Red Bull forderte nach dem desolaten letzten Wochenende dringend Fortschritte ein, und am Freitag in Saudi-Arabien schienen die ersten Trainings genau solche zu zeigen. Zwar lag McLaren wieder klar vorne, aber nicht ganz so klar, wie es Lando Norris erhofft hatte. Max Verstappen drückt, doch ist das Ergebnis nur eine Einbildung? Die Trainings-Analyse unterstreicht, worüber sich Team und Fahrer sofort nach dem 2. Training schon Sorgen machten.

Norris und Oscar Piastri hatten ganz vorne die FP2-Bestzeit am Freitag bei der Formel 1 in Saudi-Arabien mehr oder minder unter sich ausgefahren. Verstappen aber belegte Platz drei. Nachdem Red Bull sich in mehrerlei Hinsicht vor Beginn des Wochenendes hoffnungsvoll bezüglich des Jeddah Corniche Circuit geäußert hatte.

Max Verstappen & Red Bull im Qualifying-Trimm wirklich weit vorne?

Die Strecke hier ist schnell und flüssig, in solchen Kurven hat der RB21 keine so schlimmen Probleme wie in den langsamen eckigen Winkeln von Bahrain. Auch ist der Asphalt sanfter und bietet viel Grip, was bei Autos mit größeren Handling-Problemen einiges kaschieren kann. Und Red Bull kündigte einen radikalen neuen Setup-Ansatz an. "Massiv", bezeichnete die Änderungen hier Motorsport-Berater Dr. Helmut Marko.

Im Verlauf des Freitags wurde an den Autos von Verstappen und Yuki Tsunoda viel experimentiert. Dabei soll es aber um Setup gehen, einen neuen Unterboden gibt es nicht. Auch in FP2 fuhren beide unterschiedlich abgestimmt. "Ich glaube, wir haben viel damit gelernt", ist Verstappen guter Dinge. Erst recht, weil der RB21 in seinen Händen zum Leben erwachte, als er in die nächtlichen Qualifying-Simulationen des 2. Trainings startete. Damit fuhr Verstappen auf P3 - wenngleich das Ergebnis der näheren Betrachtung schnell nicht standhält.

Red Bull von Longruns alarmiert: Hier läuft es gar nicht gut

Das größte Problem gibt Marko unumwunden zu: "Im Longrun waren leider die Reifentemperaturen und der Abbau viel zu hoch." Das tolle Qualifying-Setup sah mit vollen Tanks nicht gut aus. Verstappen begann seinen Longrun früh, weil er möglichst viele Daten haben wollte. Es startete mit 1:34,9 schon langsam, und nach acht Runden war er neun Zehntel langsamer. Tsunoda fuhr das Auto in der dritten Runde in die Wand.

Die rote Flagge ruinierte für fast alle die Longruns. Die meisten kamen über drei Runden nicht hinaus und daher nicht in den ersten kritischen Bereich des Reifen-Abbaus. Aber gut sah es für Red Bull auch mit diesem Mini-Muster nicht aus. Oscar Piastri wurde in vier Medium-Umläufen nur unwesentlich langsamer - und im Schnitt damit über eine Sekunde schneller als Verstappen. Der fiel eher noch in den Zeitenbereich von Williams-Pilot Carlos Sainz zurück.

Red Bulls Qualifying-Pace auch nicht so gut? McLaren & Ferrari haben noch Luft

"Für morgen müssen wir jetzt bei den Reifen besser werden, ohne den Qualifying-Speed zu verlieren", mahnt Marko daher schon. Ein Pole-Kandidat ist Verstappen so nämlich auch kein realistischer. Zum einen fehlten ihm doch 0,280 Sekunden auf Lando Norris' Bestzeit. Dessen Angst - "Ich habe wohl auf eine größere Lücke nach hinten gehofft" - erscheint bislang eher unbegründet.

Marko bestätigt nach dem Training auch, dass ein Teil des neuen Ansatzes das Fahren mit mehr Motorleistung am Freitag ist, weil man möglichst viele Unsicherheitsfaktoren aus der Problem-Gleichung nehmen will. In der Vergangenheit war Red Bull sonst öfters konservativ, aber auf der Power-Strecke von Jeddah ist dann wohl nicht mehr mit viel Extra-Leistung zu rechnen. Dann ist es ein realistisches Bild, dass Verstappen über die ganze Runde kontinuierlich verliert. So gibt Marko auch Platz drei als Ziel aus.

Wenn man jetzt das Qualifying-Setup entschärfen muss, droht schnell Ferrari von hinten. Die müssen erst ein Qualifying-Setup finden. Auch in der warmen Nacht von Jeddah scheint der SF-25 die Reifen für die erste Kurve nicht ins Fenster zu bekommen. Charles Leclerc gab zweimal auf und brauchte einen dritten Anlauf, Lewis Hamilton gab beim zweiten auf und fuhr eine fehlerbehaftete Runde für einen wertlosen 13. Platz fertig.

