In Bahrain machte es kurzzeitig den Anschein, als ob Red Bull den Abstand zu Mercedes und Ferrari verringert hätte. Das Strohfeuer von Max Verstappen und Daniel Ricciardo hielt jedoch nicht lange an. Die Zuverlässigkeit und das Zusammenspiel des RB13 mit den Pirelli-Pneus sorgten dafür, dass der Anschluss an die Spitze schnell wieder weg war. Ricciardo glaubt, dass beim Chassis momentan sogar mehr Nachholbedarf als beim Motor besteht.

"Wenn ich mich jetzt festlegen müsste ob es am Motor oder am Auto liegt, würde ich im Moment sagen, dass es das Auto ist", sagt der Australier, der mit Red Bull nach dem starken Trend des Vorjahres in dieser Saison eigentlich den Angriff auf die Weltmeisterschaft wagen wollte. Tatsächlich scheint es jetzt aber so, als ob das Team mit dem Vorgängermodell näher an Mercedes dran war, als es momentan der Fall ist.

"Ich weiß, was wir mit einem guten Chassis erreichen können, selbst wenn uns etwas Power fehlt. Wir können dann immer noch in den Kampf vorne einsteigen", fügt Ricciardo an, der sich dabei offenbar auf die Performance von 2016 bezieht, als er trotz Nachteilen im Bereich der Power Unit in Monaco zur Pole Position fuhr. Das Renault-Aggregat ist für ihn nun aber offenbar nicht mehr der größte Schwachpunkt.

"Ich denke, das Defizit beim Motor ist so, wie es immer war. Klar hätte ich gerne mehr Power. Aber unter dem Strich glaube ich, dass wir beim Chassis nicht so stark sind, wie wir es sein sollten", so der 27-Jährige weiter, für den die kurzzeitige Konkurrenzfähigkeit seines Teams beim Wüstenrennen offensichtlich nur einem Umstand geschuldet war.

Trotz Nachteilen gegenüber Mercedes war Ricciardo 2016 in Monaco eine Klasse für sich, Foto: Sutton
Trotz Nachteilen gegenüber Mercedes war Ricciardo 2016 in Monaco eine Klasse für sich, Foto: Sutton

Ricciardo: Red Bull konnte nur dank Reifenmanagement zu Mercedes aufschließen

In der Anfangsphase des Rennens kämpfte Valtteri Bottas an der Spitze aufgrund eines falsch eingestellten Reifendrucks mit der Balance seines Mercedes, während die Red Bulls dahinter auf dem Supersoft-Reifen das richtige Arbeitsfenster erwischt hatten. "Wir konnten sehen, dass es, wenn wir mit den Reifen glücklich sind und Mercedes nicht, es einen riesengroßen Unterschied macht", so Ricciardo. "Die knappe Sekunde die sie sonst vor uns liegen löst sich in Luft auf, wenn sie mit den Reifen nicht klarkommen und wir schon."

Mit den Reifen klar kam er selbst nach wenigen Runden jedoch auch nicht mehr. Nach der Safety-Car-Phase wurde er auf dem Soft-Reifen vom dritten Platz aus innerhalb kürzester Zeit von Hamilton, Räikkönen und sogar Massa im Williams kassiert. "Der Grund war einfach, dass hinter dem Safety Car alles viel zu sehr abgekühlt ist. Wenn die Reifen einmal kalt sind und der Re-Start kommt, dann pushst du und kämpfst und das Auto rutscht. Dann machen die Temperaturen, was sie wollen. Nach ein paar Runden sind sie zwar höher, aber hinten ist der Reifen dann viel zu heiß und vorne immer noch kalt", erklärt Ricciardo.

Das Safety Car ist Ricciardo zu langsam

Auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com war er überzeugt davon, beim Aufwärmen der Reifen während der Neutralisierung keineswegs alles verkehrt gemacht zu haben. "Weil die Reifen so steif und hart sind, ist die Pace für uns hinter dem Safety Car wirklich langsam. Es ist sehr schwierig, die Temperatur zu halten. Besonders wenn die Strecke kalt ist. Befragt mal Valtteri zu China, er wird dem sicherlich zustimmen", verweist Ricciardo auf seinen silbernen Konkurrenten, der sich in Shanghai während der Safety-Car-Phase beim Aufwärmen der Reifen drehte.

