Im Regen-Qualifying am Samstag in Spa dominierte Max Verstappen die Konkurrenz nach Belieben. Ganze 0,595 Sekunden schenkte der amtierende Weltmeister seinem ärgsten Verfolger Charles Leclerc ein. Doch im trockenen Grand Prix am Sonntag blieb die ganz große Aufholjagd nach einer Motorenstrafe und Startplatz elf aus. Verstappen beendete das Rennen nach der Disqualifikation von George Russell auf Rang vier mit 8,7 Sekunden Rückstand auf Sieger Lewis Hamilton.
Dennoch zeigte sich Verstappen nicht unzufrieden mit dem Ausgang des Rennens. "Die Balance des Autos war in den ersten paar Runden nicht allzu schlecht, aber dann bin ich in den Verkehr hineingekommen, was wahrscheinlich auch nicht geholfen hat", so der Niederländer. "Aber wir waren einfach nicht schneller als die Autos um uns herum und dann steckst du einfach in diesem DRS-Zug fest. Als Team haben wir heute die Performance maximiert."
Verstappen sicher: Hätte ohne Strafe um den Sieg gekämpft
Fest steht: Ohne Verstappens Startplatzstrafe aufgrund des Verwendens des fünften Verbrennungsmotors 2024, wäre es wohl ein gänzlich anderes Rennen geworden. "Wenn du von P1 mit der Pace startest, die wir hatten, kämpfst du ungeachtet dessen um den Sieg", glaubte auch Verstappen selbst. "Aber von Startplatz elf wusste ich, dass es immer ein Schadensbegrenzungs-Rennen sein würde."
Ein deutlicher Kontrast zu den Grands Prix 2022 und 2023 in Belgien, in denen Verstappen in einem dominanten Red Bull durchs Feld gepflügt war. Von den Startplätzen 14 und 6 gewann er beide Rennen mit jeweils mehr als 15 Sekunden Vorsprung. Derartige Erwartungen wären Verstappen zufolge für dieses Rennen jedoch ohnehin unangebracht gewesen. "Mit unserer Pace in den letzten paar Rennen ist es nicht realistisch zu denken, dass wir von P11 den ganzen Weg wieder bis nach vorne gehen können. Diese Tage liegen leider zurück", so das harte Fazit des dreimaligen Weltmeisters.
Verstappen-Aufholjagd gerät schnell ins Stocken
Der Start ins Rennen war dabei für Verstappen eigentlich ideal verlaufen. Schon nach nicht einmal eineinhalb Runden hatte der Red-Bull-Pilot die vor ihm gestarteten Esteban Ocon, Alexander Albon und Fernando Alonso hinter sich gelassen und befand sich direkt hinter seinem ärgsten WM-Verfolger Lando Norris. Doch anschließend kam die Aufholjagd schnell ins Stocken, bis zur ersten Runde der Boxenstopps waren die Positionen wie eingefroren.
Red Bull beorderte Verstappen dementsprechend nach 10 von 44 Runden bereits früh an die Box. Es zahlte sich aus: Nachdem Norris erst fünf Umrundungen später die Box ansteuerte, blieb Verstappen vor ihm. Gleiches galt für die zweite Runde der Boxenstopps, wo Verstappen eine Runde früher als Norris an die Box kam. Zudem bekam der 61-fache GP-Sieger eine weitere Position durch die verkorkste Ferrari-Strategie von Carlos Sainz geschenkt. In Runde 30 wurde Verstappen zusätzlich in Pouhon per Teamorder an seinem langsameren Teamkollegen Sergio Perez vorbei gewunken. An Leclerc, den Verstappen kurz vor Schluss eingeholt hatte, fand er jedoch keinen Weg mehr vorbei.
Trotz Motorenstrafe: Verstappen baut WM-Führung aus
Dabei wurde Verstappen zwar bis ins Ziel dicht von Norris verfolgt, vorbei kam der McLaren-Pilot aber nicht. Für Verstappen galt das Rennen allein deswegen als Erfolg, denn: "Im Hinblick auf die Weltmeisterschaft war es ein positiver Tag. Ich habe meine Führung ausgebaut." Verstappen führt nun mit 78 Punkten Vorsprung auf Norris und somit noch einmal mit zwei Zählern mehr als zuvor - obwohl er sieben Positionen hinter dem Briten startete.
"Max hat heute einen guten Job gemacht, vom elften auf den fünften Platz zu fahren und das Rennen vor seinem engsten Meisterschafts-Rivalen zu beenden, der als Vierter gestartet ist", lobte Red-Bull-Teamchef Christian Horner seinen Piloten für diesen Umstand. "Bei diesem jetzt sehr, sehr engen Feld, war es das Optimum, seine Führung in der Fahrer-WM auszubauen."
