Dieses Interview erschien in Ausgabe 91 unseres Print-Magazins. Am Ende des Jahres veröffentlichen wir traditionell einen kleinen Teil unserer Print-Artikel kostenfrei auf der Website. Dies hier ist eine gekürzte Version des damaligen Interviews. Viel Spaß beim Lesen!

Christian Menath: Das Print-Abschieds-Interview sozusagen. Ich bin schon ein bisschen wehmütig hierhergekommen. Sie sind ganz am Anfang selbst Rennen gefahren, sind jetzt seit einer halben Ewigkeit Motorsport-Manager und sind da draußen vielen bekannt. Aussagen wie "Jedes Wochenende, das man nicht an der Rennstrecke ist, ist ein verlorenes Wochenende" und so weiter. Was fasziniert Sie so an diesem Motorsport?
Franz Tost: Das hat mit dem achten, neunten Lebensjahr angefangen, dass ich mich für den Motorsport interessiert habe. Ich kann mich noch erinnern, ich habe damals immer schon die Motorsport-Fachzeitschriften gekauft. Ich hatte die unter meinem Bett, da war alles voll. Und immer am Abend habe ich dann welche dort herausgezogen und irgendeine alte Story gelesen. Also ich weiß, das hat mit etwa neun Jahren angefangen und dann war die Zeit vom Jochen Rind.

In Österreich sind ja damals Gott sei Dank fast alle Rennen übertragen worden und das war für mich hundertprozentig klar, dass ich später einmal im Motorsport arbeiten werde. Und es war dann auch alles auf den Motorsport ausgerichtet, auch während meines Sportstudiums. Alle Arbeiten, die ich geschrieben habe, haben sich auf den Motorsport bezogen, also waren motorsportbezogene Themen.

Aber warum, was fasziniert Sie so daran? Das Verschmelzen von Mensch und Maschine oder etwas anderes?
Nein, die Assoziation zum Automobil. Ich habe einfach eine wahnsinnige Freude, wenn ich mich mit etwas auseinandersetzen kann, das sich bewegt. Ich habe also zig Mal die Schule geschwänzt als ich zur Volksschule gegangen bin. Da bin ich mit den LKWs mitgefahren, weil da wurde gerade die Brenner-Autobahn gebaut. Über das habe ich alles gewusst und in der Schule habe ich natürlich nichts gewusst, was dort unterrichtet worden ist. Und das war mir auch Wurst.

Ich war dann immer bei meinem Onkel Traktor fahren und dann hat er schon gedacht, ich will Bauer werden. Dabei hat mich immer nur der Traktor interessiert. Ich hatte Angst, in den Stall hineinzugehen, weil ich Angst vor Tieren hatte. Also das war einfach diese Affinität zum Auto und unser Auto habe ich Garten - da war ich ein kleiner Bub - hin und herfahren dürfen. Das [Auto] habe ich natürlich jeden Tag gewaschen, damit ich einen Grund hatte, mit dem Auto hin und herzufahren. Ich habe dann zig Mal Schimpfe gekriegt von meinem Vater, weil der Tank dann leer war, wenn er wegfahren musste. Das Automobil ist mein Leben und der Motorsport das Tüpfelchen auf dem I.

Tost über XXL-Kalender: Verstehe nicht, über was die Leute jammern

Hat sich diese Liebe über die Jahre ein bisschen verändert? Zuletzt haben sie ja auch gesagt, mit dem Rennkalender zum Beispiel, oder haben sie nur festgestellt, dass nicht alle Menschen so ticken und dass man auf die Menschen auch ein bisschen eingehen muss?
Nein, auf die Menschen brauchst du gar nicht eingehen. Die, die Motorsport wollen, die kapieren das alles und ich verstehe überhaupt gar nicht die Diskussion, die es da momentan mit der Anzahl der Rennen gibt. Ich finde, dass wir einen super Rennkalender haben. Ich finde, dass es auch in Ordnung ist, dass wir unsere 23, 24 Rennen haben, weil die Rennwochenenden sind ja bei weitem nicht mehr so anstrengend, wie das früher mal der Fall war. Ich kenne noch die Formel 1, als jeden Tag der Motor gewechselt worden ist. Da haben wir am Freitag einen Motor gehabt, einen Qualifying-Motor für den Samstag und einen Rennmotor. Und ich kenne die Zeiten, da ist man nicht vor ein oder zwei Uhr ins Bett gegangen. Da musste man um sechs aufstehen, weil damals hat es ja auch noch ein Warm-Up gegeben, am Sonntag. Ich verstehe überhaupt gar nicht, über was die da jammern. Ich kapiere es einfach nicht. Also das ist für mich absolut unbegründet.