Ein schnellerer Pilot hinter dem Steuer des Safety Cars würde angesichts der Eigenheiten der neuen Pirelli-Reifengeneration laut Ricciardo da auch keine Abhilfe schaffe: "Es fühlt sich immer so an, als ob er sehr langsam fährt. Aber wenn du die Onboard-Aufnahmen vom Safety Car siehst, siehst du, dass er viel rutscht. Ich weiß schon, dass er nicht rumeiert."

Ricciardo glaubt, dass Red Bull nur durch glückliche Umstände mit Mercedes mithalten konnte, Foto: Sutton
Ricciardo glaubt, dass Red Bull nur durch glückliche Umstände mit Mercedes mithalten konnte, Foto: Sutton

Pirelli-Reifen sind unberechenbar

Auch abgesehen vom für Ricciardo problematischen Aufwärmverhalten sieht er die Eigenschaften der 2017er Pirelli-Pneus kritisch: "Ich denke, das Grip-Niveau dieser Reifen ist mehr am Limit. Der Grip insgesamt ist mehr, aber um ihn zu bekommen, musst du mehr in den kritischen Bereich. Wenn du dann am Limit des Reifens bist und es kommt ein Seitenwind, kann es dich echt aus der Bahn werfen."

Daniel Ricciardo gab sein Formel-1-Debüt 2011 und damit im gleichen Jahr, in dem Pirelli als Alleinausrüster der Königsklasse einstieg. Dementsprechend fehlen ihm Vergleichsmöglichkeiten zu den Vorgängern von Bridgestone und Michelin. "Der Pirelli war immer schon ein sehr komplexer Reifen, entweder mit massivem Verschleiß oder langsamen Aufwärmphasen. Die Reifen dieses Jahr fühlen sich sehr hart an. Ich kann mir nicht vorstellen, wie sich ein harter Reifen da anfühlen muss. Der Soft fühlt sich nicht wie ein Soft an und der Supersoft nicht wie ein Supersoft."

Ricciardo hat angesichts dessen Sorgen, wie sich die Reifen bei wirklich kalten Temperaturen verhalten. "Wenn es in Russland kalt ist und dazu noch diese glatte Streckenoberfläche... Da wirst du nicht nur eine Aufwärmrunde sehen, so wie in Monaco. Oh ich hoffe wirklich, dass es in Monaco warm ist. Wenn nicht, werdet ihr uns vielleicht eine viertel Stunde dabei zusehen, wie wir die Reifen aufwärmen."

Die Zuverlässigkeit lässt bei Red Bull bisher noch zu wünschen übrig, Foto: Sutton
Die Zuverlässigkeit lässt bei Red Bull bisher noch zu wünschen übrig, Foto: Sutton

Motorprobleme beim Bahrain-Test

Probleme mit dem Aufwärmverhalten der Reifen hatte Ricciardo angesichts der heißen Temperaturen am ersten Testtag in Bahrain zweifelsohne nicht. Dafür wurde sein Testprogramm nach 45 Runden von einem anderen Zwischenfall vorzeitig beendet. "Der Motor hat einfach gute Nacht gesagt. Er schläft jetzt und ich weiß nicht, ob er jemals wieder aufwacht...", war der Australier trotz eines wiederholt aufgetretenen Defektes an der Renault-Antriebseinheit noch zu Scherzen aufgelegt.

Ansonsten verlief das Testprogramm für ihn und seine Truppe jedoch nach Plan. "Am Anfang ging es darum Aerodaten zu sammeln, mit all den großen Messinstrumenten am Auto. Damit waren wir ziemlich zufrieden. Dann haben wir einige Runs für die mechanischen Komponenten am Auto gemacht. Am Nachmittag waren ein paar Longruns dran. Wir hatten ursprünglich drei geplant, aber das fand dann in der Form natürlich nicht statt."