Drei Punkte entschieden in Abu Dhabi den Kampf um den zweiten Platz in der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft zugunsten von Mercedes. Dank eines dritten Platzes von George Russell rettete Toto Wolffs Mannschaft sich knapp vor Ferrari über die Linie. Doch hätte Charles Leclerc noch tiefer in die Trickkiste greifen und seinem Team P2 und damit mehrere Millionen Preisgeld bescheren können? Denn eine Strafe für Sergio Perez hatte in den letzten Minuten ungeahnte Chancen eröffnet.
Leclerc und Russell hatten einen Großteil des Rennens hintereinander auf den Plätzen zwei und drei verbracht, was Mercedes zum zweiten WM-Platz reichte. Knappe zehn Runden vor Schluss hauchte eine Fünf-Sekunden-Strafe für Sergio Perez Leben in die Pattsituation. Perez kam von hinten angestürmt, Russell musste in Runde 54 von 58 seinen dritten Platz hergeben.
Auf der Strecke, aber nicht im Ergebnis, denn vier Runden würden für Perez weder reichen, um Leclerc zu überholen, noch um sich fünf Sekunden auf Russell herauszufahren. Außer Leclerc würde sich aktiv einmischen. Die Idee kam ihm, kaum dass ihn sein Renningenieur über die Lage informierte.
Leclercs Plan: Verlangsamen, Perez DRS und Windschatten geben und ihn vorbeilassen. So könnte der Red Bull eventuell die letzten nötigen Sekunden zu Russell auffahren und ihn vom Podium werfen. Das lief nicht nach Wunsch. Leclerc wurde von der letzten Runde überrascht. Daraufhin ließ er Perez schnell vor der ersten DRS-Zone vorbei, schenkte ihm damit nur für eine Geraden DRS und keinen Windschatten. 6,125 Sekunden kam der Red Bull vor Russell über die Linie, das waren 1,125 zu viel.
Leclerc spielt gegen Russell nicht dreckig: Wolff lobt
In Russells Augen hatte Leclerc die Gelegenheit nicht ausgereizt. "Wenn du mich eingebremst hättest …", sagte er ihm im Cooldown-Raum. Der letzte Sektor von Abu Dhabi ist verwinkelt, Überholen praktisch unmöglich. Wer an den Scheitelpunkten bummelt, kann den Hintermann um Sekunden bringen. Perez zeigte das im berühmten Finale 2021, als er dort Lewis Hamilton gnadenlos einbremste und in die Fänge von Max Verstappen zu treiben versuchte.
"Ich wollte dich nicht einbremsen, weil ich Angst hatte", erklärte Leclerc. Er hätte sich schließlich zweieinhalb weitere Sekunden zu Russell zurückfallen lassen müssen und trotz einer Bummelei im letzten Sektor nicht mehr als fünf Sekunden Rückstand auf Perez aufreißen dürfen. "Dann sind nur zwei Zehntel zwischen uns und ich könnte von Checo überholt werden."
Gegenargument: Spätestens im letzten Sektor hatte Leclerc nichts mehr zu verlieren. Da war bereits offensichtlich, dass der eigentliche Plan nicht aufgehen würde. Dass er trotzdem keine Blockade lancierte, rechnet ihm Mercedes-Teamchef Toto Wolff hoch an. "Der Kampf gegen Ferrari war ein formidabler zwischen zwei tollen Marken, als Team respektieren wir sie sehr, und Charles fuhr wie ein echter Sportsmann", lobt er. "Am Ende hätte er die Handbremse im letzten Sektor ziehen können und tat das nicht. Das zeigt denke ich den Charakter eines Fahrers."
Perez-Strafe rettet Russell & Mercedes
Auch Russell meint: "Respekt, dass er sauber geblieben ist." Leclercs Fairness bedeutete, dass die Perez-Strafe für Mercedes sogar zu einem Rettungsanker wurde. Ohne sie hätte der Red Bull Russell einfach sang- und klanglos vom Podium geworfen und Ferrari zum Vizemeister gemacht.
"Die Pace war so oft stark, aber die Ergebnisse sind uns immer wieder entglitten", atmet Russell daher nach dem Rennen einmal durch. Erst das zweite Podium seiner Saison: "Das Glück war heute mit Checos Strafe auf unserer Seite, das hat die restlichen Rennen aufgewogen." Erst letzte Woche hatte Toto Wolff beklagt, wie viel Pech Mercedes in den letzten Wochen und Monaten erlitten hatte.
Hamilton & Sainz im WM-Showdown von Abu Dhabi nutzlos
Leclerc und Russell waren im Showdown um den zweiten WM-Platz in Abu Dhabi Einzelkämpfer. Lewis Hamilton und Carlos Sainz komplettierten ihre desaströsen Wochenenden, nachdem sie schon nur von Elf und Sechzehn losgefahren waren. Hamiltons zwei Punkte für einen neunten Platz spielten am Ende keine Rolle. Sainz stellte als 18. ab, nachdem ihm ein Start auf Hard nichts gebracht hatte. Verzweifelt hatte er auf alten Reifen gut 20 Runden ausgeharrt, ob nicht doch eine Rennunterbrechung ihm einen Gratis-Stopp schenken würde.
Beide Teams können nach dem Rennen keine Antworten liefern, warum die Lücken zwischen den Teamkollegen gigantisch waren. Ferrari-Teamchef Fred Vasseur lässt die Sainz-Pleite aber nicht als Ausrede für den verlorenen dritten Platz gelten: "Wir hatten ein hartes Miami, in Zandvoort waren wir weit weg, bei manchen Events hatten wir Zuverlässigkeitsprobleme."
"Das tat viel mehr weh", meint Vasseur. "Heute hatten wir als Team starke Pace, gestern haben wir um Pole gekämpft, im Rennen mit Red Bull gekämpft. Ich denke nicht, dass wir es heute vergeben haben." Platz drei sorgte zwar bei Leclerc auf der Auslaufrunde für großen Frust, bringt Ferrari immerhin aber mehr Windkanalzeit. Was auch Toto Wolff mit etwas Bedauern feststellte. Vasseur scherzt: "Wenn er lieber P3 hätte, dann kann er Einspruch gegen die Perez-Strafe einlegen!"
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