Die Krise bei Red Bull artet am Sonntagnachmittag in Monza aus. Mit einem sechsten Platz bekam Max Verstappen auch im Rennen nur sehr wenig zusammen. Alarmstimmung herrscht bei Red Bull schon längst, doch nach diesem desolaten Auftritt spürt Verstappen den heißen Atem der WM-Jäger angeführt von Lando Norris selbst bei noch 62 Punkten Vorsprung im Rennen um den Fahrertitel.

"Momentan sind beide Titel nicht realistisch", trifft Verstappen nach dem Rennen eine harte Aussage. Von Platz sieben gestartet kam es lediglich vorbei an dem durch einen Schaden im ersten Stint eingebremsten Mercedes von George Russell. Tatsächlich kam Russell im Schluss-Stint bis auf 1,783 Sekunden wieder an Verstappen heran.

Bei Red Bull gibt man unverhohlen zu: Der RB20 war in Monza nur viertbestes Auto. "Letztes Jahr hatten wir ein tolles Auto, das dominanteste Auto aller Zeiten, und das haben wir praktisch in ein Monster verwandelt", ist Verstappen baff. "Das Auto ist unfahrbar. Es ist ein massives Balance-Problem, das wir haben. Nicht nur über eine Runde, sondern auch im Rennen."

Red Bull räumt nach Verstappen-Ansage ein: Ja, der WM-Druck steigt

"Basierend auf der heutigen Leistung musst du absolut sagen, dass beide Titel unter Druck sind", muss auch Teamchef Christian Horner nach Monza eingestehen. In der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft sind sowieso nur mehr acht Punkte Vorsprung auf McLaren und 39 auf Ferrari übrig.

"Diese Strecke hat denke ich die Nachteile in unserem Auto relativ zum Vorjahr hervorgehoben", meint Horner. "Auf einer Low-Downforce-Strecke ist es so deutlich, dass selbst Max mit seinem Talent ... Du konntest Anzeichen in Q2 sehen. Sobald die Balance passte, zack, eine Rundenzeit war da. In der Theorie sollten neue Reifen immer schneller sein, aber wir waren vier Zehntel langsamer."

"Mit mehr Abtrieb übertüncht das vielleicht manche unserer Balance-Probleme", meint Horner. Als in Monza die Mini-Flügel draufkamen, lagen die Schwächen offen dar. "Man sieht, es gibt einen Bruch in der Balance, wo es einfach nicht funktioniert. Sobald du in unserer Situation bist, dann nimmst du die Reifen härter ran. Du versuchst zu kompensieren, bewegst die Balance, um ein Problem zu lösen, und erzeugst damit ein neues. Es ist ein tödlicher Kreislauf."

Max Verstappen in Monza: Schlechtes Red-Bull-Rennen in allen Phasen

Prinzipiell hat der Red Bull aktuell ein Problem, Vorder- und Hinterachse in eine symbiotische Beziehung zu bringen. "Wir waren unter den langsamsten auf den Geraden, aber mit noch weniger Flügel zu fahren wäre nicht möglich gewesen", ergänzt Motorsport-Berater Dr. Helmut Marko gegenüber Motorsport-Magazin.com. In den Geschwindigkeitsmessungen im Rennen war Verstappen Letzter.

Es kam noch schlimmer, wie Verstappen nach dem Rennen verrät: "Ich konnte nicht mit voller Leistung fahren, weil wir ein kleines Problem haben." Überhaupt schien in Monza alles zusammenzukommen. Die Strategie - zweimal Hard, einmal Medium - war bereits eher ein Versuch, mit alternativem Startreifen zu pokern. Die Stopp-Timings machten Verstappen nicht glücklich. Genauso wenig ein Reifenwechsel, der wegen Problemen rechts hinten 6,25 Sekunden dauerte.

Red Bull-Pilot Max Verstappen vor George Russell im Mercedes
Verstappen bekam zu Rennende noch Besuch von George Russell, Foto: LAT Images

Und schließlich musste sich Verstappen am Funk noch über eine verschlafene Ingenieurscrew aufregen. Niemand hatte ihn darüber informiert, dass ein hoher Batterie-Ladestatus an einem Punkt einen schärferen Abgabe-Modus erlaubt hätte: "Also habe ich gefragt, und sie meinten ja. Kommt schon. Das sind offensichtliche Dinge, denen man sich bewusst sein muss. Ich weiß, ich fahre gegen niemandem, aber das darf keinen Einfluss haben. Es ist noch immer ein F1-Rennen, wo man alles maximieren muss."

Und was jetzt für Red Bull?

Ein Wiederaufschwung dank dem nun anstehenden rennfreien Wochenende ist nicht in Sicht. Denn auch nach Krisenmeetings in Monza war man mit dem Feedback der Fahrer zwar glücklich, doch scheint der Weg zur Lösung der Balance-Schwankungen nicht eindeutig. Erneut stehen Rückbauten auf ältere Teile im Raum. "Es ist nicht so einfach, aber man muss zurückgehen, um herauszufinden, wo wir falsch abgebogen sind", so Marko.

"Ich habe viel gesagt, und jetzt liegt es am Team, viele Lösungen für das Auto zu entwerfen, weil das praktisch innerhalb von sechs, acht Monaten von einem sehr dominanten zu einem unfahrbaren Auto wurde", fordert Verstappen. "Das ist sehr seltsam für mich."

Ohne klare Aussichten auf Besserung steigt jetzt eher die Gefahr, dass sich auf den nicht unbedingt zum Auto passenden folgenden Rennen in Baku und Singapur die nächsten Debakel anbahnen. Verstappen winkt ab: "Spielt keine Rolle. So, wie wir momentan unterwegs sind, sind wir überall schlecht. Wir brauchen viele Änderungen."