Ein Taktikfuchs wird Jorge Lorenzo nicht mehr. Das lässt sich nach dem verregneten Grand Prix von Japan wohl sagen. Wie schon im Flag-to-Flag-Krimi von Misano hätte er die Pace für den Sieg gehabt, beging aber erneut einen Fehler in der Art, wie er sein Rennen anlegte. In Misano stürzte er mit zu kalten Reifen auf seiner Outlap, in Motegi waren es nun erneut die Pneus, die ihm den Sieg kosteten. Lorenzo verheizte sie vollkommen und musste dafür den Preis zahlen. Die Rennanalyse:

Als Valentino Rossi von Startplatz zwei aus besser weg kam als Polesitter Lorenzo und ihn in Kurve eins überholen konnte, war die Freude bei Rossis Fans und den neutralen MotoGP-Beobachtern groß. Ein spannendes Rennen anstatt der befürchteten Solofahrt von Lorenzo schien bevorzustehen, doch schon in Kurve drei holte sich der die Führung zurück und wechselte in seinen berühmten Hammer-Modus. Der bislang als schwacher Regenfahrer verschriene Lorenzo zog das Tempo an der Spitze sofort mächtig an und dieses Mal konnte ihm auch auf regennasser Fahrbahn niemand folgen. Niederschläge gab es zu diesem Zeitpunkt zwar keine mehr, doch der Asphalt war noch vom Wasser der morgendlichen Regenfälle benetzt.

Die Startphase gehörte ganz klar Lorenzo, Foto: Monster
Die Startphase gehörte ganz klar Lorenzo, Foto: Monster

Lorenzo jagte seine Yamaha M1 mit fabelhaftem Speed um den Twin Ring von Motegi und brauchte nur fünf Runden, um seinen Vorsprung auf Verfolger Rossi über drei Sekunden zu schrauben. In dieser Phase sah Lorenzo wie der sichere Sieger aus, gilt er doch als Experte, seine in den ersten Umläufen herausgefahrenen Polster über die Distanz zu bringen. Doch dieses Mal hatte sich der sechsfache Saisonsieger völlig verschätzt. Er hatte damit gerechnet, dass der Asphalt bis zum Ende des Rennens nass bleiben würde, was sich aber als falsche Annahme herausstellte. So strapazierte Lorenzo bei seiner rasanten Fahrt in den ersten Runden seine Reifen bereits extrem. Das rächte sich, als die weichen Regenreifen auf abtrocknender Strecke dann umso mehr gefordert wurden. "Ich hätte am Anfang sicher nicht so gepusht, wenn ich gewusst hätte, dass es trocken wird", haderte Lorenzo im Anschluss mit seiner Rennanlage.

Was dann folgte, war nämlich ein vollkommener Einbruch in den Rundenzeiten Lorenzoa. Beginnend in Runde sechs wurde er in jedem Umlauf um zwei bis drei Zehntelsekunden langsamer, in der zweiten Rennhälfte ging es für ihn dann teilweise sogar in Halbsekunden- bis Sekundenschritten bergab. Das schien zunächst nicht allzu schlimm, da Valentino Rossi auf Rang zwei ebenfalls Probleme hatte und keinen Boden auf Lorenzo gutmachen konnte.

Die Gefahr für Lorenzo kam aber von deutlich weiter hinten aus dem Feld. Dani Pedrosa, der in der Startphase Sekunde um Sekunde auf die Spitze verlor und nur auf Rang vier lag, legte nach dem ersten Renndrittel plötzlich zu. Er hatte zwar fast neun Sekunden Rückstand auf Lorenzo aufgerissen, seine Reifen dafür aber optimal geschont. "Mir war klar, dass aufgrund der harten Brems- und Beschleunigungsmanöver hier die Reifen in der Schlussphase entscheidend sein würden", verriet Pedrosa.

Tatsächlich holte Pedrosa die Zeit, die er zunächst verloren hatte, fast ebenso schnell wieder auf. In Runde elf schnappte er sich zunächst Andrea Dovizioso auf Rang drei und machte nun Jagd auf Rossi. Der musste sich fünf Umläufe später geschlagen geben. Wäre das Rennen nun vorbei gewesen, hätte alles zugunsten Lorenzos funktioniert und er erneut neun Punkte auf Rossi gutgemacht. Doch es standen noch neun Umläufe bevor und nach nur zwei von ihnen war Lorenzo seine Führung an Pedrosa los.

Nun kam es für Lorenzo knüppeldick. Rossi hatte die Pace Pedrosas, nachdem der Repsol-Honda-Pilot ihn überholt hatte, zwar nicht ganz mitgehen können, allerdings orientierte sich Rossi in puncto Bremspunkte und Linienwahl stark an Pedrosa, wodurch er seinen Rückstand auf Lorenzo ebenfalls massiv von über drei auf gut 1,5 Sekunden verringern konnte. "Dani hat mir sehr geholfen", bestätigte Rossi. "Er hat mir einen Windschatten und wertvolle Infos geliefert." Es sollte schließlich nach dem Führungswechsel von Lorenzo zu Pedrosa nur weitere zwei Runden dauern, bis auch der Rossi nach einem Fehler Lorenzos in Kurve drei an ihm vorbeigehen konnte. Mit seinen völlig zerstörten Reifen konnte Lorenzo nichts entgegensetzen und musste seinen Rivalen im Titelkampf ziehen lassen.

Fazit

Jorge Lorenzo erlebte in Motegi eine schmerzliche Niederlage, die in dieser Form nicht passieren hätte müssen. Lorenzo war zu sehr darauf fokussiert, in gewohntem Stil die Konkurrenz mit seiner sensationellen Pace in den ersten Runden zu zermürben und so gar nie Zweifel am Ausgang des Rennens aufkommen zu lassen. Hätte er aber in dieser Phase nur etwas Tempo rausgenommen, wäre es ihm möglich gewesen, mit einem ansehnlichen Polster an der Spitze zu fahren, ohne seine Reifen vollkommen zu verheizen. Ein klarer taktischer Schnitzer von Lorenzo, der an diesem Sonntag zwar der schnellste, aber nicht der klügste Fahrer im Feld war.