluss ist. Man würde dann etwa bei 15.000 Umdrehungen schalten. Heute wird bei 12.500 oder 13.000 geschaltet. Von dieser Größenordnung sprechen wir bei den nächsten Motoren. [Aktuell steigt der maximal erlaubte Benzindurchfluss in Abhängigkeit der Drehzahl bis zum Limit von 100 Kilogramm pro Stunde bei 10.500 Umdrehungen.]

20 Prozent mehr Benzinfluss, würde das auch mit 20 Prozent mehr Benzinverbrauch einhergehen oder ist das nur der Spitzenwert, der so ansteigt?
Remi Taffin: Am Ende des Tages fahren wir 50 bis 70 Prozent der Zeit mit Vollgas. Wenn man den maximalen Benzinfluss um 20 Prozent erhöht, dann kommt man ebenfalls in dieser Größenordnung raus. Vielleicht bei 15 Prozent. Das hängt davon ab, ob wir von einer Strecke wie Ungarn oder Monza sprechen. Sagen wir Mal 10 bis 15 Prozent. Und vielleicht ein bisschen mehr, wenn wir mehr auf Benzin setzen als auf Energierückgewinnungssysteme, dann verlieren wir Gesamteffizienz. Letztendlich sind es vielleicht 15 bis 20 Prozent.

Remi Taffin leitet Renaults Motoren-Abteilung in Viry-Châtillon, Foto: Sutton
Remi Taffin leitet Renaults Motoren-Abteilung in Viry-Châtillon, Foto: Sutton

Eine andere interessante und entscheidende Größe ist der Ladedruck - der natürlich auch vom Benzinfluss abhängt. Wo kommen wir beim Ladedruck heraus?
Remi Taffin: Auch der Ladedruck würde sich linear mit dem Benzinfluss ändern. Wir visieren hier in etwas das gleiche Ziel an. Ich werde Ihnen keine exakte Zahl nennen, weil das von Hersteller zu Hersteller anders ist. Aber es noch früh, wir müssen noch den ganzen Kreislauf gehen: welche Drehzahl genau, welchen Benzinfluss genau und dann sehen wir, was letztendlich der richtige Ladedruck ist. Deshalb kann man am Ende des Tages sagen, wir redesignen einen Motor. Wir behalten die gleiche Architektur und einen Turbo. Deshalb arbeiten wir da gerade mit den anderen Motorherstellern, damit wir eine genauere Vorstellung davon haben, woran wir arbeiten müssen.

Abgesehen von der MGU-K, die wohl ein Standard-Teil und recht ähnlich zu der aktuellen Version wird: Könnten Sie mit dem V6-Biturbo Gewicht sparen?
Remi Taffin: Wir sagen nicht, dass es ein V6-Biturbo wird. Wir werden V6-Turbo haben, das steht fest. Mit dem Verlust der MGU-H wird man etwas an Gewicht verlieren, weil man einen Elektromotor weniger hat. Aber wenn wir einen Bi-Turbo haben, nimmt man wieder an Gewicht zu. Insgesamt bin ich mir nicht sicher, ob wir viel an Gewicht sparen. Und wir werden an Gesamteffizienz verlieren.

Zum Bi-Turbo: Wenn man sich ansieht, was wir vor 40 Jahren hatten und man sich vorstellt, zwei Turbolader im Seitenkasten zu haben... das ist nicht das, was unsere Chassis-Jungs haben wollen. Das aktuelle Format, das wir mit dem Single-Turbo haben, der sehr nah am Motor ist, ob vorne oder hinten, das ist eine sehr schöne Lösung bei der Installation.

In der ersten Turbo-Ära saßen die Turbolader neben dem Motor, Foto: Renault Sport F1
In der ersten Turbo-Ära saßen die Turbolader neben dem Motor, Foto: Renault Sport F1

Ihnen wäre also ein großer Turbo lieber als zwei kleine?
Remi Taffin: Was die Integration angeht, ist ein Turbo definitiv besser. Der wahre Schwerpunkt liegt darauf, wie wir ohne MGU-H Ladedruck erzeugen. Und wie wir das potentielle Turboloch loswerden. Ob Bi- oder Single-Turbo, ist mehr eine Frage, wie wir um das potentielle Turboloch herumkommen, wenn wir die MGU-H nicht mehr haben. Es geht hier mehr um das Turboloch als um alles andere. Aber: Wir müssen da wieder die Schleife ansehen. Wenn man die MGU-H loswird, dann hat man eine andere Turbine. Wenn man Benzinfluss und Ladedruck erhöht, dann muss man auch den Kompressor ändern. Es ist ein Kreislauf, wir müssen das alles noch genau definieren.

