Er soll der nächste Superstar der Formel 1 werden. Ein Nachfolger für Lewis Hamilton, der es mit Max Verstappen aufnehmen soll. Noch fährt der siebzehnjährige Kimi Antonelli in der Formel 2, doch ein Sitz in der Königsklasse soll winken. Vielleicht noch diese Saison, vielleicht ab 2025 beim Top-Team Mercedes. Der Hype um das Nachwuchstalent ist enorm, doch ist er auch gerechtfertigt? Motorsport-Experte Christian Danner stellt Antonellis Wunderkind-Status in Frage.

"Nach außen wird kommuniziert, dass Kimi das Größte ist, das wir seit Jahrzehnten im Nachwuchsbereich gesehen haben und mit dem Interesse von Mercedes möchte man glauben, Verstappen hätte keine Chance gegen ihn", so der ehemalige Rennfahrer. "Wenn man aber ganz entspannt und nüchtern auf die Ergebnisse schaut, ist Kimi meilenweit entfernt von sexy und hot im fahrerischen Sinne."

Wird Mercedes F1-Supertalent Kimi Antonelli überschätzt? (03:34 Min.)

Nach zwei F4-Titel stieg Antonelli in der Saison 2024 direkt in die Formel 2 auf. Dort hat der Italiener jedoch Probleme zu glänzen. Derzeit liegt er mit 59 Punkten nur auf Platz acht in der Fahrerwertung. Auf den Titel fehlt ein gutes Stück. "Deswegen muss ich ganz ehrlich sagen, verstehe ich den Hype nur bis zu einem bestimmten Punkt, weil er natürlich in seiner Kart- und Junior-Kategorie-Karriere schon Maßstäbe gesetzt hat", sagt Danner.

Kimi Antonelli - Nicht das, was man von einem F1-Anwärter erwartet?

In Silverstone gelang Antonelli jedoch zum ersten Mal in der Formel 2 das große Kunststück und er holte sich den Sieg im Sprintrennen. Ein Spitzen-Ergebnis, das noch nicht in Christian Danners Bewertung eingeflossen ist. Dieser schließt stattdessen: "Ich glaube man darf sich die Frage stellen, wie gut Kimi Antonelli wirklich ist. Ich kann jetzt nicht sagen, der Kimi, der ist sagenhaft. Ich bin skeptisch, denn das, was er zeigt, entspricht nicht dem, was normalerweise von einem Mann verlangt wird, der den Durchmarsch in Richtung Formel 1 macht."

Mercedes-Teamchef Toto Wolff ist da natürlich anderer Meinung. Nach dem Sprintsieg in Silverstone bei teils starkem Regen lobte der Österreicher seinen Schützling: "Wenn man Kimi am Samstag förmlich über das Wasser laufen gesehen hat, mit einer Zeit, die teilweise zwei Sekunden schneller war als die aller anderen, erkennt man das Talent, die Fähigkeiten und das Potenzial dieses jungen Mannes. Der Sieg bei diesem Rennen hat ihm eine große Last von den Schultern genommen."

Überlegung: Formel 1 steht Formel 2 im Weg

Sowohl Antonelli als auch sein Prema-Teamkollege Oliver Bearman, der bereits einen F1-Sitz bei Haas ergattert hat, liegen derzeit nicht in den Top-5 der Formel-2-Meisterschaft. Dort messen sich andere, die von einem Aufstieg in die Königsklasse noch meilenweit entfernt sind. Sind es ausgerechnet die Einsätze und Tests für die Formel-1-Teams, die Antonelli und Bearman von ihrer eigentlichen Aufgabe ablenken?