Beide Fahrer ließen im Verlauf des Trainings den Frontflügel deutlich flacher stellen, Leclerc haderte auf seiner ersten abgebrochenen Push-Runde auch noch mit der Motorbremse. Sein vierter Platz mit zwei Zehnteln Rückstand auf Verstappen ist da achtbar - eben, weil er davor schon zwei Mal mit diesem Soft-Reifensatz angesetzt hatte. Die dieses Jahr hier um eine Stufe weicheren Reifen schienen bei erneuten Versuchen nur nicht mehr so viel Grip herzugeben. "Sobald wir alles ins Fenster bekommen, gibt es da noch ordentlich Performance", prognostiziert Leclerc. "Was ich für morgen will, weiß ich schon."

Kurios: Norris kürzt auf schnellster Saudi-Arabien-Runde ab

Die Pole scheinen aber Norris und Piastri unter sich auszumachen. Nicht zum ersten Mal war Norris es, der am Freitag den Ton angab. Obwohl er den ganzen Tag mit einer älteren Spezifikation des Diffusors fuhr. McLaren hat hier ein Update im Gepäck, will das aber erst vergleichen. Am Samstag erwartet man, beide Autos auf das Optimum umzurüsten. Welcher Diffusor das wäre, wird erst über Nacht entschieden werden.

Bei der Durchsicht der Onboards findet man in FP2 ein Kuriosum: Norris kürzte auf seiner schnellsten Runde tatsächlich die erste Schikane ab. Es war dies sein zweiter Anlauf mit dem gleichen Reifensatz, und auf der Bremse ging ihm schlicht der Grip aus. In Trainings werden Track-Limit-Vergehen aber von der Rennleitung nicht geahndet. Norris fuhr die Runde auf Bitten des Teams fertig und schabte noch ein paar Tausendstel von seiner ursprünglichen - völlig legalen - Bestmarke ab.

Hier sei aber gesagt, dass das Abkürzen ignoriert werden kann. Die Runde zeigt vor allem eines: Richtig starke Leistung hintenraus. Obwohl die Reifen schon einen Hitzezyklus hinter sich gehabt hatten. Auch das sind keine guten Nachrichten für die Konkurrenz. Bleibt nur die Frage, ob Norris das auch im Qualifying liefern kann. Das ganze Jahr schon hadert er damit, den McLaren am absoluten Qualifying-Limit zu bewegen. Ein Problem, das man eben erst dann sieht, wenn im Qualifying alles auf Anschlag voll aufgedreht wird.

Norris hat im Vorlauf zum Wochenende Arbeit in das Problem gesteckt und hofft hier auf Besserung, indem er seinen Fahrstil adaptiert: "Heute habe ich wohl mehr an mir als am Auto gearbeitet." Oscar Piastris Freitag hatte noch Luft nach oben: "In ein paar Kurven muss ich einen besseren Job machen." Sein Auto schien im ersten Sektor nie so leicht einzulenken wie das von Norris. Piastri fuhr teils aggressiver die Kerbs an, kam letztendlich trotzdem nicht ganz auf das Norris-Niveau.

Formel-1-Mittelfeld nervt die Spitze: Mercedes nächstes Opfer?

Eines ist 2025 bislang auch auffällig: Das Mittelfeld lässt sich im Qualifying nicht nur nicht so einfach abschütteln, sondern bestraft gerne auch Spitzenteams, die mit einer Strecke nicht zurechtkommen. In Australien war es Ferrari, in Bahrain Red Bull, ist es in Saudi-Arabien jetzt Mercedes? Von George Russells Hochform war am Freitag nichts zu sehen, Platz sieben mit gigantischen sieben Zehnteln Rückstand wurde es.

Russells Tag war turbulent. Im ersten Training testete er ein anderes Bremsmaterial. Im zweiten Training bekam er die Reifen dann nicht zum Arbeiten, als es drauf ankam. Als es in die Nacht ging, wurde der Mercedes zunehmend schwierig zu fahren. Kimi Antonelli gab der Betonwand einen ordentlichen Kuss mit und musste vorzeitig abstellen. Setup-Änderungen waren nach hinten losgegangen. "Jetzt werden wir die über Nacht im Simulator analysieren und entscheiden, was wir beibehalten und was verwerfen", so Chefingenieur Andrew Shovlin.

So glaubt Mercedes, noch einen guten Sprung nach vorne und zurück in die Spitzengruppe schaffen zu können. Das Mittelfeld bot mit einer Bestzeit von Pierre Gasly in FP1 und einem fünften Platz von Carlos Sainz in FP2 zwei Überraschungsgäste an der Spitze. Beide freuten sich über ein gutes Gefühl im Auto, aber erst recht ohne Longrun-Daten sollte man die Leistung nicht überbewerten. In FP2 trennten Sainz auf P5 und Jack Doohan auf P17 nur eine Sekunde. Das Hinterfeld ist wieder eng. Wie in Bahrain sind Williams und Alpine aber die ersten Anwärter auf Q3.