Nach den Formel-1-Testfahrten in Bahrain zeigte sich Mercedes bereits erleichtert. Der neue W15 ist keine Diva mehr. Dazu zeigte das ehemalige Weltmeisterteam auch noch einen interessanten Technik-Trick. Die vorderen Querlenker des Mercedes lassen sich an zwei verschiedenen Punkten montieren. George Russell versprühte daher vor dem Saisonauftakt beim Bahrain-GP ordentlich Optimismus, vor allem für den Saisonverlauf.

Neuer W15 eine echte Basis für Mercedes

"Wir haben es in diesem Jahr mit einem völlig anderen Wesen zu tun, während es 2022 und 2023 aus demselben Holz geschnitzt war", ist sich der Brite bei seinem neuen Dienstwagen sicher. Er erinnerte sich an die schmerzlichen Erfahrungen der Vorjahre: "Im letzten Jahr war die Moral zu diesem Zeitpunkt wirklich ziemlich schlecht, weil wir über den Winter so viel gearbeitet hatten und dann mit einem Auto ankamen, das nicht annähernd das leistete, was wir erwartet hatten. Nicht nur in Bezug auf die Rundenzeit, sondern auch in Bezug auf die Eigenschaften des Autos."

Mercedes-Fahrer George Russell im Paddock
George Russell sieht 2024 optimistisch entgegen, Foto: LAT Images

Die 'Diven' W13 und W14 waren unlösbare Rätsel. Nie kamen die Silberpfeile dauerhaft auf einen grünen Zweig: "In den letzten beiden Jahren hatte ich das Gefühl, dass alles, was wir gemacht haben, nur ein Pflaster war und das eigentliche Problem des Autos nicht gelöst hat." 2024 sieht die Situation gänzlich anders aus: "Jetzt haben wir im Winter viel Arbeit investiert, und das Auto verhält sich vom Fahrverhalten her so, wie wir es erwarten würden. Wir müssen es jetzt nur noch schneller machen."

An Abtrieb fehlt es dem W15 noch, aber die Basis ist geschaffen. Die wichtigste Grundlage für die Weiterentwicklung eines Formel-1-Autos besteht: "Einer der positiven Aspekte der Tests war, dass es wahrscheinlich die beste Korrelation zwischen Strecke und Simulator war, die wir seit langem gesehen haben. Das hilft wirklich bei der Weiterentwicklung, denn in den letzten beiden Saisons hatten wir ein Auto, das im Simulator schwer zu reproduzieren war. Wir haben ein Auto, das besser zu fahren ist und dem Simulator näherkommt."

Russell: W15 bietet mehr Spielraum für Setup und Weiterentwicklung

Die neue Basis soll auch mehr Setup-Möglichkeiten bringen. Von Motorsport-Magazin.com auf den Querlenker-Trick angesprochen, betonte Russell das Potential des Lernprozesses: "Das zeigt, dass wir immer versuchen, die Möglichkeiten zu erweitern und uns die Flexibilität zu geben, das Auto auf die gegebenen Anforderungen abzustimmen. Wir werden an diesem Wochenende zur Basisvariante zurückkehren. Aber es kann sein, dass wir später in der Saison das Setup mit den unteren Querlenkern verwenden werden. Und wir müssen weiter lernen, was das Auto an Abtrieb produziert und wo dieser Abtrieb erzeugt wird. Aber diese Option und Flexibilität zu haben, ist ein echtes Plus."

Technik-Geheimnis bei der Präsentation des Mercedes-Formel-1-Autos F1 W15 für die Saison 2024.
Die Querlenker des W15 können an zwei Punkten angebracht werden, Foto: Mercedes

Im Vorjahr klagten Teamkollege Lewis Hamilton und vor allem Russell über ein instabiles Heck. Jetzt scheint dieses sogar überkompensiert. Mit dem neuen Auto aber kein großes Problem mehr: "Wenn überhaupt, dann haben wir etwas zu viel Stabilität, was in den Kurven ein bisschen zu viel Untersteuern verursacht. Ich denke, das Gute an diesem Auto ist, dass wir die Flexibilität haben, es abzustimmen. So wie wir es mit der Querlenkerabstimmung gemacht haben, die für Bahrain nicht optimal ist, aber auf anderen Strecken vielleicht besser funktioniert."

Für Russel hat der W15 im Gegensatz zu seinen Vorgängern nun den Charakter eines 'echten' Rennwagens. Die Setups sollen im Saisonverlauf aggressiver werden und die Basis für die Weiterentwicklung sei besser. Jetzt fehle nur die erfolgreiche Suche nach mehr Abtrieb. Dass dies auch während der Saison gelingen kann, machte zuletzt ein anderes Team vor: "Es braucht nicht viel, um die Dinge zu ändern. Es braucht nur ein einziges Upgrade von unseren Konkurrenten, das in die falsche Richtung geht, und ein Upgrade von unserer Seite, das mehr Leistung bringt, und schon kann sich das Blatt wenden. McLaren war in der vergangenen Saison das beste Beispiel dafür."

Russell will Ferrari angreifen und lauert auf Red-Bull-Fehler

Doch bevor Mercedes im Saisonverlauf zulegen kann, ist Russell erst einmal klar, wer zu Saisonbeginn vorneweg fahren wird: "Im Moment ist Red Bull in einer wirklich starken Position. Sie sind zweifellos die Favoriten." Sein Team sowie Ferrari, McLaren und Aston Martin sieht er im engen Fight: "Zwischen den nächsten vier Teams ist es sehr eng. Ich denke, das ist sehr spannend." Doch selbst Red Bull will er gegebenenfalls angreifen: "Wenn sie einen Fehler machen, wie wir in Singapur [2023] gesehen haben, setzten wir sie ein wenig unter Druck, und das Ganze hat sich sehr schnell entwickelt."

Damals warf Russell allerdings mit einem Fehler in letzter Runde das Podium weg. Der Sieg ging an Carlos Sainz im Ferrari. Die Scuderia gilt aktuell als erster Red-Bull-Jäger. In einer Disziplin gibt Russell den Experten recht: "Ich denke, im Qualifying werden sie auf jeden Fall vorne dabei sein. Wie man in den letzten Jahren gesehen hat, ist Ferrari im Qualifying immer sehr stark gewesen." Doch dann macht er eine Ansage in Richtung Maranello: "Aber wir wissen, dass die Punkte am Sonntag vergeben werden. Wir haben definitiv ein schnelleres Rennauto." Entscheidend wird für ihn, ob sich Mercedes auf eine Runde einigermaßen gut platzieren kann: "Wir haben nach den Tests deutlich gemacht, dass wir versuchen, unsere Leistung im Qualifying zu verbessern. Ob wir diesen Sprung an diesem Wochenende schaffen werden, wissen wir nicht."