"Das kann schon sein", schätzt Christian Danner. "Ein Formel-1-Auto ist, wie ich das im Moment sehe, deutlich leichter zu fahren als ein Formel-2-Auto. Formel 2 ist eine ziemliche B*tch, weil dort die Aero nicht 100-prozentig ausgewogen ist, weil dort die Reifen lange nicht so gut sind wie in der Formel 1, auch von der Art und Weise, wie man mit den Reifen umgeht, muss man sehr aufpassen. Da hin und her zu springen, ich sage mal so, ein Guter kann es und, wenn einer nicht ganz so gut ist, kann er es halt nicht."

Verständnis für Probleme, die durch den Wechsel zwischen den beiden Serien entstehen könnten, hat der ehemalige Rennfahrer nicht. "Ich persönlich, und das ist wieder meine eigene Erfahrung, bin immer hin und her gesprungen", erinnert Danner. "Ich habe 1985 die Formel-3000-Meisterschaft gewonnen und bin während der Meisterschaft auch meinen ersten Grand Prix gefahren. Das hat mich nicht gestört und ich glaube, ein richtig guter Rennfahrer schafft das auch. Was soll da so kompliziert sein? Das ist ein Rennauto."

Christian Danner: F2-Champion sollte für F1 gesetzt sein

Es gibt viel Gerede über Antonelli und Bearman, doch was ist mit Isack Hadjar, der derzeit die F2-Meisterschaft anführt? Oder den vergangenen Champions Felipe Drugovich und Théo Pourchaire? Es scheint, als habe der F2-Titel in den letzten Jahren an Wert verloren, wenn es um einen Platz in der Formel 1 geht.

"Ich glaube, die Publicity und das Standing der Fahrer ist wichtiger geworden", meint Danner im AvD Motorsport-Magazin. "Es war früher anders und ich muss ganz ehrlich sagen, der Champion der Meisterschaft, die direkt unterhalb der Formel 1 ist, der sollte gesetzt sein. Wenn einer Champion wird, dann kann er was und dann sollte er für die Formel 1 gesetzt sein. Was er dann damit macht, ist ihm immer noch selbst überlassen, aber der Champion sollte Formel 1 fahren."

Aussichtslose Investitionen: Danner wittert Gefahr für Nachwuchsserien

Nicht nur für die jungen Piloten wäre Danners Wunsch am liebsten Realität. Auch für die Investoren der Nachwuchsserien. "Die ganzen Investitionen, das ganze Geld, das investiert wird in solche junge Fahrer, egal ob das jetzt von den Fahrern, den Nachwuchs-Akademien oder den Sponsoren kommt. Die sehen dann, dass es sich lohnt, da zu fahren", so der Motorsport-Experte.

Jack Doohan liegt in Führung, Frederik Vesti kämpft mit Theo Pourchaire beim F2-Rennen in Jeddah, Saudi-Arabien.
Lohnt es sich noch, in der F2 zu fahren?, Foto: LAT Images

Ist das nicht länger der Fall, wittert Danner große Probleme: "Wenn ich jetzt zwei, drei Jahrgänge habe, wo überhaupt nichts rauskommt aus der Formel 2, sondern in einer Mischung aus Lotterie und Politik, irgendeiner einen Formel-1-Drive bekommt und die, die die Meisterschaft gewinnen, leer ausgehen, dann ist das ein ganz schlechtes Zeichen für den Nachwuchs und für alle, die den Nachwuchs unterstützen."

So kann das Modell 'Trotz Fleiß kein Preis' auf Dauer den Nachwuchssport gefährden. "Die Investoren sagen, bin ich blöd?", schildert Danner. "Finanziere ich da die Karriere, jetzt gewinne ich die Meisterschaft, was habe ich davon? Gar nichts. Also das ist gefährlich und nicht gut. Es wäre besser, wenn der Formel-2-Meister einfach Formel 1 fährt. Fertig."

Das Thema Entwertung der Formel 2 und die Frage, ob Mercedes nun doch für Max Verstappen in Frage käme, könnt ihr in dieser Ausgabe des AvD Motorsport-Magazins nachsehen:

Mercedes im Aufwind! Kommt Verstappen jetzt doch? (17:31 Min.)