Bevor die neue Formel-1-Saison 2024 am 29. Februar in Bahrain losgeht, finden eine Woche zuvor von 21. bis 23. Wintertests statt. Zusammen mit den Abu-Dhabi-Testfahrten, Filmtagen, 40 Reifen- und 4 Kotflügel-Testtagen, die einzige Möglichkeit der Teams, ihre Autos auszuprobieren. Lange nicht genug. Von immenser Wichtigkeit deswegen: Mick Schumacher. Oder allgemein Simulator-Fahrer. Was diese so machen (außer unzähligen Nachtschichten).

Formel 1 heute: Simulator-Arbeit statt Fiorano

Vorbei sind die Zeiten, als Ferrari in Fiorano noch jeden Tag um die Strecke kurvte. Abgesehen von zwei Filmtagen mit einem Maximum von 200 Kilometern mit Showreifen, die außer Funktionstests nicht viel bringen, ist wenig erlaubt. Die zusätzliche Verkürzung der Trainings von 60 statt 90 Minuten, sowie sechs Sprintwochenenden machen die Arbeit im Simulator immer wichtiger.

Formel 1 Simulator erklärt: So entwickeln die Teams virtuell (10:45 Min.)

"Bei einem Rennen geht es nur um das aktuelle Event. Im Simulator spielt das auch eine Rolle, aber hauptsächlich geht es um die längerfristige Entwicklung: Wir schauen uns Trends und Probleme des Autos an", berichtet Simon Rennie, Sim-Leiter von Red Bull im Talking Bull Podcast.

Im Gegensatz zu Windkanal und CFD gibt es bei Simulator-Sessions keine Einschränkungen. In Brackley bei Mercedes läuft der Simulator fünf Tage pro Woche. Bei sogenannten Driver-in-Loop (DiL) Sessions ist neben einer Ingenieurs-Crew, die im Kontrollraum arbeitet, ein guter Fahrer essenziell, der optimales Feedback gibt.

Red Bull: Niemand fährt wie Verstappen oder Perez

"Jemand mit Erfahrung, der versteht, dass der Sim ein Tool für Ingenieure anstelle der Wirklichkeit ist, ist hier sehr wichtig", betont Rennie. Sein vormaliger Schützling (zuerst als Renningenieur, dann im Sim) Daniel Ricciardo behält seinen Fahrstil dabei möglichst bei und versucht nicht, Max Verstappen oder Sergio Perez zu imitieren. "Wir wollen, dass er [Ricciardo] einfach natürlich fährt."

Dennoch passen Teams die Arbeit an die individuellen Bedürfnisse (und Einschränkungen) der Fahrer an. "An Rennwochenenden schauen wir oft, was beide Autos im Training gemacht haben, korrelieren die Daten und stimmen das Auto im Simulator dann so ab", verrät der ehemalige Renningenieur.

"Unsere Arbeit verändert die Balance. Das kann für einen Fahrer gut sein, für den anderen schlecht", so Simon Rennie. "Wir wissen das, und schneiden unser Feedback dann auf den jeweiligen Piloten zu."

Eine genaue Korrelation zwischen Sim und Strecke ist oberstes Ziel, Foto: rFpro
Eine genaue Korrelation zwischen Sim und Strecke ist oberstes Ziel, Foto: rFpro

Mit einem Klick zum neuen Formel-1-Setup

Von Ferrari liebevoll Spider genannt (das Formel-1-Cockpit auf vier hydraulischen Armen stehend erinnert an das Insekt), sitzt der Fahrer im Rennanzug mit Original-Lenkrad, Chassis und Pedalen vor einer riesigen Leinwand. Das Setting erinnert an einen Flugsimulator. In einem Kontrollraum können sich Ingenieure mit allen möglichen Einstellungen austoben und sind mittels Funks (wie in realen Sessions) mit dem Piloten verbunden.

Aufwändige Umbauabreiten wie im realen Leben braucht es dafür nicht - ein Klick und eine neue Setup-Konfiguration kann getestet werden. Nicht nur bei der Entwicklung der Formel-1-Boliden wichtig, sondern auch besonders an Rennwochenenden. Da wird auch einmal nach einem Doppelpodium Mick Schumacher gedankt.

