Der Alpine-Fahrer Pierre Gasly soll in der abgelaufenen Formel-1-Saison gleich zwei Rekorde aufgestellt haben. Zum einen soll der Franzose nach 24 Rennwochenenden in diesem Jahr schadensfrei geblieben sein und zum anderen habe er es geschafft, für sein Team keine Reparaturkosten während der gesamten Saison zu verursachen. Letzteres hat sogar die Formel 1 übernommen. Allerdings hat er beide Meilensteine nicht erreicht.
Von beiden Bestmarken ist die Schadensfreiheit deutlich schwieriger zu erreichen: In diesem Fall hätten bei Gasly gar keine Defekte während der gesamten Saison auftreten dürfen. Allerdings wurde dieses Ziel schon im zweiten Saisonrennen Anfang März verfehlt. In Saudi-Arabien beendete ein Getriebeschaden das Rennen des 28-Jährigen in Runde 1.
Nochmals defekt war das Getriebe in Silverstone. In Ungarn gab es ein Hydraulik-Problem an Gaslys Alpine-A524 und im drittletzten Rennen der Saison in Las Vegas versagte die Power Unit und er musste den Rennwagen abstellen. Defektfrei blieb 2024 also nicht.
Japan Grand Prix 2024: Gasly hat auch Schaden selbst verursacht
Der weitere propagierte Meilenstein lautete, dass Gasly für sein Team keine Reparaturkosten verursacht hätte. Für die Schäden an Getriebe, Hydraulik und Power Unit kann der Fahrer schlecht zur Verantwortung gezogen werden, deshalb hat Gasly diese Reparatur- und Ersatzteilkosten auch nicht verursacht. Beim Grand Prix in Japan hat er allerdings für Schaden an seinem Boliden gesorgt.
Das vierte Saisonrennen musste nach einem Startunfall zwischen Daniel Ricciardo und Alexander Albon neu gestartet werden. Gasly erwischte einen guten Restart und befand sich vor der Rechtskurve 1 zwischen Yuki Tsunoda innen und Teamkollege Esteban Ocon außen. Bei der Anfahrt auf Turn 1 zog Tsunoda in Richtung Ideallinie nach außen, Gasly musste notgedrungen ausweichen. Dabei traf er Ocons rechtes Vorderrad und beschädigte seinen Unterboden stark. Ocon trug ebenso einen Schaden davon.
"Ich hatte einen deutlichen Schaden am Unterboden, der mich etwa 30 Prozent Downforce gekostet hat", erklärte Gasly in Japan. Die Kollision mit Ocon werteten die Kommissare als typischen Rennunfall unmittelbar nach dem Rennstart. Eine Schuldfrage wurde somit nicht gestellt und weder Tsunoda noch Gasly oder Ocon haben den Schaden verschuldet.
Dennoch sind durch den Zwischenfall Kosten für das Alpine-Team entstanden, die durch Gasly verursacht wurden. Für den Schaden bei Ocon war er Mit-Verursacher, jedoch wegen der Situation nach Rennstart berechtigterweise nicht schuld.
Unterschied: Verursachen vs. Verschulden
Zwischen Verursachen und Verschulden muss unterschieden werden. Als Max Verstappen 2021 in Aserbaidschan einen Reifenschaden erlitt und in die Streckenbegrenzung abflog, verursachte der Niederländer logischerweise Schäden an seinem Auto. Verstappen handelte allerdings nicht fahrlässig und war am Schaden nicht schuld.
Anders war das zuletzt beim F1-Saisonfinale in Abu Dhabi, als Valtteri Bottas im Duell gegen Kevin Magnussen deutlich zu spät bremste, den Dänen abräumte und seine eigene Radaufhängung beschädigte. Bottas wurde für dieses Vergehen eine Strafe auferlegt und er war schuld an Unfall und dem Schaden.
Pierre Gasly hat zumindest offiziell keinen Schaden in der F1-Saison 2024 verschuldet. Bei 24 Rennwochenenden inklusive sechs Sprintrennen ist diese Statistik sehr bemerkenswert und positiv hervorzuheben. Allerdings verursachte er in Japan definitiv einen Schaden. In diesem Wissen verwundert Gaslys Aussage vom drittletzten Rennwochenende in Las Vegas: Er wurde gefragt, ob er 2024 noch keine Schäden verursacht habe. "Ja, das stimmt", antwortete der Franzose. "Ich habe im gesamten Jahr noch nichts beschädigt." Den Ausschnitt des Interviews könnt ihr euch im folgenden Video anschauen:
Woher kommt die Schaden-Kosten-Statistik?
Nach dem 21. Grand Prix in Brasilien veröffentlichte eine F1-Technik-Website mithilfe von geschätzten Werten Summen für die bis dahin aufgekommenen Schäden der jeweiligen Piloten. Drei Rennen vor Saisonende habe Red-Bull-Pilot Sergio Perez dieses Ranking angeblich angeführt. Und die wenigsten Kosten sollte eben Pierre Gasly mit 0 Euro verursacht haben, was angesichts der Ereignisse des Japan GP nicht korrekt ist.
Die tatsächlichen Werte der Schadens- und Reparaturkosten kennen nur die Teams selbst. Ebenso ist nicht öffentlich einsehbar, ob die Teams zum Rennwochenende mit einem unveränderten neuen Unterboden, Heck- oder Frontflügel anreisen. Manchmal entscheiden sich Teams auch gegen neue Teile und reparieren aufwendig. Diese Kosten können Außenstehende nicht seriös aufschlüsseln.
Gasly noch mehr Schaden verursacht - und sogar einen verschuldet?
War der Zwischenfall mit Gasly und Ocon in Japan recht unspektakulär, so erinnern sich viele Motorsportfans noch genau an den Monaco Grand Prix. In der ersten Runde wollte sich Ocon in der Rechtskurve 8 vor der Tunneldurchfahrt an seinem Teamkollegen innen vorbeiquetschen. Allerdings war dafür kein Platz vorhanden.
Es kam zur Berührung beider Fahrer am Kurvenausgang: Der überholende Ocon fuhr über Gaslys rechtes Vorderrad. Ocon hob mit der Hinterachse ab und beschädigte beim harten Aufsetzen seinen Boliden schwer. "[Esteban Ocon] ist ganz allein für den Unfall schuldig zu sprechen", lautete die Einschätzung. Der zukünftige Haas-Stammfahrer hatte Schuld am Schaden und wurde bestraft.
Gasly war zumindest involviert. Zwar wurde er ausdrücklich als unschuldig befunden, verursachte Ocons Schaden jedoch mit. Diese Kosten wurden bei der Betrachtung des verursachten Schadens auch nicht mit aufgenommen.
Da unveränderte neue Teile am neuen Rennwochenende nicht veröffentlicht werden müssen, ist auch nicht bekannt, ob Pierre Gasly nicht vielleicht sogar einen Schaden selbst verschuldet hat. Im dritten Freien Training in Silverstone drehte sich der Franzose bei nassen Bedingungen raus und rutschte ins Kiesbett.
Am gleichen Wochenende gerieten auch Sergio Perez und Max Verstappen in den Kies und beschädigten beide ihre Unterböden bemerkbar. Ob auch Gasly in Silverstone zumindest einen kleinen Schaden davontrug und zwei Wochen später in Ungarn mit neuem oder repariertem Unterboden fuhr, ist nicht bekannt. Falls nicht, hat Gasly 2024 immerhin eines erreicht: Er hat keinen Schaden an seinem oder einem anderen Boliden verschuldet.
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