Am Donnerstag in Abu Dhabi spielten sich im Mercedes-Motorhome beispiellose Szenen ab. Üblicherweise tritt am Medien-Tag der Formel 1 nur der Fahrer hier vor die versammelten Journalisten, um Fragen zu beantworten. Doch im Angesicht der ausufernden Konfrontation zwischen Max Verstappen und George Russell tauchte völlig unerwartet Mercedes-Teamchef Toto Wolff mitten in Russells Presserunde auf. Auch er muss ein paar Dinge loswerden.
Denn am letzten Sonntag hatte sich Red-Bull-Teamchef Christian Horner in den Streit der beiden Fahrer eingemischt. Der hatte begonnen, nachdem Verstappen seine Pole wegen einer Strafe verlor und das an falschen Darstellungen von Russell in einer Stewards-Anhörung festmachte. Unmissverständlich hatte Horner nicht nur Verstappen gestützt, sondern Russell ins Visier genommen: "Die Strafe basierte mehr auf Hysterie von George. Der das ganze Wochenende recht hysterisch war."
"Warum fühlt er sich dazu bemüßigt, was über meinen Fahrer zu sagen?", kontert ein wütender Wolff. Für ihn ist eine rücksichtslose Rückendeckung eines Fahrers ganz und gar keine Art und Weise, wie man sich als Teamchef verhalten sollte: "Als Teamchef ist es wichtig, für deine Fahrer ein Sparringpartner zu sein. Das bedeutet, dass du erklären musst, wenn Dinge ein paar Nuancen haben."
"Absolute Aussagen, von wegen alles sei entweder zu 100 Prozent richtig oder zu 100 Prozent falsch, das musst du in meinen Augen erklären", mahnt Wolff. "Mit mehr Nuance, je nach deiner Wahrnehmung und Perspektive. Du musst zulassen, dass Dinge 51-49 sind, dass sie 70-30 sind. Es gibt immer eine andere Seite."
Wolff geht "Kläffer" Horner für Russell-Attacke an: Das ist einfach schwach
"Wenn du es so siehst und es so deinem Fahrer und deinem Team erklärst, dann kommst du vielleicht zur Schlussfolgerung, dass es auf beiden Seiten Teile der Wahrheit gibt", meint Wolff. "Wenn du das nicht tust, dann wirst du deiner Rolle nicht gerecht. Das ist einfach schwach."
Für Horners unmittelbare, loyale und deutliche Attacke gegen Russell im Kielwasser von Verstappen hat Wolff daher kein Verständnis. Er stellt auch sicher, dass sein Argument ankommt, und unterbricht Russells Ansetzen zur nächsten Antwort, um noch in Richtung Horner nachzusetzen: "Kläffender kleiner Terrier. Immer hat er etwas zu sagen."
Denn eigentlich gezieme es sich für einen Teamchef nicht, in so einen Disput unter Fahrern einzugreifen, ergänzt Wolff später: "Das ist was zwischen George und Max. Da will ich nicht eingreifen. Aber wenn der andere Teamchef George hysterisch nennt, dann hat er bei mir eine Grenze überschritten."
"Gut, seine Stärke ist jetzt sicher nicht intellektuelle Psychoanalyse, aber das ist ein ziemliches Wort", hält Wolff dagegen. "Wie wagst du es, wie wagst du so einen Kommentar über die Gefühlsverfassung meines Fahrers zu machen." Eine heftige Reaktion, die kaum überrascht. Wolff und Horner gerieten im WM-Fight 2021 mehrmals aneinander. Die Animositäten zwischen den beiden traten seither mangels direktem Wettbewerb zwar in den Hintergrund, lösten sich aber nie auf.
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