Bei Mercedes in Brackley beginnen zwei Tage vor einem Rennwochenende die Vorbereitungen. Bei ungefähr 450 gefahrenen Runden werden verschiedene Abstimmungen ausprobiert - sei es aerodynamisch, mechanisch oder bei der PU. Mit den Daten aus den Freitags-Trainings gespeist, geht die Arbeit am Abend erst richtig los.

Mick Schumacher verfolgt zusammen mit Toto Wolff die Formel 1 in der Mercedes-Garage
Mick Schumacher war als Reserve- und Simulator-Fahrer 2023 bei allen Rennen vor Ort, Foto: LAT Images

Freitag Hochbetrieb auf und abseits der Strecke

"Wir schauen FP1 in der Fabrik und den Anfang von FP2. Während FP2 nehmen wir dann die schnellste Runde von George oder Lewis und versuchen, genau ihr Auto zu kopieren", verrät Anthony Davidson (seit mehr als zehn Jahren Sim-Fahrer bei Mercedes). "Mir stehen dabei das Video des Autos, die Daten und das Feedback der Fahrer zur Verfügung." Dann werden unterschiedliche Setups ausprobiert.

Am Samstag werden die Dienste der Simulator-Fahrer typischerweise nicht mehr benötigt. Mick Schumacher fliegt dann beispielsweise bei europäischen Rennen an die Strecke, um im Notfall Lewis Hamilton oder George Russell ersetzen zu können. Bei Überseerennen ist der 24-Jährige von Donnerstag an mit dabei.

Las Vegas verdoppelt Arbeit der Teams

Bei einem neuen Kurs wie Las Vegas im Vorjahr verdoppelt sich die Arbeit im Sim bei Mercedes von zwei auf vier Tage. Zusätzlich wird ein Tag dafür aufgewendet, die neue Strecke zu lernen. Nach einem Rennen wird ein weiteres Programm zur Aufarbeitung des Wochenendes gefahren, die Korrelation evaluiert und verfeinert.

Problem dabei: Simulatoren sind nur so gut, wie ihre Annahmen. Von Strecke zu Strecke ändert sich etwa die Asphaltbeschaffenheit und bietet Fehlerpotenzial. Teams greifen dabei auf Daten von Drittanbietern (wie rFpro) zurück, die die Strecken mit dem Laser scannen. Alte Simulatoren wie bei Alpine erschweren die Arbeit. Oberstes Ziel aller Teams: Möglichst nahe der Realität sein.

Testfahrer der Teams 2024

TeamTestfahrer
Red BullLiam Lawson
MercedesMick Schumacher
FerrariRobert Shwartzman
McLarenRyo Hirakawa
Pat O'Ward
Aston MartinFelipe Drugovich
AlpineJack Doohan
Williams?
AlphaTauriLiam Lawson
SauberTheo Pourchaire
Haas?

Simulatoren: Von Formel-1-Fahrern geliebt oder gehasst

Bei Stammpiloten oft unbeliebt (da nur bedingt zur fahrerischen Verbesserung nützlich), übernehmen die dritten Fahrer der Teams einen Großteil der Aufgaben im Simulator. Mick Schumacher bei Mercedes zum Beispiel. Es gibt aber auch spezielle Simulatorfahrer: Fahrer, die in anderen Kategorien an den Start gehen und/oder gut in den Nachwuchsklassen waren, aber oft nie den Schritt in die Formel 1 geschafft haben.

Oder wie Daniel Ricciardo nach seinem Aus bei McLaren eine kurze Pause zuhause eingelegt haben. Die Zeit hat er gut genützt. "Ich habe beobachtet und versucht, so gut wie möglich zu helfen. Und zu lernen: Was das Fahren oder auch Kommunikation betrifft."

Eine Ausnahme bietet Max Verstappen. "Ich will nicht, dass ein Testfahrer für mich die Arbeit im Simulator macht, wie es bei anderen Teams üblich ist", so der dreifache Weltmeister. "Ich möchte das selbst machen." Grund: "Weil jeder einen anderen Fahrstil hat."