Gerade einmal vier Zehntel trennen die zehn schnellsten Autos der Formel 1 am Freitag in Monza. Gerade einmal ein Zehntel trennt die Top-3 und mit McLaren, Ferrari und Williams sind es drei verschiedene Teams inklusive einer Überraschung. Lando Norris hat sich die Tages-Bestzeit erarbeitet, doch die Trainings-Analyse wirft eine Frage auf: Ist die Monza-Konfiguration des MCL39 schon am Ende?
Monza ist schließlich der "Temple of Speed". Jahr für Jahr bringen die Teams spezielle Flügelpakete, um Abtrieb zu reduzieren und Topspeed zu erhöhen. Das ist 2025 nicht anders. Mehrere Teams haben dieses Jahr sogar extra-kleine Heckflügel dabei, die wirklich nur mehr in Monza sinnvoll gefahren werden können.
Das trifft auf die Top-3 in der Tabelle zu. Lando Norris, Charles Leclerc und Carlos Sainz fuhren am Freitag allesamt mit den ultimativen Monza-Specials der Ground-Effect-Ära. Bei McLaren ist der Heckflügel in seiner Gesamtheit minimiert worden. Ferrari und Williams nahmen bereits verwendete Spa-Heckflügel und feilten die Oberkanten noch einmal ab, wie auf den Bildern unten zu erkennen ist.



McLaren-Topspeed schwächelt in Monza-Trainings
McLaren und Ferrari fuhren in FP1 noch Vergleichstests. Beide Teams setzten für FP2 dann auf das Minimum. Damit holte Norris die Bestzeit - aber gewann an ganz anderen Stellen als seine Verfolger Leclerc und Sainz. Obwohl der McLaren nämlich nun auf dem Mini-Flügel fährt, verliert er merklich auf den Geraden.
Norris holte sich die Bestzeit praktisch nur in den Kurven. Sieben Hundertstel schneller als Leclerc in der ersten Schikane, über zwei Zehntel durch die beiden Lesmos. Die Topspeed-Tabelle unterstreicht es. Auf ihren schnellsten Runden waren Norris und Oscar Piastri die Langsamsten hin zur Ascari-Schikane. Gute fünf Km/h fehlen auf den Rest des Spitzenfeldes.
| P. | Zeit | Km/H | Rückstand |
|---|---|---|---|
| 1 | Hülkenberg | 346,1 | |
| 2 | Tsunoda | 341,8 | 4,3 |
| 3 | Leclerc | 339,7 | 6,4 |
| 4 | Sainz | 338 | 8,1 |
| 5 | Verstappen | 337,8 | 8,3 |
| 6 | Hamilton | 337 | 9,1 |
| 7 | Albon | 336,9 | 9,2 |
| 8 | Russell | 336,2 | 9,9 |
| 9 | Norris | 334,6 | 11,5 |
| 10 | Piastri | 333,9 | 12,2 |
Die Tabelle deutet auch an: In Monza ist das Topspeed-Geschäft im Qualifying durch Windschatten-Spielchen volatil. Zwei bis drei Zehntel bringt auf den langen Geraden ein Führungsfahrzeug im richtigen Moment. So erklärt sich anhand dieser Tabelle schnell Nico Hülkenbergs beeindruckender achter Platz. Der Sauber staubte einen sehr guten Windschatten ab. Wer also hatte auf den Qualifying-Simulationen in Monza am Freitag wie viel Windschatten?
| P. | Fahrer | Versuch | Windschatten |
|---|---|---|---|
| 1 | Norris | 1 | keinen |
| 2 | Leclerc | 3 | leicht |
| 3 | Sainz | 2 | leicht |
| 4 | Piastri | 3 | keinen |
| 5 | Hamilton | 1 | T1 |
| 6 | Verstappen | 2 | stark T1, leicht T8, leicht T11 |
| 7 | Albon | 1 | stark T1, leicht T8, leicht T11 |
| 8 | Hülkenberg | 1 | stark T8, stark T11, Ziel |
| 9 | Tsunoda | 2 | T8, T8, T11, Ziel |
| 10 | Russell | 3 | T8, T11 |
Tatsächlich ist die Windschatten-Bilanz am Freitag an der Spitze recht bescheiden. Teaminterne Spiele betreibt niemand. Die Top-5 sind relativ aussagekräftig - das, was Leclerc, Sainz und Hamilton abgreifen ist relativ zu McLaren nicht berauschend. Nur der angesprochene Hülkenberg sticht wirklich als Profiteur hervor. Das macht die Ergebnis-Tabelle insgesamt mit dieser Einordnung durchaus repräsentativ.
Ferrari in Monza pfeilschnell - aber nicht fahrbar?
Es gibt aber noch mehr Faktoren. Auf so einer Strecke spielt ein heruntergedrehter Motor potenziell eine wichtige Rolle. Die Konkurrenz hat - wie jedes Jahr - Ferrari im Verdacht, vor Heimpublikum freitags ein bisschen eine Show abzuziehen. Die Geschwindigkeitsmessungen nähren den Verdacht. Leclerc und Lewis Hamilton sind auf der Ziellinie - also noch in der Beschleunigungsphase - auffällig schnell, liegen drei bis vier Km/h vor allen anderen.