AlphaTauri-Teamchef Franz Toast im Kommandostand
Für Franz Tost kann es gar nicht genug F1-Rennen geben, Foto: LAT Images

Sie haben vorhin schon die verschiedenen Phasen angesprochen. Selbst Rennfahrer, Walter-Lechner-Racing-School, dann Willi Weber, Ralf Schumacher, BMW, Toro Rosso, AlphaTauri. Was war denn die schönste Phase?
Es war jede Phase schön. Jede Phase hatte sehr viele Inhalte, die mich weitergebracht haben. In der Walter-Lechner-Racing-School damals war ich sehr eng mit Roland Ratzenberger befreundet. Wir haben beide auch die Kurse gemacht, wir haben uns auch einen Formel Ford geteilt und wenn ich da zurückdenke: Wir haben nur an der Rennstrecke gelebt. Hotels hat es gar nicht gegeben. Wir haben hinten im Sattelauflieger geschlafen. Und das war sowas von selbstverständlich und haben da dann unsere Kurse abgehalten, dann sind wir unsere Rennen gefahren. Das es war eine schöne Zeit, die ich nicht vermissen möchte, wo ich sehr viel gelernt habe.

Dann die Zeit bei Willi Weber, war auch sehr inhaltsreich: Das Fahrermanagement und ich habe auch sehr viel von der Marketing-Seite gelernt mit Merchandising und so weiter. Und dann die Zeit mit Ralf in der Formel 1 als er bei Jordan gefahren ist, als er bei Williams gefahren ist. Die Teams zu beobachten, die Arbeitsweisen zu beobachten. Dann BMW - ein völlig anderes Kapitel, weil ich kann mich noch erinnern, wie Gerhard Berger und der [Dr. Mario] Theissen mich angerufen haben und gesagt haben, ich solle zu BMW kommen. Dann habe ich gesagt, was soll ich bei BMW tun, ich bin ja kein Techniker. Ich komme ja von einer ganz anderen Schiene. "Nein, Nein, ich muss da hinkommen, um das Team dort aufzubauen, das haue überhaupt nicht hin mit Williams.

Franz Tost, Gerhard Berger, Ralf Schumacher
Franz Tost mit Ralf Schumacher und Gerhard Berger, Foto: LAT Images

Die BMW-Zeit war super, war sehr interessant und dann eben die Toro-Rosso-Zeit. Da bin ich dann nach Faenza gekommen, auch das ist eine Zeit, die ich nicht missen möchte. Das waren also 18 supertolle Jahre mit tollen Mitarbeitern, sehr motiviert. Also wir sind alle Formel-1-enthusiastisch. Sie haben die Leidenschaft für die Formel 1 und da haben wir faktisch bei null angefangen und haben dann das Team immer weiter und weiter entwickelt. Wir haben unsere Höhen und Tiefen gehabt. Deshalb muss ich sagen, es war in jeder Phase, jeder Periode sehr inhalts- und lehrreich und das hat einfach riesigen Spaß gemacht.

Vermächtnis Weltmeister? Alles Blödsinn!

Sie haben schon öfter gesagt, die zwei Herausragenden ihrer Amtszeit waren Vettel und Verstappen. Wann haben sie das gemerkt, dass die zwei von einem anderen Kaliber sind.
Ja bei Sebastian habe ich das schon in der Formel 3 gesehen. Also angefangen hats mit der Formel BMW Junior. Der hatte damals glaube ich elf Rennen gewonnen. Ich habe ihn damals dann auch am Hockenheimring das erste Mal getroffen. Dann haben wir eigentlich immer Kontakt gehabt, auch während seiner Formel-3-Zeit haben wir immer wieder telefoniert und die Fragen, die er gestellt hat. Das technische Verständnis, das er an den Tag gelegt hat, die Fokussierung auf die wesentlichen Punkte, auch was das physische Training und die Ernährung betrifft und so weiter. Da hat man schon gemerkt, dass Sebastian das sehr ernst nimmt. Dass der dann vier Weltmeisterschaften gewinnt, das haben wir damals nie gewusst. Das wäre totaler Blödsinn, wenn ich da jetzt sagen würde: Jaja, das war klar, dass der vier Weltmeisterschaften gewinnt, vergiss es. Mir war klar, dass er Rennen gewinnt. Ob er dann jemals eine Weltmeisterschaft gewinnt oder nicht, das kann man, wenn er anfängt, nicht sagen. Weil das schafft man, wenn man zum richtigen Zeitpunkt, wenn man im richtigen Auto sitzt.

