Alpine, Ambitionen und die Ausbeute: Von Rennwochenende zu Rennwochenende, wenn nicht gar von Session zu Session, fällt der Alpine A523 in erster Linie durch seine schwankende Performance auf. Von Startplatz 5 bis Startplatz 20 war bei Alpine in der noch jungen Formel-1-Saison 2023 bereits alles dabei.
Ambitionen und Ausbeute liegen in den vergangenen Jahren bei keinem Rennstall weiter auseinander als beim französischen Werksteam. Um zumindest an der Rennstrecke das Maximale herauszuholen, will Alpine sein Werk in Enstone aufrüsten: Teamchef Otmar Szafnauer verkündete zuletzt den Kauf eines neuen State-of-the-Art-Simulators.
Formel-1-Simulator wird immer wichtiger
Nahezu antik wirken die Zeiten, als private Testfahrten in der Formel 1 gang und gebe waren. Die Fahrsimulatoren und Computersimulationen sind für die Teams der Ersatz, der seit dem Verbot von Testfahrten während der Saison massiv weiterentwickelt wurde. Zumindest von den Renställen, die sich das in der Vergangenheit leisten konnten. "Es gibt größere Teams, die einfach bessere Simulationstools haben als wir", diagnostizierte Szafnauer.
Das Problem des gegenwärtigen Simulators bei Alpine ist die Zuverlässigkeit seiner Ergebnisse. Auf Basis der Daten, die der Simulator ausgibt, werden die Rahmenbedingungen für das Setup für die jeweiligen Strecken vorgegeben, erklärte der 58-Jährige Teamchef. "Manchmal sind unsere Simulationen gut genug, sodass wir nah an den realen Verhältnissen sind und die Performance schon zu Beginn eines Wochenendes da ist. Und manchmal sind sie es eben nicht", hält Szafnauer fest.
Spiegeln die Simulationen die realen Verhältnisse nicht annähernd wieder, verlieren die Teams wichtige Zeit: "Wir kriegen dann das Feedback der Fahrer, nehmen Anpassungen vor und dann machen wir in der Regel auch große Schritte [im Laufe der Freien Trainings, d. Red.]. Wenn wir aber nahezu perfekte Simulationstools haben, dann können wir direkt nah am Optimum loslegen", erklärte der erfahrene Formel-1-Teamchef. Das gilt erst recht seit 2021, als die beiden Freitagstrainings von 90 auf 60 Minuten verkürzt wurden.
Alpine in Baku: Schlechte Simulator-Arbeit unter einem Brennglas
Die gewöhnliche Vorbereitung für ein Rennwochenende beschreibt Szafnauer wie folgt: "Vor einem Wochenende nutzen wir alle Simulationstools, die uns zur Verfügung stehen: Der Fahrsimulator, die Endlosschleifensimulation [Hierbei sitzt kein Fahrer im Simulator, der Rundenzeiten fährt, stattdessen werden Rundenzeiten ganzer Stints basierend auf vorhandenen Daten (zum Beispiel der Reifenabnutzung) simuliert, d. Red.] und ähnlichem. Daraus versuchen wir, so viele Setup-Parameter wie möglich herauszuarbeiten."
Das Ausmaß einer mangelhaften Arbeit des Simulators hätte sich beim Sprintwochenende in Baku kaum deutlicher zeigen können. Die Teams hatten dort nur ein einziges Freies Training bis zum Beginn der Parc-Fermé-Regelung. Alpines bestes Session-Ergebnis in Aserbaidschan war Esteban Ocons zwölfter Platz im Haupt-Qualifying. Der nützte Ocon allerdings wenig, denn Alpine brach bewusst den Parc Fermé, um den falsch eingeschlagenen Weg beim Setup zu korrigieren. Der Franzose musste schließlich beide Rennen aus der Boxengasse beginnen.
Moderne Simulatoren sind ein Performance-Vorteil
Alpines Neuzugang Pierre Gasly fand im Nachgang des Horrorwochenendes deutliche Worte für das Versagen: "Wir müssen sicherstellen, dass das nie wieder passiert. Wir waren eindeutig nicht dort, wo wir hingehören." Die Antwort auf diese Kritik ist also die Investition in einen neuen Simulator. Freilich bietet ein moderner Formel-1-Simulator auch Vorteile gegenüber den klassischen Testfahrten von früher. Richtig eingesetzt, können Rahmenbedingungen wie beispielsweise Streckentemperaturen in der Simulation genau gesteuert und damit besser kontrolliert werden.
Stieg Michael Schumacher früher am trainingsfreien Freitag des Monaco-Rennwochenendes noch in den Flieger, um in Fiorano auf Ferraris hauseigener Rennstrecke zu testen, sitzen in der heutigen Zeit die Simulator-Piloten in der Fabrik und drehen die ganze Nacht ihre Runden, um an der Abstimmung zu feilen. Setup-Einstellungen für Stoßdämpfer, Stabilisatoren oder die ideale Abstimmung der Kraftübertragung vom Kurveneingang bis zum Kurvenausgang können auf den virtuellen Versionen der realen Strecken erarbeitet werden.
Die britischen Formel-1-Teams mussten ihre High-Downforce-Konfigurationen für Ungarn zwischen den Rennwochenenden früher in Silverstone oder Brands Hatch testen. Das kostete Geld für Ersatzfahrer, Sprit, Logistik, Mechaniker und die Streckenmiete. Heutzutage ist der einzig limitierende Faktor die zur Verfügung stehende Zeit in der Fabrik. Auf den Millimeter genau lasergescannte Strecken machen es möglich.
Der neue Simulator kommt - In zwei Jahren...
Alpines einziges Problem: Der neue Simulator wird frühestens in eineinhalb bis zwei Jahren einsatzbereit sein. "Wir haben neues Personal verpflichtet, das die Genauigkeit unserer Simulationen verbessern wird", verrät Szafnauer. "Wenn wir die ganze Arbeit vor dem Wochenende erledigen können, kannst du die Zeit auf der Strecke effektiver nutzen."
Bis dahin ist also Geduld angesagt. Geduld, für die Alpine-CEO Laurent Rossi in den vergangenen Jahren nicht bekannt wurde. Die Wege von Marcin Budkowski und Alpine trennten sich nur ein Jahr nach Rossis Umstrukturierung der Führungsetage. Davide Brivio, der 2021 von Rossi persönlich ernannte Renndirektor, war diese Position ebenfalls nach nur einem Jahr wieder los. Brivio ist seitdem als Direktor für Rennsporterweiterungsprojekte im Alpine-Konzern tätig - abseits des Tagesgeschäfts in der Formel 1.
Seitdem ist Szafnauer Teamchef bei Alpine. Doch auch er sitzt alles andere als sicher im Sattel: Szafnauer wurde im Rahmen des Miami-Wochenendes von Rossi heftig kritisiert. Der Alpine-Boss versprach, dass er nicht bis zum Jahresende mit Konsequenzen warten werde, sollte das Ziel vom vierten Platz in der Konstrukteurs-WM außer Reichweite geraten.
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