"Ich weiß nicht, wie viel McLaren und Red Bull gepusht haben, ich denke die haben noch mehr in der Hinterhand", ist Leclerc auch ehrlich. Es ist nicht Ferraris einziges Problem. Mit dem kleinen Heckflügel schien der SF-25 an die Grenzen seiner Balance zu geraten. Leclerc musste dreimal ansetzen, ehe er die Runde zusammenbekam. Im Longrun war es nicht besser. Drei schwere Fehler hatte Leclerc dort zu verzeichnen, einmal mit einem beinahe fatalen Ausritt ins Kiesbett der Ascari-Schikane.
Leclercs Soft-Longrun war wegen der Fehler mehr oder minder unbrauchbar. Hamilton macht sich auf Hard allerdings zwischen zwei Haas und über drei Zehntel hinter George Russell auch nicht gut. "Ich bin lieber in dieser Position, anstatt ein konstantes und langsames Auto zu haben", spielt Leclerc es etwas herunter. "Aber ja, wir müssen an der Konstanz arbeiten."
Der Mini-Flügel sät Zweifel. "Wir haben in FP2 Änderungen vorgenommen und es schlechter gemacht", scheint Hamilton danach indirekt auch in diese Richtung zu deuten und suggeriert einen Rückbau. Er war in FP1 der Mann mit dem größeren Flügel gewesen. Ein größerer Flügel und stärker aufgedrehte Motoren der Konkurrenz würden Ferraris tolle Freitags-Topspeeds relativieren. Dann wird es schwierig, denn die Konkurrenz ist zahlreich.
Die Mehrheit des restlichen Feldes fuhr auf Medium, und da rückte Norris wieder an die Spitze. So erhärtet sich wiederum der Verdacht, dass der McLaren einfach immer noch mehr Abtrieb produziert als die Konkurrenz. Zu viel für Monza? "Ich glaube, wir performen bei diesen Low-Downforce-Bedingungen definitiv nicht auf dem gleichen Level", warnt Norris. "Normalerweise haben wir an dem Punkt eine Sekunde Vorsprung! Momentan sind alle etwas zu nahe dran."
Red Bull & Williams: Sind das die ersten McLaren-Herausforderer?
Andere Teams rücken jetzt auf. Der Williams funktioniert seit Jahren auf Highspeed-Strecken gut, aber ein ernsthafter Anwärter auf Pole oder Sieg war er noch nie. 2025 scheint es so eng wie noch nie. Carlos Sainz zeigte selbst mit kleinstem Flügel gute Pace und Balance in den Lesmos, und im Longrun waren er und Alex Albon auffällig schnell. Sie begannen langsam, legten aber das Pace-Ziel vielleicht etwas zu niedrig. Konstant konnten sie sich über die Distanz verbessern, waren am Ende auf ähnlichem Level wie Red Bull.
"Die Frage ist jetzt nur, ob wir das gleiche Auto für morgen zusammenbekommen", ist Alex Albon gewarnt. "Wir haben immer wieder gesehen, dass die Outlaps und das Treffen des Fensters schwierig sind." Der FW47 gilt als bissiges Auto im Qualifying, schon mehrmals verpuffte ein gutes Wochenende am Samstagnachmittag. Sainz bestätigt: "Die Zeit ist gut, aber sie kam auf der zweiten Push-Runde. Ich würde sie gerne auf der ersten fahren, aber Balance und Reifen geben mir das Gefühl auf der ersten nicht." Im absoluten Qualifying-Modus dürfte der Reifen zu viel Performance verlieren, um im zweiten Versuch noch konkurrenzfähig zu sein.
Max Verstappen liegt mit nur zwei Zehnteln Rückstand auch in Schlagdistanz. Im Longrun war er erster Norris-Jäger, auf Augenhöhe mit Sainz, und danach überraschend wenig kritisch an der sonst üblicherweise mäßigen Freitags-Balance. "Wir wissen, wo wir ansetzen, um zwei Zehntel aufzuholen", kündigt Motorsport-Berater Dr. Helmut Marko für den Shortrun an. Letztendlich wird das Qualifying wohl die entscheidende Rolle spielen.
Wenn alle Autos ähnlich schnell sind, ist in Monza Überholen erst recht schwer. Die kleinen Heckflügel reduzieren den DRS-Effekt. Genau das ist auch McLarens größte Gefahr: Norris' Vorsprung und der übliche Reifenvorteil im Longrun sind da, aber nicht groß genug, um lockere Überholmanöver zu versprechen, denn Pirelli maß am Freitag generell wenig Abbau. Der fehlende Topspeed tut dann das Übrige.
Noch ist die Angelegenheit in Monza zwischen McLaren, Ferrari, Williams und Red Bull offen. WM-Leader Oscar Piastri musste in FP1 aussetzen, bog in FP2 beim Qualifying-Setup falsch ab und sieht bei 0,181 Sekunden Rückstand noch keinen Grund zur Sorge. Und auch George Russell darf nicht unterschätzt werden, wenngleich der Mercedes am Freitag schlecht ausbalanciert war. Kimi Antonelli parkte ihn einmal mehr im Kiesbett. Im Renn-Trimm war Russell auf dem Hard konstant, aber nicht spektakulär. Das konnten andere auch auf Medium liefern.



diese Formel 1 Analyse