Marco Bezzecchi war die Überraschung des MotoGP-Saisonstarts 2023. Zwei Podien und der erste Grand-Prix-Sieg in den ersten vier Rennen des Jahres bedeuteten zwischenzeitlich gar die WM-Führung. Anschließend wurde es aber etwas ruhiger um den VR46-Shootingstar: In den folgenden fünf Rennen erzielte er nur 18 Zähler, zwei sechste Plätze in den USA waren seine besten Ergebnisse.

Im Grand Prix von Frankreich, dem 1000. GP in der Geschichte der Motorrad-Weltmeisterschaft, meldete sich Bezzecchi nun aber eindrucksvoll zurück. Von Startplatz sieben aus kämpfte sich der VR46-Pilot schnell bis an die Spitze nach vorne, überkam dabei auch eine Strafe und verschwand anschließend in der Ferne. Die Ziellinie überquerte 'Bezz' letztlich mit 4,256 Sekunden Vorsprung auf den Zweitplatzierten Jorge Martin.

"Es ist fantastisch", jubelte der 24-jährige Italiener bereits kurz nach Rennende im Parc Ferme. Wenig später gestand er auf der offiziellen MotoGP-Pressekonferenz: "Gestern [in Qualifying und Sprint, Anm.] habe ich mich schon gut auf dem Bike gefühlt. Trotzdem hätte ich einen Sieg nicht erwartet. Nach dem Start habe ich aber gesehen, dass ich schneller war als die Jungs vor mir. Ich konnte sie überholen und in Führung liegend dann eine gute Pace fahren. Mit jeder Runde mehr konnte weiter wegfahren."

Bezzecchi zeigt Verständnis für Strafe nach Marquez-Manöver

Nach der Startphase fand sich Bezzecchi auf Platz sechs wieder und deutete seine überlegene Pace direkt mit der schnellsten Rennrunde im dritten Umlauf an. Wenig später crashten Francesco Bagnaia, Maverick Vinales und Luca Marini, wodurch Bezzecchi auf P3 nach vorne gespült wurde. Sofort setzte der VR46-Pilot zum Angriff auf Marc Marquez an, ging dabei jedoch etwas zu ambitioniert zur Sache: Er bremste in Turn 9 deutlich zu spät und überholte den Spanier zwar, schickte dabei aber beide Piloten weit.

Jorge Martin schlüpfte innen durch, musste Bezzecchi aber nur wenige Kurven später schon wieder passieren lassen. Der Italiener setzte zum Angriff auf den Führenden Jack Miller an. Dann meldeten sich jedoch die MotoGP-Stewards: Sie bestraften Bezzecchi für sein Manöver gegen Marquez, er musste eine Position wieder hergeben. Das tat der VR46-Pilot auch sofort, auf der kurzen Geraden vor dem Schlusssektor ließ er Martin passieren. "Ich wusste, dass sie kommen würde", zeigte Bezzecchi Verständnis. "Ich wollte Marc gar nicht überholen, ich habe einfach zu spät gebremst. Ich sah, dass ich immer näherkomme und bin deshalb auf die Innenbahn gefahren. Dadurch habe ich ihn nach außen gedrückt. Ich stimme der Strafe zu."

Aus der Ruhe bringen ließ sich der zweifache GP-Sieger davon nicht. Binnen anderthalb Runden überholte er erst Martin und schließlich auch Miller. 17 Runden vor Schluss führte Bezzecchi erstmals und blickte anschließend nicht mehr zurück. Binnen weniger Umläufe distanzierte er sich deutlich vom Verfolgerfeld. "Ich habe versucht, sie schnell zu überholen, weil ich die Temperatur im Vorderreifen nicht zu stark ansteigen lassen wollte. In freier Fahrt habe ich dann gepusht. Ich konnte eine noch bessere Pace als am Freitag fahren, ich war ständig im 1:31.8er-Bereich und bin entkommen", analysiert er.

Marco Bezzecchi führte das Rennen nach wenigen Runden an, Foto: LAT Images
Marco Bezzecchi führte das Rennen nach wenigen Runden an, Foto: LAT Images

Bezzecchi wieder Zweiter: Denke nicht an die WM

Erstmals gewann Bezzecchi damit ein MotoGP-Rennen im Trockenen. "Das fühlt sich unglaublich an, viel besser als im Nassen. Es hat viel mehr Spaß gemacht", lacht er. Die größte Freude des Tages war aber eine andere: "Ich habe im Dezember beim Abendessen mit dem Team eine Wette gemacht. Sie sagten, dass ich mir einen Schnurrbart wachsen lassen muss, wenn ich gewinne und ihn dann erst wieder abrasieren darf, wenn ich wieder gewinne. Ich wollte nicht, musste aber." Seit dem Argentinien-GP war Bezzecchi deshalb mit Schnauzbart unterwegs. "Nachher kann ich ihn im Motorhome endlich abrasieren. So sehe ich wirklich hässlich aus", scherzt er.

Marco Bezzecchi musste sich einen Schnurrbart wachsen lassen, Foto: LAT Images
Marco Bezzecchi musste sich einen Schnurrbart wachsen lassen, Foto: LAT Images

Durch seinen zweiten MotoGP-Triumph und den gleichzeitigen Nuller seines VR46-Academy-Kollegen und Freundes Bagnaia meldet sich Bezzecchi auch im WM-Kampf zurück. Nach dem fünften Rennwochenende des Jahres liegt er noch einen Punkt hinter dem amtierenden Weltmeister auf Platz zwei der Fahrer-WM. "Es ist schön, so nah an Pecco dran zu sein, aber ehrlich gesagt denke ich momentan nicht darüber nach", sagt der Italiener. "Durch die Sprints und Grand Prixs kannst du schnell viele Punkte verlieren. Ich will von Rennen zu Rennen schauen und jeden Moment mit meinem fantastischen Team und Motorrad genießen. Jetzt freue ich mich auf Mugello."