Esteban Ocon zählte im Formel-1-Rennen in Las Vegas am Sonntag zu den großen Gewinner. Mit seiner Aufholjagd von Startplatz 16 machte der Franzose nicht nur ein frustrierendes Qualifying vergessen, sondern setzte auch einer wochenlangen Durststrecke ein Ende. Auf dem Weg zu Rang vier meisterte er das Startchaos, zeigte beispielhaftes Reifenmanagement samt starker Pace und hatte dabei auch noch das nötige Glück auf seiner Seite. Während Ocon seine Erlösung feierte, guckte sein Alpine-Teamkollege Pierre Gasly in die Röhre.

"Es ist ein unglaubliches Gefühl! Ich lebe wieder!", freute sich Ocon, für den es nach dem dritten Platz in Monaco das zweitbeste Resultat in der Saison 2023 war. "Du darfst niemals aufhören, daran zu glauben. Wir wussten, dass es ein starkes Wochenende für uns wird, was die Resultate und das Auto angeht. Wir waren mit den Reifen das gesamte Wochenende wirklich richtig stark."

Nach frustrierenden Wochen war das Rennen in Las Vegas für ihn mehr als nur ein Punkteresultat. "Es ist fünf oder sechs Rennen her. In Singapur standen die Sterne für uns das letzte Mal richtig", so der 27-Jährige. Dort war er auf Platz sechs liegend mit einem Defekt ausgeschieden. Seitdem hatte es nur dreimal für die Top-10 gereicht.

Zuletzt häuften sich die Fehlschläge. Auf einen Ausfall in Austin folgte jeweils das Q2-Aus in Mexiko und Brasilien. Gasly sammelte in diesem Zeitraum 16 Punkte, Ocon nur zwei. Auch in Las Vegas schien es bei Alpine nur einen Heilsbringer zu geben. Gasly fuhr im Qualifying sensationell auf Startplatz vier, während Ocon nach Zoff mit Max Verstappen schon im Q1 rausgeflogen war und als 16. in den vorletzten Grand Prix des Jahres gehen musste. "Wir haben ja leider gesehen, was gestern passiert ist und deshalb haben wir uns nicht sonderlich gut qualifiziert", konnte er sich einen Seitenhieb an seinen ehemaligen Rivalen aus Formel-3-Tagen nicht verkneifen.

Ocon überhört Teamorder

Dort sollte sich das Blatt für ihn im Rennen aber schon auf den ersten 200 Metern wenden. Fernando Alonso und Carlos Sainz randalierten im Mittelfeld und Ocon entging dem Chaos, um als Achter aus der ersten Runde zurückzukehren. Bis zu den ersten Boxenstopps in Runde 15 machte er zwei weitere Positionen gut. "Auf dieser Rennstrecke kann man sehr gut überholen und wir wussten, dass wir unsere Geschwindigkeit auf den Geraden nutzen können, und das haben wir getan", erklärte er.

Spätestens nach seinem Reifenwechsel für die harte Mischung in der 20. Runde lag er voll auf Kurs. Die durch den Kontakt zwischen Max Verstappen und George Russell ausgelöste Safety-Car-Phase brachte Ocon wieder in Schlagdistanz zu Gasly, der beim Restart in Runde 29 zwei Positionen vor ihm an vierter Stelle lag. Den Teamkollegen kassierte er innerhalb fünf Runden und überhörte die Stallregie seines Kommandostands dabei elegant.

"Pierre war auf älteren Reifen als ich. Als ich die Anweisung zum Halten der Position bekam, wusste ich nicht, dass ich die Position halten soll. Alles, was ich hörte, war 'Position', denn ich überholte ihn gerade in dem Moment, als es mir gesagt wurde", erklärte Ocon das Manöver in Runde 34 gegenüber Sky Sports F1. "Wenn mich das Team darum gebeten hätte, die Position zurückzugeben, hätte ich das natürlich sofort getan."

Eine Notwendigkeit dafür bestand ohnehin nicht, denn im Gegensatz zu ihm kam Gasly auf dem harten Reifen überhaupt nicht zurecht. "Ich hatte schon sehr früh Graining und hatte den Großteil der zweiten Rennhälfte einfach keine Pace. Ich habe so hart wie möglich verteidigt. Es war nach einem so guten Qualifying wirklich frustrierend", so der Franzose, der am Ende nur Elfter wurde.

Versöhnlicher Saisonabschluss in Aussicht

Für Ocon hielt das Momentum bis zur Zielflagge nach 50 Runden an. Zwar wurde er in der letzten Runde noch von Russell überholt, doch aufgrund der 5-Sekunden-Zeitstrafe für den Mercedes-Fahrer wegen seiner Kollision mit Verstappen, spielte das für Ocon keine Rolle. Der vierte Platz war ihm nicht mehr zu nehmen. "Gestern wurden wir verletzt und die Heilkraft meines Deadpool-Helms hat heute den Unterschied gemacht", flachste der Alpine-Fahrer.

In der Weltmeisterschaft rückte er mit dem Big Point auf vier Zähler an Gasly heran und hat die Chance, das teaminterne Duell beim Finale in Abu Dhabi doch noch für sich zu entscheiden: "Heute hat sich das Blatt endlich gewendet und wir haben ein mega Ergebnis geholt. Hoffentlich kann ich zum Saisonabschluss so weitermachen und sie in Abu Dhabi auf einem Hoch beenden. Dann wäre das ein gutes Ende für die Saison."