Das Saisonfinale in Abu Dhabi war für Mercedes ein zweiseitiges Schwert. Einerseits wurde das ausgesprochene Minimalziel, der zweite Platz in der Gesamtwertung, am Ende souverän unter Dach und Fach gebracht. Allerdings hat der Superstar des Teams, Lewis Hamilton, zu diesem Erfolg mit seinem neunten Platz deutlich weniger beigetragen als Teamkollege George Russell, der seine Saison auf dem Podium abschließen konnte. Der Altmeister war nach dem Rennen sichtbar angefressen: "Ich bin froh, dass ich dieses Auto nicht mehr fahren muss."

Hamilton hatte soeben mit Mühe und Not seinen W14 auf P9 ins Ziel gebracht und zog zusätzlich in der letzten Runde im Duell mit Yuki Tsunoda trotz deutlich frischerer Reifen den Kürzeren. Während sich der ehemalige Dauerweltmeister noch mit dem Japaner herumschlagen musste, hatte sein Teamkollege George Russell die Ziellinie bereits lange überquert. Was war in Abu Dhabi mit Lewis Hamilton los?

Hamilton niedergeschlagen: Hätte nicht schlechter laufen können

"Mit diesem Auto stimmt etwas nicht!", haderte Lewis Hamilton bereits nach dem gestrigen Q2-Aus am Funk. "Es muss schon etwas daneben gehen, wenn ich es nicht ins Q3 schaffe!" Hamilton musste daraufhin auf P11 in das Rennen starten und schaffte es auch im ersten Stint boxenstopp-bereinigt nicht über den zehnten Platz hinaus. "Ich war einfach zu langsam heute", klagte Hamilton sein Leid. "Ich hatte einfach Probleme mit dem Auto, mehr kann ich nicht sagen."

In Runde 15 setzte es den ersten Rückschlag. In einem Duell mit Pierre Gasly rammte Hamilton seinen Frontflügel in das Heck des Alpine-Piloten. Gaslys Bolide trug einen Schaden am Diffusor davon, bei Hamilton lockerte sich die linke Endplatte am Frontflügel. "Seine Räder haben blockiert", schob Hamilton die Schuld am Funk von sich.

Mercedes fackelte nicht lange und holte seinen Routinier noch in derselben Runde an die Box, entschied sich nach einer kurzen Inspektion aber, den nicht allzu dramatisch beschädigten Flügel nicht zu tauschen. Von da an machte sich Hamilton auf die Aufholjagd, doch für ein Comeback à la Sergio Perez war der Silberpfeil-Pilot an diesem Nachmittag schlicht zu langsam. Über das komplette Rennen betrachtet konnte Hamilton lediglich den beschädigten Gasly auf der Strecke überholen. Eine Beinahe-Kollision mit seinem ewigen Rivalen Fernando Alonso gab Hamilton den Rest.

"Ziemlich schlecht... es hätte nicht viel schlechter laufen können", fiel daher Hamiltons kurzes, aber deutliches Fazit zum Rennen aus. "Ich bin auf Platz elf gestartet und bin als Neunter ins Ziel gekommen", sprach der siebenfache Weltmeister, der sich angesichts des für ihn persönlich enttäuschenden Saisonfinales bereits vor der kommenden Saison fürchtet. "Red Bull hat seit August nicht mehr entwickelt und sie sind 40 Sekunden vor uns ins Ziel gefahren. Da kann man sich denken, wie die nächste Saison laufen wird", sprach er.

Russell schlägt Hamilton deutlich: Woher kommt der Unterschied?

Seit dem 1. Freien Training hing Hamilton seinem Teamkollegen Russell in Abu Dhabi deutlich hinterher. Russell holte Bestzeit in FP1 und FP3, schlug seinen routinierten Teamkollegen auch im Qualifying deutlich. Im Rennen stellte Russell seinen W14 sogar aufs Podium - Hamilton fuhr erst 20 Sekunden später über die Ziellinie.

Mercedes-Pilot George Russell feiert Platz 3 auf dem Podium
George Russell beendete die Saison auf dem Podium, Foto: LAT Images

Hamilton war an diesem gesamten Wochenende ungewohnt schwach, hatte der Altmeister in der mittlerweile abgelaufenen Saison doch meistens die Oberhand über seinen jüngeren Teamkollegen. Doch dass sich die Leistungen zwischen den Fahrern innerhalb des Teams von Woche zu Woche unterscheiden können, war in der Formel-1-Saison 2023 kein ungewohntes Bild. Warum es an diesem Wochenende zwischen Russell und Hamilton so eklatant war, konnte auch ein mitunter ratloser Toto Wolff nicht erklären.

"Es ist einfach schwer zu begreifen, dass gute Fahrer in verschiedenen Teams diese Leistungsschwankungen haben", sagte der Wiener. "Man hat es dieses Wochenende bei Sainz und Leclerc gesehen. Man hat es bei George und Lewis, Oscar und Lando gesehen, und das Offensichtliche ist Perez und Verstappen. Perez ist nicht eine Sekunde langsamer als Max. Was ist das also? Ich habe keine Erklärung dafür."