Die Stewards hatten nach dem Qualifying zum Mexiko GP reichlich zu tun. Gleich drei Zwischenfälle landeten auf ihrem Tisch, bei denen sich Formel-1-Piloten in der Boxenausfahrt falsch verhalten haben sollen. Max Verstappen, George Russell und Fernando Alonso saßen auf der Anklagebank. Alle drei waren im Q1 in der Boxenausfahrt extrem langsam gefahren und blieben teilweise sogar stehen. Obwohl die Szenen im Fahrerlager für große Diskussionen und auch Ärger sorgten, blieben die Beschuldigten straffrei.
Formel-1-Piloten oder Rennleiter in der Pflicht?
Schon in in Singapur gab es Ärger für Verstappen, weil er dort 14 Sekunden lang am Boxenausgang wartete. Damals erhielt der Weltmeister eine Verwarnung. "Weil es keine Strafen gibt, reizen alle das System immer weiter aus", klagt Lando Norris. "Wir sind nur noch von der Gnade der Piloten vor uns abhängig. Wir können nicht mehr planen, wann wir rausfahren." Teamchef Andrea Stella stimmte seinem Piloten zu: "Es muss sofort etwas dagegen unternommen werden."
Doch das sahen längst nicht alle so. Die Problematik tritt auf, seit Rennleiter Niels Wittich in Monza ein Mindesttempo auf allen Qualifying-Runden vorschrieb. Damit reagierte er auf die Problematik, dass es in den Outlaps immer wieder zu großen Geschwindigkeitsdifferenzen gekommen war. Vor allem im letzten Sektor staute es sich oftmals, weil dort alle Piloten den perfekten Abstand zum Vordermann finden wollten.
Ein Qualifying-Problem ersetzte das andere
Das Problem des letzten Sektors hat sich auf die Boxenausfahrt verschoben. "Wir alle wollen sechs bis acht Sekunden Abstand, wir sitzen alle im gleichen Boot", erklärt Carlos Sainz. Max Verstappen und Charles Leclerc ergänzten in der Top-3-Pressekonferenz fast wortgleich: "Und der einzige Ort, an dem man es nun machen kann, ist die Boxenausfahrt."
Teilweise warten die Piloten noch in der Boxengasse, teilweise nutzen sie noch den Weg von Boxenausfahrt bis zur zweiten Safety-Car-Linie (SC2-Linie), die sich etwas weiter dahinter befindet. Weil man eigentlich nicht grundlos in der Boxengasse stehenbleiben darf, versuchen sich die Fahrer im Schneckentempo zu bewegen. Aber durch den Rückstau kommt es immer wieder dazu, dass Autos stehenbleiben.
Ist die SC2-Linie einmal überfahren, sind den Piloten fast die Hände gebunden. In Mexiko ist das Problem besonders groß, weil die Strecke mit 4,304 Kilometern sehr kurz ist. Gleichzeitig neigen die Reifen schon auf einer Qualifying-Runde zum Überhitzen. Zu schnell will seine Outlap also niemand fahren. Deshalb versuchen alle, so nah wie möglich an der Delta-Zeit zu bleiben.
George Russell: Trotz 'Shitshow' Verständnis
Auch wenn Russell aus dem Cockpit noch über eine 'Shitshow' schimpfte, nach dem Qualifying hatte der GPDA-Präsident Verständnis für den Stau und die Delta-Zeit: "Wenn man diese Lücke nicht in der Boxengasse aufbaut, muss man das auf der Strecke machen. Für mich ist das ziemlich gefährlich, wenn du mit 10 km/h auf der Geraden fährst, während die anderen mit 330 km/h ihre schnellen Runden fahren."
So sahen es auch die Stewards. Im Urteil heißt es: "Die Stewards sehen die Zwischenfälle als direkte Folge auf die Einführung der Minimum-Zeit zwischen den SC-Linien an. Diese wurde (unserer Meinung nach korrekterweise) eingeführt, um gefährliches Auflaufen zu verhindern. Wir sehen auch, dass Fahrer die Minimum-Zeit respektieren, gleichzeitig Abstände zum Vordermann aufmachen müssen und dabei nicht am Boxenausgang stehenbleiben oder unnötig langsam fahren dürfen."
Tenor: Besser Blockade als gefährliche Situationen auf der Strecke
"Der Rennleiter sieht auch, dass diese gegensätzlichen Anforderungen existieren", heißt es im Urteil. Neben den beteiligten Fahrern und Teams wurde auch Wittich von den Stewards befragt. "Alle beteiligten Parteien, inklusive der Stewards, sind der klaren Meinung, dass es besser ist, diese Situationen in der Boxengasse zu haben, als möglicherweise gefährliche Situationen auf der Strecke, die aus großen Geschwindigkeitsdifferenzen resultieren", schlussfolgern die Stewards. Gleichzeitig regen die Stewards unter ihrem Vorsitzenden Garry Connelly für die Zukunft eine bessere Lösung an, sagen aber auch: "Wie die aussieht, ist noch unklar."
Neben der Problematik am Boxenausgang, gibt es noch weitere unglückliche Situationen durch die neue Regel. Fahren zum Beispiel zwei Piloten in einem unterschiedlichen Rhythmus, treffen sie aber auf Charge-Lap und Outlap an der SC2-Linie aufeinander, entwickelt sich ein regelrechtes Rennen zwischen den beiden, auf dem Weg zur nächsten schnellen Runde. Das konnte man zuletzt in Qualifyings mehrfach sehen, wenn es auf der Start- und Zielgeraden plötzlich zu Windschattenduellen kam. Ein Fahrer muss dabei seine Runde quasi automatisch abbrechen, weil er direkt hinter dem anderen Fahrer in die Runde startet.
diese Formel 1 Nachricht