Es ist jedes Jahr eine der großen Fragen vor dem Start in eine neue Formel-1-Saison: Welche technischen Kniffe haben sich die zehn Teams einfallen lassen, um die schnellstmögliche Rundenzeit aus ihren Boliden herauszukitzeln? Neben den Seitenkästen galt in der jüngeren Vergangenheit den Aufhängungskonzepten große Aufmerksamkeit. Während am Heck, mit Ausnahme von Ferrari, deren Kundenteam Haas und Williams, alle Teams wie Red Bull auf Pushrods setzen, gehen an der Vorderachse weit weniger Teams den Weg des Weltmeisterteams.

Nur McLaren setzte in der Vergangenheit an der vorderen Radaufhängung auf das Red-Bull-Konzept mit Pullrods. Seit 2024 übernimmt auch Racing Bulls die Aufhängung vom Schwesterteam - und auch Sauber schwenkte um. Technik-Direktor James Key, der seit September wieder für das Team aus Hinwil tätig ist, erklärt am Rande der Testfahrten in Bahrain die Schwierigkeiten der Umstellung.

James Key am Mittwoch der Testfahrten in Bahrain 2024.
James Key ist seit September 2023 zurück in Hinwil, Foto: LAT Images

James Key über Pullrods: Es ist alles verkehrt herum

"Was es schwierig macht, ist, dass es in jeglicher Hinsicht mechanisch ein Kompromiss ist. Alle Federn und Dämpfer arbeiten effektiv in die falsche Richtung. Es ist alles verkehrt herum und kein schönes Layout, mit dem man umgehen muss. Außerdem fügt es dem Auto mehr Gewicht zu", erklärt Key, der bereits von 2010 bis 2012 als Technikdirektor bei Sauber tätig war.

Im Gegensatz dazu seien Druckstreben an der Vorderachse ein effizienterer Weg bei der Lastverteilung im Auto. "Also würdest du nie freiwillig Pullrods verwenden, außer es ist im Hinblick auf die Balance besser für die Performance", rechtfertigt der Brite die dennoch erfolgte Entscheidung pro Zugstreben.

Die Vorderachsen von Red Bull links und Ferrari rechts im Vergleich
Pullrods und Pushrods im Vergleich: Der RB19 (links mit Pullrods) und Ferrari SF24 (rechts mit Pushrods), Foto: Motorsport-Magazin.com / Ferrari

Key: Pullrods aerodynamisch besser

Denn die Pullrods seien schlicht aerodynamisch die bessere Variante. "Bei der ganzen vorderen Radaufhängung geht es um die Aerodynamik. Pullrod ist aerodynamisch besser, aber von jedem anderen Standpunkt aus schlechter", so Key. Daher sei der 52-Jährige auch überrascht gewesen, dass außer Sauber kein anderes Team auf Pullrods umgeschwenkt sei.

"Ich hätte zumindest erwartet, dass ein anderes Team mit Pullrods aufkreuzt. Schon im April, Juni haben sie (Sauber-Ingenieure; d. Red.) sich die Windkanal- und CFD-Ergebnisse angesehen und sie haben klar einen Vorteil gezeigt, der groß genug war, um das Konzept anzupassen", beschreibt Key den Prozess.

Sauber schlichtweg eine Red-Bull-Kopie?

Den Verdacht, Sauber habe schlichtweg die Aufhängung von den großen Dominatoren von Red Bull kopiert, weist der Ingenieur zurück: "Es war das Ergebnis von internen Anstrengungen und einer eigenen Philosophie."

Charles Leclerc im SF-24 am Freitag der Testfahrten in Bahrain 2024.
Ferrari setzt an der Vorderachse nach wie vor auf Pushrods, Foto: LAT Images

Ferrari wiederum ist eines der Teams, das nach wie vor auf Pushrods an der Vorderradaufhängung setzt. "Für unsere Ziele beim Managen des Luftflusses, haben wir mit dem aktuellen Layout einen guten Kompromiss gefunden", verriet Chassis-Cheftechniker Enrico Cardile beim Launch des SF-24. "Wenn ich von einem Kompromiss spreche, dann spreche ich von mehr Performance, Gewicht und vom Verhalten der Aufhängung an sich."

Key hingegen ist überzeugt vom Konzept seines Teams, stellt jedoch klar, dass die Entscheidung, bei Sauber an der Vorderachse auf Pullrods zu setzen, schon vor seiner Ankunft im September getroffen wurde. Key zeichnete aber schon bei seinem Ex-Team McLaren für ein Auto mit demselben Konzept verantwortlich.

Auch Key sieht Red Bull vorne

"Ich bin also mit einer vordefinierten Plattform zum Team gestoßen. Dann ging es darum, darauf aufzubauen und in ein paar Bereichen mechanisch Dinge zu verändern, bei denen ich das Gefühl hatte, dass wir dort besser werden müssen", beschreibt Key seine Reintegration ins schweizerische Team. Zusätzlich habe er Einfluss auf die Aerodynamik nehmen können.

Nach den ersten Ausfahrten des C44 zieht Key ein erstes positives Zwischenfazit. Das Auto reagiere so wie im Simulator, zusätzlich scheine sich die Effizienz und die Balance in den Kurven verbessert zu haben. Im Hinblick auf den Saisonstart erwartet Key ein enges Kräfteverhältnis, obwohl er in den Tenor von McLaren-Teamchef Andrea Stella oder Charles Leclerc einstimmt, dass Red Bull wie das Team aussehe, dass es zu schlagen gilt.