Tost Vettel, Mateschitz
Torro Rossos Premierensieg mit Sebastian Vettel, Foto: LAT Images

Der Max, da habe ich einige Kartrennen gesehen und ich habe den Jos gekannt von früher, weil er war der Teamkollege von Michael bei Benetton. Da habe ich dann im Laufe der Zeit mitgekriegt, wie sehr sich der Jos um Max gekümmert hat. Das war dann, ich sage jetzt mal eine ganz andere Background-Story. Und da war ich mir schon ziemlich sicher, dass der vom Jos eine supergute Schule durchlaufen wird und dass er vom Jos da richtig gut darauf vorbereitet wird. Deshalb habe ich mir da von Anfang an einiges erwartet. Aber entscheidend war dann, wie er in der Formel 3 gefahren ist, wir kennen dieses Norisring-Rennen. Da bin ich nur vor dem Fernseher gesessen und habe mir gedacht, das gibt es ja gar nicht. Der Rest des Feldes, die sollen doch sofort ihre Lizenz abgeben. Das ist ja sinnlos.

Jetzt ist Formel-1-Teamchef generell kein so schlechter Job. Aber manchmal - Oder war es für sie manchmal trotzdem frustrierend aufgrund der Rahmenbedingungen, politischer Begebenheiten, dass man nicht immer die Entscheidung treffen kann, die man gerne treffen wollte?
Das kommt auf die Einstellung drauf an. Also der Dietrich Mateschitz hat ganz klar gesagt, das Team muss die jungen Fahrer von Red Bull Racing ausbilden und Synergien von Red Bull Technology nutzen. Mir hat diese Philosophie von Anfang an sehr, sehr gut gefallen, weil die ganz klar abgesteckt hat, in welchem Fenster wir uns bewegen müssen. Deshalb hat es da auch meinerseits nie irgendwie Frust gegeben. Ja, damals mit Max, wo der dann gleich vor Barcelona weg ist, das war schon schwer zu verdauen, weil von dem hätte ich dann auch noch während dieser Saison super Resultate mit uns erwartet. Aber ansonsten kann ich mich nie erinnern, dass es da irgendwie eine Situation gegeben hätte, wo ich frustriert gewesen wäre.

Gibt es irgendwas, was sie rückblickend anders gemacht hätten in ihrer professionellen Laufbahn?
Ja, ich hätte wahrscheinlich die Uni nicht besucht, ich hätte sofort in die Formel 1 gehen sollen. Weil das, was du auf der Uni lernst, das war auch schön. Das hat mir auch in manchen Situationen geholfen. Und das war eine super Zeit, die möchte ich auch nicht missen. Aber das spezielle, das spezifische Wissen in der Formel 1, das kann man sich nur hier aneignen. Also wenn ich jetzt nochmal von Anfang an beginnen würde: Ich glaube, die Uni würde ich nicht mehr besuchen.

Was ist denn ihr Vermächtnis in der Formel 1?
Keine Ahnung, was soll mein Vermächtnis sein?

Der Vater der Erfolge von Verstappen, von Vettel?
Nein, vergiss das, das ist alles ein Blödsinn. Es gibt da kein Vermächtnis, das ist Teamarbeit und ich sehe das alles ganz locker. Abu Dhabi ist das letzte Rennen und das ist das Kapitel abgeschlossen und da gibt's dann kein Vermächtnis oder irgendwas weiß ich was.

Eine abschließende Frage. Wen werden sie vermissen? Wen werden sie nicht vermissen?
Also ich werde sicherlich viele Leute von der Formel 1 vermissen. Wen ich sicher nicht vermissen werde, sind die langsamen Flugzeuge. Das einzige Problem, was wir in der Formel 1 haben, sind nicht die Anzahl der Rennen, das sind die langsamen Flugzeuge. Als ich vor 40 Jahren angefangen hab, habe ich genauso lange nach Melbourne gebraucht wie jetzt. Da hat sich überhaupt nichts geändert. Und jedes Mal, wenn ich in so einen Flieger einsteige, dann denke ich mir: Meine Güte, jetzt sitzt ich da schon wieder 20 Stunden drinnen. Jetzt sind 40 Jahre vergangen. Normal müsste man das doch jetzt in zwei bis drei Stunden schaffen. Also das vermisse ich hundertprozentig nicht. Und die Wartezeiten an Flughäfen, das hat sich ja alles leider in eine völlig falsche Richtung entwickelt. Da musst du ja schon zwei Stunden vorher dort sein mit den ganzen Security-Checks und so weiter und so fort. Die Zeit, die wir alle zusammen, der ganze Formel-1-Tross bei der Fliegerei verlieren... Das ist eigentlich, ich sage mal das größte Problem. Diese Zahl der Monate, die ich da verloren habe, möchte ich gar nicht wissen.

Super, ich sage vielen lieben Dank.
Gern geschehen. Jetzt hast du was zum Schreiben