Samstagvormittag in Mexiko: Die Journalisten drängen sich in einen kleinen Aufzug, der in den zweiten Stock der Rennleitung fährt. Dort hat FIA-Präsident Jean Todt sein Büro - ohne schönen Blick auf die Strecke, dafür aber mit flauschigem Teppich und bequemen Sofa. Der 69-Jährige hatte zur Audienz geladen. Das kommt nicht besonders oft vor.

Gesprächsthema Nummer eins: Natürlich die Alternativmotoren. Der Automobilweltverband erklärte erst kürzlich in einer Pressemitteilung, dass es ab 2017 einen Alternativmotor zu den aktuellen Power Units geben wird, die deutlich billiger sind und von einem unabhängigen Hersteller kommen sollen.

Grund für diese Maßnahme ist das Veto, das Ferrari eingelegt hatte, um einen Höchstpreis für die Power Units abzuwenden. "Von dem Gebrauch des Veto-Rechts bin ich enttäuscht", gibt FIA-Präsident Jean Todt zu. Mit dem Veto-Recht, über das nur Ferrari verfügt, können die Italiener etwaige Regeländerungen verhindern.

Aktuell bezahlen die Kundenteams Summen in der Größenordnung von 20 Millionen Dollar für die Antriebe. Der Franzose will die Kosten auf 12 Millionen Dollar senken. "Das ist ein Preis, bei dem kein Hersteller einen Verlust machen würde", meint er. "Wir hätten auch einen Preis von sechs oder acht Millionen Dollar sagen können, aber das wäre nicht fair gewesen."

Toto Wolff hat zwar auf der einen Seite Verständnis für das Handeln der FIA, heißt es im eigenen Interesse aber nicht gut. "Zum Wohle der Formel 1 brauchen wir diese Diskussion, aber: Wir verlieren schon jetzt substanziell Geld mit den Motoren."

Für ein Unternehmen in der Größe von Mercedes sehen die Verluste zwar zunächst unspektakulär aus, sind es aber nicht, wie Wolff erklärt: "Die Realität ist, dass wir so effizient wie möglich sein müssen. Man kann von jemandem nicht erwarten, eine Wohltätigkeits-Einstellung zu haben. Wir Hersteller haben den Regeln zugestimmt und die Motoren entwickelt. All das auf der Basis, diese Einnahmen zu haben. Wenn wir die Einnahmen verändern, ändern sich die Zahlen."

Jean Todt hingegen verteidigt seine Notlage. "Weil wir keinen Einfluss auf die Einnahmen der Teams haben, haben wir nach einer Option gesucht", verpasste er auch einen Seitenhieb in Richtung Bernie Ecclestone. Aufgrund der ungleichmäßigen Preisgeldverteilung und der Privilegierung einiger Teams haben Sauber und Force India bereits Beschwerde bei der EU eingelegt. Todt wollte sich zu diesem Thema nicht konkret äußern, meinte nur: "Je besser das Geld verteilt ist, umso besser ist es für den Sport."

Verfehlungen im Reglement

Als letzter Ausweg bleibt der FIA also nur die Einführung eines Konkurrenzmotors. "Es tut mir leid, dass wir so weit gehen müssen, das ist sehr ärgerlich. Es sollte auch nicht passieren, dass ein Team keinen Motor hat." Das nächste Problem: Red Bull hätte das Geld, Power Units zu kaufen, bekommt aber keine.

"Ja, es wurden Fehler gemacht", gesteht Todt ein. Im Reglement ist nämlich nicht festgeschrieben, dass ein Hersteller eine Mindestanzahl an Teams beliefern muss. Nur eine maximale Kundenanzahl ist festgelegt, nämlich drei. Bei der Einführung der Power Units hat man außerdem vergessen, einen Maximalpreis festzulegen. "Ja, das stimmt, aber auch damals waren schon nicht alle von dieser Idee begeistert."

2017 wären die Alternativtriebwerke laut Todt bereit. 2016 brauchen Red Bull und Toro Rosso aber auch einen Motor. "Das liegt nicht in meiner Hand", muss er eingestehen. "Ich tue, was ich kann, um ihnen zu helfen, der kommerzielle Rechteinhaber und das Team selbst ebenfalls."

Die Power Units sind zu teuer, Foto: Renault Sport F1
Die Power Units sind zu teuer, Foto: Renault Sport F1

WEC als Vorbild für die Formel 1?

Doch mit Alternativmotoren droht das nächste Debakel. Zwei völlig unterschiedliche Konzepte müssen auf ein Performance-Niveau gebracht werden - nicht nur beim Motor, sondern auch beim Chassis. Todt allerdings ist zuversichtlich, wie er Motorsport-Magazin.com versicherte: "Ich bin kein Ingenieur, aber ich bin mir sicher, dass wir eine Balance of Performance erreichen können. In der WEC haben wir drei unterschiedliche Motorkonzepte."

Ein schlechtes Beispiel. In der WEC wird das Leistungsgleichgewicht über die verfügbare Energiemenge hergestellt. Das ist in der Formel 1 dann nicht möglich, werden die Alternativmotoren deutlich mehr verbrauchen als die Power Units. Außerdem ist die WEC kein Paradebeispiel für ein Leistungsgleichgewicht.

Porsche, Audi und Toyota fahren in derselben Kategorie, haben allerdings unterschiedliche Konzepte. Beim aktuellen Lauf in Shanghai steht Porsche auf Pole Position, anderthalb Sekunden vor den Audis. Die Toyotas folgen mit einer weiteren Sekunde Abstand.

Als gescheitert sieht Todt die Monster-Hybrid-Formel aber nicht. "Es war eine schmerzhafte Einführung, aber ich bin noch immer ein großer Unterstützer. Wenn man eine Vision für die Zukunft des Motorsports, für die Spitze des Motorsports, hat, dann sind das diese Motoren. Aber meiner Meinung nach kosten sie zu viel."

Auf die leichte Schulter nimmt der FIA-Präsident die Probleme nicht: "Wir sollten um die Zukunft der Formel 1 besorgt sein. Alles, was wir hier machen, ist für die Rettung der Zukunft." Allerdings sollten dazu alle Beteiligte an einem Strang ziehen, aber das ist wie immer unmöglich. "Wenn es elf Teams gibt, hat jedes Team einen eigenen Standpunkt. Mit seinem Humor hat Bernie recht: Bei den Meetings einigt man sich oftmals nur auf das nächste Datum."