Verstappen denkt nicht an Russell-Strategie: Reifenverschleiß zu hoch
Dennoch sah Verstappen im Nachhinein leichten Optimierungsbedarf, etwa bei der Reifenwahl. Anders als die anderen Top-4-Teams gingen beide Red-Bull-Piloten nur mit einem Satz Hards ins Rennen, wodurch Perez im zweiten Stint und Verstappen im Schlussstint gezwungen waren, noch einmal den Medium-Reifen aufzuziehen. "Wir waren auf zwei Mediums und einem Hard. Ein (zusätzlicher; d. Red.) harter Reifen hätte geholfen", meinte Verstappen.
Eine potenzielle Lösung für das Problem wäre gewesen, wie Russell eine Ein-Stopp-Strategie hinzulegen, der gleichzeitig mit Verstappen seinen ersten Stopp eingelegt hatte. Zudem wäre mit dieser Strategie womöglich zumindest ein Podium drin gewesen, Verstappen lag bis zu seinem zweiten Reifenwechsel nur rund 1,5 Sekunden hinter Russell.
Verstappen wollte von diesen Gedankenspielen jedoch nichts wissen: "Ich glaube wir hätten sowieso nicht den Reifenverschleiß oder die Lebensdauer des Reifens dafür gehabt." Stattdessen lobte der 199-fache GP-Starter den grundsätzlichen Ansatz seiner Strategie: "Wir haben definitiv das Richtige mit der Strategie getan, zu versuchen, anfänglich etwas aggressiver zu sein, um vor ein paar Leute zu kommen. Das hat mein Rennen ein kleines bisschen besser gemacht, aber da waren immer noch zu viele Autos, hinter denen wir festgesteckt haben."
Verstappen fordert: Müssen bei Renn-Performance besser sein
Im Gegensatz zu seinem Piloten haderte jedoch Horner etwas mit der womöglich verpassten Chance auf ein besseres Ergebnis. "Es war ein seltsames Rennen, denn all die Daten vom Freitag haben auf hohen Reifenverschleiß mit dem neuen Asphalt hier hingedeutet", so der 50-Jährige. "Und es war tatsächlich, sei es wegen den Temperaturen oder was auch immer, komplett umgekehrt und eine Ein-Stopp-Strategie hat gewonnen. Niemand hätte das vorhersehen können."
Insgesamt zog Verstappen ein gemischtes Fazit seines Belgien-GP 2024. "Gestern war ein guter Tag, wir haben das Auto auf die Pole gestellt. Ich musste eine Motorenstrafe nehmen und das ist nicht in meiner Kontrolle", setzte Verstappen an. "Und wenn du aus den Top-5 startest, sieht dein Rennen normalerweise ein bisschen anders aus. Aber ich weiß natürlich auch, dass wir bei unserer reinen Renn-Performance ein bisschen besser sein müssen."
Drohen weitere Motorenstrafen?
Zumindest im Hinblick auf die Fahrer-WM darf sich Verstappen aber trotz der zuletzt nur selten gänzlich überzeugenden Performances über ein sattes Polster in der Sommerpause freuen. "Dass wir die Führung vor der Sommerpause für Max noch ausbauen konnten, wird ihm eine bessere Erholung geben", war sich Horner sicher.
Verstappen selbst gab sich jedoch keinesfalls gelassen bezüglich der WM und forderte auch eine Analyse der jüngsten Updates. "Es ist nie komfortabel. Es gibt immer Dinge, die schief laufen oder dir passieren können", so Verstappen. "Für mich geht es im Moment mit dem Auto, dass nicht am schnellsten im Rennen ist, darum, den Schaden zu begrenzen und so nahe dran zu sein, wie ich kann. Das haben wir in letzter Zeit getan. Ich hoffe natürlich, dass wir ein bisschen mehr Performance finden können, denn das würde uns das Leben ein bisschen einfacher machen."
Zumindest weitere Motorenstrafen muss Verstappen für die zweite Saisonhälfte Stand jetzt nicht befürchten, wenngleich Horner vor möglichen Unwägbarkeiten warnte: "Es kommt darauf an, was mit dem Pool (an Motoren; d. Red.) passiert. Wir denken, dass es für uns im Moment in Ordnung geht."
In Ordnung ging hingegen bei der Formel 1 in Spa erneut nicht der Start von Lando Norris. Was bei dem WM-Zweiten schief lief und wie Norris auf seinen abermaligen Patzer reagierte, könnt Ihr hier nachlesen:
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