Charles Leclerc und Ferrari haben nicht lange gefackelt, und schon im Januar Nägel mit Köpfen gemacht. Doch ist der neue Vertrag für Leclerc, auch noch so früh abgeschlossen, ein Fehler? Die Motorsport-Magazin.com-Redakteure Christian Menath und Markus Steinrisser debattieren Pro und Contra.

Pro: Leclerc-Legende für den Mythos Maranello

Für beide Seiten ist es die einzig richtige Entscheidung, den Vertrag zu verlängern. Aus Ferrari-Sicht ist es ein absoluter No-Brainer: Wer wäre denn garantiert besser als Leclerc? Bei der Rennpace fällt mir noch Max Verstappen ein, aber der ist ohnehin bis 2028 tabu. Alle anderen wären maximal ein gleichwertiger Ersatz. Dazu hat man mit Leclerc ein Eigengewächs und einen Superstar ohne Allüren.

Für Ferrari ist die Geschichte schnell abgehakt. Leclerc dürfte die Entscheidung zumindest etwas schwerer gefallen sein. Aber auch für ihn stellt sich die Frage nach der besseren Alternative. Aktuell gibt es da nur eine: Red Bull. Ja, der Platz neben Verstappen könnte frei werden. Aber: Die Summen, die Leclerc fordert, bekommt er bei Red Bull als zweiter Fahrer sicher nicht. Und mehr als Nummer zwei ist bei Red Bull eben nicht drinnen.

Außerdem ist das Red-Bull-Cockpit nur 2025 so unglaublich verlockend. 2026 kommt die bereits heiß diskutierte große Regeländerung, Red Bull baut erstmals einen eigenen Motor. Die Sieg-Garantie erlischt dort Ende 2025. Wieso sollte Leclerc für dieses eine garantiert gute Jahr Ferrari verlassen? Als Neuling im Team gegen Verstappen würde er sich schwertun.

Mercedes und McLaren sind 2025 ohnehin dicht, eine Verbesserungs-Garantie im Vergleich zu Ferrari würde es aber ohnehin nur bei Red Bull geben. Und 2026? Die neue Ära doch lieber einmal bei dem Team ansehen, bei dem man schon ist, ehe man voreilig wechselt. Nichts wäre schlimmer, als Ferrari genau zum falschen Zeitpunkt zu verlassen. Und außerdem sprechen wir von Ferrari, der Mythosmarke. Leclerc weiß trotz aller sportlichen Frustration, was er in Maranello hat. Und Maranello weiß, was man an ihm hat. Er macht sich zur Roten Legende. Wofür sollte er das auf Spiel setzen?

Christian Menath

Contra: Nein, Ferrari ist selbst für Leclerc nicht alles

Seit Monaten blickt die Formel 1 gespannt auf den Fahrermarkt für 2025. Inzwischen sind zwar Mercedes und McLaren besetzt, aber noch gibt es mit Ferrari, Red Bull und Aston Martin drei Teams, die interessante Cockpits bieten könnten. Und Audi ist da natürlich auch. Lassen wir uns also nicht zu sehr von der Ferrari-Magie verführen. Charles Leclerc wäre gut beraten gewesen, noch zu warten.

Leclerc setzt auf Ferrari Zukunft! Geht der Poker auf? (09:46 Min.)

Ferrari hat sich seit Leclercs Ankunft 2019 nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Gleich zwei Mal verwandelte das Team ein Siegerauto innerhalb weniger Monate in einen hoffnungslosen Fall. Personelle Fluktuation im Management ist unangenehm häufig. Was, wenn der Aufschwung Ende 2023 erneut ein Trugschluss war? Was, wenn das neue Auto wieder nicht gewinnen kann? Für einen Fahrer von Leclercs Kaliber macht es deshalb Sinn, den Markt zu testen.

Basierend auf der jüngeren Vergangenheit kann nicht leichthin argumentiert werden, dass Ferrari sportlich auch für die neuen Regeln 2026 eine bessere Option wäre. Wir dürfen die Alternativen nicht unterschätzen. Aston Martin hat einen Honda-Werksdeal in der Tasche, und Alonso/Stroll ist keine Paarung für die Ewigkeit. Und wer weiß schon, wie unglücklich Red Bull mit den Optionen für das zweite Cockpit wird. Das verdient alles sehr genauer Betrachtung.

Ferrari wird nicht weglaufen. Max Verstappen, Lewis Hamilton, George Russell und Lando Norris sind vom Markt. Damit waren Leclerc und Fernando Alonso die einzigen verfügbaren etablierten Star-Piloten. In Maranello hätte Leclerc folglich im August genauso noch ein Cockpit bekommen, und niemand hätte es ihm vorgehalten. Vielleicht wäre die Scuderia an dem Punkt dann auch die beste Option für ihn gewesen. Jetzt kann er sich diese Frage gar nicht mehr stellen.

Markus Steinrisser