Wenn wir über zwei Turbolader sprechen: Macht hier nur eine parallele Installation Sinn?
Remi Taffin: Wenn man sich die Autos auf der Straße ansieht, gibt es viele verschiedene Installationen. Es gibt serielle Installationen, es gibt parallele Anordnungen. Es sind unterschiedliche Antworten darauf, wie man ein gutes Ansprechverhalten erzeugen will. Und dann auch bei der Effizienz. Man könnte auch eine zweistufige Aufladung haben... Es gibt sehr, sehr viele Installationen. Wir wissen noch nicht in welche Richtung es geht, aber ich hoffe, wir können alles unter Kontrolle halten, nicht dass diese Dinge überhand nehmen. Daran arbeiten wir.

Würden Sie einen Standard-Turbo präferieren?
Remi Taffin: Der Turbo ist Teil des Verbrennungsmotors. Wir wollen ihn selbst machen. Der Motor ist sehr stark mit dem Turbolader verbunden und man kann den Turbo nicht ohne Verbrennungsmotor entwickeln und umgekehrt. Das wäre schwierig. Nichts ist unmöglich, aber wir würden es gerne anders machen.

Könnten Sie die entwickelte Vorkammerzündung für diesen Motor mitnehmen?
Remi Taffin: Ja, einfach. Wir werden das wohl einfach übernehmen.

Wenn Sie die MGU-H loswerden: Bräuchen sie dann eine variable Turbinengeometrie, um Ladedruck und Drehzahl des Turbos zu kontrollieren oder würden einfache Ventile reichen?
Remi Taffin: Ich muss sagen, dass wir die heutigen Motoren teilweise schon fahren, ohne dass die MGU-H den Ladedruck kontrolliert. Wir nutzen manchmal ausschließlich die Wastegates dafür.

Sind die Wastegate-Ventile geöffnet, fließen Abgase am Turbolader vorbei (gelb), Foto: Renault Sport F1/Motorsport-Magazin.com
Sind die Wastegate-Ventile geöffnet, fließen Abgase am Turbolader vorbei (gelb), Foto: Renault Sport F1/Motorsport-Magazin.com

Verschwenden Sie dabei nicht Energie?
Remi Taffin: Ja, aber sehen sie es einmal so: Im Qualifying haben Sie mehr Energie zur Verfügung als im Rennen. Sie haben eine Batteriekapazität von vier Megajoule. Wenn das bereits genug ist, um eine Runde zu fahren und sie nicht so viel Energie rekuperieren müssen, dann läuft der Turbolader freier, der Abgasgegendruck sinkt und der Verbrennungsmotor liefert mehr Leistung. Deshalb nutzen wir da die Wastegates, was man auch am unterschiedlichen Sound im Qualifying hört, wenn die Ventile viel häufiger geöffnet sind als im Rennen.

Die meiste Zeit aber regelt die MGU-H den Ladedruck. Wäre es daher wünschenswert, eine variable Turbinengeometrie zu erlauben, um damit den Wegfall zu kompensieren?
Remi Taffin: Die MGU-H ist eine tolle Sache, um den Verbrennungsmotor effizienter zu machen, den Ladedruck zu kontrollieren und um das Turboloch loszuwerden. Wenn wir das nicht mehr haben, müssen wir etwas anderes finden. Das könnte ein variables System um die Turbine herum sein. Hier gibt es mehr als nur eine Lösung, das muss noch geordnet werden.

Wäre es sinnvoll, bei vier Motoren pro Saison zu bleiben oder sollte man die Anzahl erhöhen?
Remi Taffin: Ich sehe keinen Grund, warum man damit nach oben gehen soll. Wir haben bereits gezeigt, dass man mit diesen Motoren eine Saison mit vier Exemplaren schaffen kann. Wir arbeiten für nächstes Jahr an drei Motoren pro Saison. Ich sehe keinen Grund, warum man die Zahl wieder erhöhen sollte.

Manche meinen, es wäre billiger, mehr Motoren einzusetzen. Die Herstellungskosten wären höher, dafür aber die Entwicklungskosten geringer, weil die Prüfstände nicht so lange laufen.
Remi Taffin: Wenn man mehr Motoren liefert, dann kostet es mehr.

