Das ganze Formel-1-Fahrerlager ist sehr vorsichtig, was die Weltmeisterschaft 2008 angeht. Die berühmte WM-Entscheidung, in der Felipe Massa den Titel um einen Punkt verpasste, erhält nämlich gerade ein Zusatzkapitel. Massa prüft seit Monaten rechtliche Schritte aufgrund des - rückblickend - WM-entscheidenden Crashgate-Skandals. Jetzt erhält er öffentlich Zuspruch vom ehemaligen FIA-Präsidenten Jean Todt.

Singapur 2008 war mit Crashgate ein kritischer Moment im WM-Rennen. Massa kämpfte um den Sieg, dann verunfallte Renault-Pilot Nelson Piquet Jr. auf Teamanweisung absichtlich, um seinen Teamkollegen Fernando Alonso an die Spitze zu bringen. Massa und sein Team Ferrari waren die großen Verlierer des ausgelösten Safety Cars. Wäre das Rennen nachträglich für ungültig erklärt worden, wäre Massa Weltmeister. Crashgate im Detail gibt es hier:

Jean Todt ist im Szenario in mehrerlei Hinsicht ein wichtiger Charakter. Zum einen wurde er im Oktober 2009 zum FIA-Präsidenten gewählt. Das war knapp einen Monat nachdem der Verband seine Ermittlungen nach Aussagen von Piquet abschloss und unter anderem Teamchef und Cheftechniker sperrte. Zum anderen war Todt davor jahrelang Ferrari-Teamchef gewesen, Anfang 2008 auch noch Berater.

Reichen diese Aussagen für Massa?

In einem Interview mit der französischen 'L'Equipe' spricht Todt nun erstmals offen über Massas Forderungen. Zentraler Gegenstand dieser sind Interviews des ehemaligen F1-Chefs Bernie Ecclestone: Der damalige FIA-Präsident Max Mosley, Todts Vorgänger, und der langjährige F1-Rennleiter Charlie Whiting hätten schon 2008 davon gewusst. Und nicht erst durch Piquets Aussagen 2009 davon erfahren.

Felipe Massa und Jean Todt, Foto: Sutton
Felipe Massa und Jean Todt, Foto: Sutton

"Als ich Präsident der FIA war, wurde ich darüber nicht informiert", meint Todt. "Die Entdeckung, dass die [FIA] schon vor dem berühmten 31. Dezember die Wahrheit kannte, könnte die Lage tatsächlich ändern." Warum ist der 31. Dezember 2008 relevant? "Die Regel der FIA war immer, dass die Ergebnisse zum 31. Dezember ratifiziert werden und wir sie danach nicht mehr ändern."

"In diesem Singapur-Fall kamen die Fakten erst ein Jahr später ans Licht", erinnert Todt. Hatte man zumindest bis zu den Ecclestone-Aussagen geglaubt, und damit stand eine Ungültigkeit nie wirklich zur Debatte. Aber jetzt? "Diese komplett neue Information - wenn sie wahr und verifizierbar ist -, wäre, dass der Regelhüter, der die Weltmeisterschaft offiziell machte, davon wusste."

"Rückblickend hätten wir fordern sollen, dass das Rennen als ungültig erklärt wird", unterstützt Todt im Prinzip daher Massas Forderungen. "Wahr und verifizierbar" birgt allerdings ein Problem, welches er schnell hervorhebt. Sowohl Max Mosley als auch Charlie Whiting sind inzwischen verstorben. Damit bleibt nur die Aussage des 93-jährigen Ecclestone.