"Wir verändern das Konzept." Die Zeit der Ausreden ist vorbei. Versuchten die Verantwortlichen bei Mercedes nach dem zweiten Saison-Fehlstart in Folge noch um den heißen Brei - oder besser gesagt das gescheiterte 'Konzept' - herumzureden, nannte Teamchef Toto Wolff das Kind in Abu Dhabi beim Namen. Die Designphilosophie des W13 und W14 ist sang- und klanglos gescheitert.

Mercedes: 2023 erneute Katastrophen-Saison

Wie schon ein Jahr zuvor erlebten die Silberpfeile auch 2023 einen Katastrophen-Auftakt, diesmal nur passend in Schwarz. Dabei hatte das Team über den Winter noch gedacht, die Probleme erkannt und genug gelernt zu haben, um sie zu beheben. Fehlanzeige. Ein hochrangiger Techniker bezeichnete das erneute Scheitern als einen Tritt in die Weichteile. Und das gefalle niemandem.

Red Bull-Fahrer Max Verstappen feiert seinen 16. Saisonsieg auf dem Podium mit dem Zweiten Lewis Hamilton
P2 war für Mercedes 2023 das Maximum der Gefühle. Das soll sich nun ändern, Foto: Getty Images / Red Bull Content Pool

Der Quell des Übels war eine Folge des Porpoisings im Vorjahr. Die FIA führte neue Unterbodenregeln ein und Mercedes war sich nicht hundertprozentig sicher, was diese für das Bouncing bewirken würden.

Kostspielige Fehlentscheidung für die Silberpfeile

Das Team stand vor der schwierigen Entscheidung: Sollten sie gierig sein und versuchen, alles aus den Änderungen herauszuholen. So viel Performance wie möglich auf Red Bull aufzuholen. Dabei aber das Risiko einzugehen, über das Ziel hinauszuschießen, zu viel zu wollen und vor einer Wiederholung des Albtraums von 2022 zu stehen.

Oder sollten sie eher eine vorsichtigere Herangehensweise wählen, in dem Glauben, sie könnten den Entwicklungsweg danach rasch ändern und mehr Performance herausholen, sollte sich das als zu zurückhaltend erweisen. Mercedes wählte Option 2. Diese erwies sich als Trugschluss. Aufgrund des Budget-Caps konnte das Grundkonzept des Autos nicht während der Saison komplett auf den Kopf gestellt werden.

Lewis Hamiltons Pole Position in Ungarn eines der wenigen Saison-Highlights für Mercedes, Foto: LAT Images
Lewis Hamiltons Pole Position in Ungarn eines der wenigen Saison-Highlights für Mercedes, Foto: LAT Images

Mercedes geht 2024 All in

Der W14 kam in der zweiten Saisonhälfte zwar besser in Fahrt, konnte Red Bull aber nicht dauerhaft fordern. Die Updates waren mehr Pflaster auf den klaffenden Wunden des W14 als echte Heilmittel. Nicht umsonst betonte Wolff nur allzu oft, dass es keine Wunderwaffe gebe.

Zu launisch zeigten sich das Fahrverhalten, die Performance und die Temperaturempfindlichkeit des Boliden. Die Baustellen bei der Entwicklung des W15 sind also vielfältig und nicht minder gewaltig.

Die Folge: Mercedes verändert das Chassis-Konzept, die Gewichtsverteilung, den Luftfluss rund um das Auto. Sprich: Der W15 wird ein fundamental anderes Fahrzeug. "Nur so haben wir eine Chance", glaubt Wolff. Die Zeit der Zurückhaltung und Vorsicht ist vorbei. Große Sprünge sollen her. Ja, müssen her. "Es könnte auch schiefgehen", schließt Wolff nicht aus. Alles sei möglich. In 13 Jahren bei Mercedes sei er noch nie optimistisch gewesen. Das Glas sei immer halbleer gewesen.

Toto Wolff: Haben alles, um vorne mitzufahren

"Aber wir haben die Strukturen und die Leute, um vorne mitzufahren", so der Teamchef. "Ob es für den WM-Titel reicht, steht auf einem anderen Blatt Papier." Oder vielen Bildschirmseiten in CAD. "Wir haben im Frühjahr die Entscheidung getroffen, dass wir zurück ans Reißbrett gehen und uns für nächstes Jahr etwas Neues einfallen lassen müssen, weil wir der Meinung sind, dass dieses Auto niemals gut genug sein wird, um die WM zu kämpfen."

Das Ergebnis: Die erste sieglose Saison seit 2011. Mercedes WM-Zweiter ohne Sieg, Ferrari WM-Dritter mit einem Sieg. Für Wolff steht fest: "Beides sind Verlierer." Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Selbst bei einem Pessimisten wie Wolff.

2024 Schicksalsjahr für Mercedes: Was kann das neue Konzept?

Seit vielen Monaten liegt der Fokus des Teams auf dem W15. Schon vor der Sommerpause nahm das neue Auto den Windkanal und das Designoffice zu einem Großteil in Beschlag. Seit dem Saisonfinale konzentriert sich das gesamte Team auf die Produktion der ersten Komponenten für das neue Auto.

Lewis Hamilton vor Max Verstappen im Formel-1-Rennen von Austin
Mit neuem Konzept sagt Mercedes Red Bull 2024 den Kampf an, Foto: LAT Images

Es ist der dritte Anlauf des einstigen Serienweltmeisters in der neuen F1-Ära. Aber aller guten Dinge sind bekanntlich drei, oder etwa nicht? In der Mercedes-Fabrik in Brackley gibt es eine lange Tafel mit den Logos aller Konstrukteurs-Weltmeister seit 1958.

"Und sie geht bis 2050. Es gibt also noch 27 leere Plätze", verrät Wolff. "In 20 Jahren möchte ich dort noch viele weitere Mercedes-Sterne sehen." Dann wären auch zwei Ausrutscher 2022 und 2023 zu verkraften. Zunächst muss aber das neue Konzept aufgehen.

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