Auch am Getriebe soll Hand angelegt werden. Ein Standard-Getriebe könnte kommen. Würde sich das irgendwie auf den Motor auswirken?
Remi Taffin: Nein, gar nicht. Es geht mehr darum, dass ein Standard-Getriebe an den Schnittstellen mit dem Motor kompatibel ist. Da müssen wir sicherstellen, dass es für den Motor nicht nachteilig ist. Hier wäre Nick Chester wohl der bessere Ansprechpartner, aber grundsätzlich besteht ein Getriebe aus zwei größeren Teilen: Die Internals und das Gehäuse. Und beim Gehäuse geht es hauptsächlich um Fahrwerkspunkte und Bodywork. Deshalb will man hier eigentlich kein Einheitsteil. Das würde bedeute, dass man das Heck standardisieren würde. Und bei den Internals gibt es heutzutage keine großen Entwicklungen mehr. Alle haben Getriebe ohne Zugkraftunterbrechung. Die meisten Motorhersteller würden ohnehin Motor und Getriebe liefern, wenn man will. Das würde in meinen Augen keinen Sinn machen.

Spätestens 2021 geht die Power Unit Ära zu Ende. Aufgrund der ständigen Kritik an diesem Wunderwerk der Technik: Ist die Power Unit gescheitert?
Remi Taffin: Niemand kann sagen, dass dieser Motor kein Erfolg war. Wir dachten, dass wir etwas Gutes schaffen können, aber nicht, dass wir so etwas Gutes schaffen könnten, wie wir jetzt haben. Jeder einzelne Ingenieur würde sagen, dass dieser Motor ein sehr schönes Teil ist, vor allem bei der Effizienz. Es gibt keinen Zweifel daran, dass es eine massive Leistung war. Aber eine Sache, die man sagen muss: Es hat eine Weile gedauert, um sie in den Griff zu bekommen. Manche haben es besser gemacht als andere. Es ist umso schöner, dass es eine sehr schwierige Übung war, wir es aber geschafft haben. Und es zeigt auch, wie viel wir hier reingesteckt haben. Wir können stolz sein.

Die Fans haben die Power Units nie geliebt, Foto: Renault Sport F1
Die Fans haben die Power Units nie geliebt, Foto: Renault Sport F1

Wir haben aber vielleicht bei der Bewerbung dieses Motors nicht das Beste daraus gemacht. Jeder hat über den Lärm gesprochen. Aber niemand hat betont, wie effizient diese Motoren sind! Niemand erinnert sich daran, dass wir für die gleiche Rennzeit heute 40 bis 50 Prozent weniger Benzin verbrauchen. Das ist massiv! Wir hatten Mal 160 Kilogramm Benzin für ein Rennen, jetzt sind wir viel schneller und brauchen nur 100 Kilogramm. Diese Zahlen hätte man in den Vordergrund stellen müssen. In der V10-Ära waren wir sehr stolz darauf, zu sagen dass wir 100 Liter für 100 Kilometer benötigen. Wow. Jetzt können wir sagen, wir verbrauchen im Schnitt auf manchen Strecken 40 Liter auf 100 Kilometer. Und dann schaust du dir - welches Straßenauto auch immer an - und dann fährst Vollgas auf der Autobahn und bist dem sehr nahe. Mit viel weniger Leistung!

Ich glaube, es ist mehr eine Frage, welches Produkt du haben willst. Aus Ingenieurs-Sicht ist es ein tolles Werk. Sehr effizient. Und niemand versteht, wie kompliziert es wirklich ist. Und außerdem: Ich sage nicht, dass alles gut ist und wir keine Probleme mehr haben. Aber: Wir könnten Transfer zum Straßenauto haben, viel mehr als jemals zuvor.

Sie sind letztendlich traurig?
Remi Taffin: Nicht traurig, weil wir weitermachen. Aber aus Ingenieurs-Sicht war es eine tolle Leistung. Sorgt euch nicht um Ingenieure, wir werden neue Wege finden. Es ist nur meine Meinung: Man braucht in diesem Sport Leute, die nicht Techniker sind, die entscheiden, was das letztendliche Produkt sein soll. Und dann lässt du die Ingenieure ihre Arbeit machen. Aber du kannst nicht die Ingenieure entscheiden lassen. Wir brauchen ein bisschen von beidem. Vielleicht sind die 2021er Regeln der beste Kompromiss, den wir die letzten 20 Jahre hatten. Das wissen wir nicht. Wir können es schaffen.

Was uns gefehlt hat: Wettbewerb unter den Teams. Die Leute waren es wohl leid, dass Mercedes alle Rennen gewonnen hat. Sie haben gute Arbeit geleistet! Aber seit diesem Jahr, in dem wir jetzt Ferrari, Mercedes und Red Bull haben, die um Siege kämpfen, genießen es die Leute. Sie sagen tolles Racing, gute Überholmanöver und der Motor ist kein Problem mehr. Zurück zur Normalität. Das ist aber nur meine persönliche Meinung.