Moto2-Weltmeister Augusto Fernandez ist der einzige Rookie der MotoGP-Saison 2023. Dass der Spanier überhaupt einen Sitz bei GASGAS bekam, sahen viele nur als eine Art Lückenfüllerrolle an. Eigentlich sollte Miguel Oliveira den Platz neben Pol Espargaro erhalten, doch der Portugiese wollte nicht vom KTM-Werksteam zum Satellitenteam degradiert werden und ging zu RNF-Aprilia. Stattdessen kam Fernandez zu seinem Debüt, doch steht er unter Druck. Mit Supertalent Pedro Acosta drängt ein KTM-Junior in Königsklasse.
Gleich zu Saisonbeginn in Portimao erschwerte sich die Lage für den 25-Jährigen noch mehr. Pol Espargaro verletzte sich bei einem Sturz schwer und fällt lange aus. Eine Referenz vom erfahrenen Teamkollegen fehlt Fernandez seither. Dennoch beeindruckte der Rookie vor allem mit Konstanz. Die ersten vier Grand Prix beendete er allesamt und sammelte dabei immer ein paar Punkte. Beim fünften Wochenende in Le Mans gelang aber noch einmal ein gewaltiger Schritt nach vorne. Fernandez war in allen Trainingssessions gut platziert und im Rennen holte er, auch dank zahlreicher Stürze der Konkurrenten, einen sensationellen vierten Platz. Dabei hatte er aber nicht nur Glück, sondern auch Speed. Auf das Podest fehlten im Ziel gerade einmal 1,5 Sekunden.
GASGAS-Pilot fällt goldrichtige Reifenentscheidung in Le Mans
"An diesem Wochenende habe ich das Motorrad erstmals gespürt. Ich habe dann verstanden, auf welche Art und Weise ich schnell sein kann. Am Samstag hatte ich noch Angst, mich von meinen Gefühlen leiten zu lassen. Heute habe ich meinen Kopf durchgesetzt. Ich dachte, nach zwei Stürzen [im Sprint und im Warm Up, Anm. d. Red.] nehme ich die Soft-Mischung und das hat sich bezahlt gemacht. In Zukunft wird es das Richtige sein, wenn ich meinem Instinkt folge", erklärte der Tech3-Mann seinen Erfolg.
Seine Reifenentscheidung war kein Pokerspiel: "Heute habe ich mit den zwei Soft-Reifen genau gewusst, was auf mich zukommt. Klar, der Vorderreifen hat am Ende nachgelassen, aber das habe ich erwartet. Deshalb bin ich etwas vorsichtiger gefahren und habe meine Linie geändert. Ich war am Schluss ein bisschen am Limit, aber ich habe das Limit gut gespürt. Aleix Espargaró hatte den harten Vorderreifen genommen, deshalb hat er schnell aufgeholt. Aber für mich hat sich das Risiko mit dem Soft gelohnt, weil er mir mehr Rückmeldung gegeben hat." In der letzten Runde wehrte der Spanier einen Angriff seines erfahrenen Landsmannes auf der Aprilia ab.
Sein Team feierte den Rookie, als hätte er das Rennen gewonnen. Tech3-Chef Herve Poncharal hätte sich kaum einen besseres Heimrennen für seine Mannschaft ausmalen können. Seinen Glücksgefühlen ließ er am ServusTV-Mikro vollen Lauf: "Heute ist einer der besten Tage meines Lebens. In der Moto3 haben wir [mit Daniel Holgado, Anm. d. Red.] unser erstes Rennen in Frankreich gewonnen. Und jetzt dieser Erfolg von Augusto. Das Wochenende war nicht leicht. Ich denke, dass er viel Applaus verdient hat, weil das erst sein fünftes Wochenende in der WM ist. Er hatte viel Druck und ist ein Rookie. Chappeu!"
Fernandez will mehr: Bin hier, weil ich gewinnen will!
War Le Mans nun der Durchbruch zur MotoGP-Spitzengruppe? Fernandez dämpfte die Erwartungen: "Zumindest haben wir einen kleinen Fortschritt erzielt. Ich möchte nicht sagen, das wird jetzt das ganze Jahr in diesem Stil weitergehen, denn das ist das erste MotoGP-Wochenende, an dem ich drei Tage lang gut abgeschnitten habe. Es ist zu früh für weitere Prognosen." Wo dieser Fortschritt lag, wusste der Moto2-Weltmeister zu benennen: "Wir haben am Motorrad bei der Ergonomie einige Verbesserungen erzielt. Wir haben im Grunde dasselbe Bike wie am Saisonbeginn, aber ich fühle mich jetzt beim Fahren etwas besser."
Doch reichen Fernandez' Fortschritte auf Dauer aus, um in der MotoGP zu verbleiben? Pedro Acosta stürzte zwar im Moto2-Rennen von Le Mans, dennoch gehen fast alle im Paddock von seinem MotoGP-Aufstieg 2024 aus. Da Pol Espargaro einen Vertrag bis 2024 hat, müsste der Logik nach Fernandez weichen. Dieser denkt aber gar nicht daran, sondern stellt seine sportlichen Ambitionen heraus: "Da müsst ihr jemand anderes fragen. Ich treffe da keine Entscheidungen. Ich bin jedenfalls glücklich, denn ich habe jetzt beim fünften Grand Prix der Saison einen vierten Platz in der MotoGP. Ich fokussiere mich auf meinen Job. Und ich will noch mehr. Ich bin hier, weil ich gewinnen will. Und darauf konzentriere ich mich."
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