'Grand Farce', titelte eine große australische Tageszeitung am Montagmorgen plakativ. Die Disqualifikation von Daniel Ricciardo beim Großen Preis von Australien kam einer kleinen nationalen Katastrophe im sonnigen Australien gleich. Endlich stand wieder einmal ein Local Hero auf dem Podium - der Traum eines jeden Aussi-Formel-1-Fans und natürlich auch der Medien. 5 Stunden und 20 Minuten später war die Blase geplatzt, Ricciardo mit einer dreiseitigen Begründung der FIA aus dem Rennen genommen.
Medial der GAU für den Weltverband. Da wird einer der sympathischsten Zeitgenossen des Fahrerlagers kurz vor Mitternacht vom heimischen Podium gestoßen, und das alles wegen der neuen Motoren-Regeln, die selbst für Ingenieure teilweise unverständlich sind. Noch mehr Angriffsflächen hätte die FIA in dieser Nacht eigentlich nicht bieten können.
"FIA steht für Frustrierend, Ignorant und Arrogant", schrieb ein australischer Journalist in einem Artikel. In der Tat machten die Regelhüter im Albert Park nicht gerade Werbung für die neue Formel 1, die wegen ihrer Komplexität, Optik und fehlenden Lautstärke derzeit sowie keinen leichten Stand hat. Selbst für Experten war es nur schwer möglich, die Wirrungen rund um 'Fuel-Flow-Gate' zu entschlüsseln und die Sachlage einzuordnen.
Kein Platz für Stammtischparolen
Stotterstart der Turbo-Formel nach einem eigentlich tollen Rennen mit viel Action und reichlich Geschichten. Nun wäre es ein Leichtes, mit Stammtischparolen auf die FIA und die neuen Motoren einzuhacken.
Allerdings sollte man die Angelegenheit doch etwas differenzierter betrachten. Grundsätzlich: Ohne Regeln geht es nicht im Sport, und Regeln sind dazu da, eingehalten zu werden. Die Stewards waren in Melbourne der Ansicht, dass Red Bull gegen das Reglement verstoßen hat. Da die Geschichte offensichtlich extrem komplex ist und unterschiedliche Meinungen aufeinanderprallten, zog sich der Entscheidungsprozess arg in die Länge.
So funktioniert Sport nicht
Das ist nicht angenehm für Fans und sich die Beine in den Bauch stehende Journalisten, doch was hätten die Regelhüter sonst machen sollen? Ricciardo trotz festgestellter Ungereimtheiten laufen lassen, damit alle pünktlich Feierabend machen können? Red Bulls Sichtweise ignorieren, damit Zeit sparen und dem jungen Australier seinen Erfolg lassen? Argumentieren, dass das alles sowieso niemand kapiert und die Sache auf sich beruhen lassen?
Nein, so funktioniert Sport nicht. Aufgabe der Stewards ist es, sicherzustellen, dass alles mit rechten Dingen zugeht. An diesem verhängnisvollen Abend im Albert Park war das nicht der Fall. Wäre es nicht möglich, dass Ricciardo und sein RB10 nur so stark waren, weil mehr Benzin durch die Leitungen floss als bei allen anderen Autos und damit die Leistung entscheidend gesteigert wurde?
Red Bull pochte darauf, dass die von der FIA gemessenen Werte des Fuel-Flow-Meters nicht korrekt waren und legte Berufung ein - erst die lückenlose Aufklärung, sofern möglich, in Paris wird endgültigen Aufschluss bringen.
Tolle Rennen trotz Technik-Trouble
Das Urteil wird mit ziemlicher Sicherheit derart von technischen Aspekten durchzogen sein, dass für uns ein Ingenieurs-Studium in diesen Tagen wertvoller wäre als ein Studium der Journalistik. Doch offensichtlich geht es in Zeiten der Power Unit nicht anders. Es lässt sich gut darüber streiten, ob der Rennsport eine derartige Komplexität braucht und damit nicht den Zuschauer/Sponsor vergrault - doch infolge des Ricciardo-Dramas wird die Formel 1 in Malaysia sicherlich nicht auf die alten V8-Motoren zurückrüsten.
Als Fazit noch vor dem Urteil bleibt nur zu hoffen, dass sich derartige Vorfälle nicht wiederholen. Dann ist es auch gar nicht mehr so wichtig, ob der Zuschauer sämtliche Bestandteile der Power Unit, Benzindurchflussmengen, Softwarekennfelder und andere Kuriositäten vollends versteht; Melbourne hat gezeigt, dass die neue Ära der Formel 1 durchaus tolle Rennen liefern kann. Und unterm Strich geht es ausschließlich darum.
diese Formel 1 Redaktion