Die zwischenzeitliche Euphorie über das letzte größere Mercedes-Update der Formel-1-Saison 2023 ist bereits nach einer Woche verflogen. Es hatte sich bereits nach dem Freitags-Training abgezeichnet, doch im Qualifying in Mexiko wurde Mercedes nach dem vielversprechenden Wochenende in Austin endgültig auf den harten Boden der Realität zurückgeholt. Lewis Hamilton belegte Platz 6, George Russell Platz 8. Die harte Arbeit über Nacht, die die beiden Piloten nach einem enttäuschenden Trainingsfreitag angekündigt hatten, zahlte sich nur bedingt aus. Das ist doppelt bitter für das Team, weil Max Verstappen auch auf dem Autodromo Hermanos Rodriguez erneut zu schlagen gewesen wäre, wie Ferrari mit einer reinen roten ersten Startreihe eindrucksvoll unter Beweis stellte.

Qualifying in Mexiko: Mercedes erlebt eine Achterbahnfahrt

Am Ende des zweiten Qualifying-Abschnitts sah es zunächst rosig aus für Mercedes. Hamilton beendete das Q2 mit der absoluten Bestzeit, George Russell folgte seinem Teamkollegen zwei Plätze dahinter ins Q3. Lediglich Max Verstappen, der nach einem starken ersten Run auf einen zweiten Versuch verzichtete, trennte die beiden Mercedes-Piloten. Im Q3 dann die Enttäuschung. Selbst Daniel Ricciardo in einem normalerweise deutlich langsameren AlphaTauri konnte sich auf Platz 4 am Ende vor Russell und Hamilton schieben. Das machte die Achterbahnfahrt für Mercedes perfekt.

"Es war ein Tag voller Höhen und Tiefen", resümierte George Russell. "In FP3 waren wir mit die Schnellsten. Dann in Q1 hatte das Auto plötzlich wieder keinen Grip. In Q2 hat sich das Auto wieder normal angefühlt und wir waren schnell. In Q3 ist wieder das Gleiche geschehen. Es ist sehr frustrierend, wenn so etwas passiert."

Lewis Hamilton, der nach dem Training vor allem die Inkonstanz seines W14 monierte, konnte zumindest etwas Positives aus dem Qualifying-Ergebnis ziehen. "Ich bin etwas zufriedener damit, wie sich das Auto im Qualifying angefühlt hat. Wir haben ein paar gute Veränderungen vorgenommen. Leider ist unser Auto einfach nicht schnell genug an diesem Wochenende", sprach Hamilton. Für das Rennen klang der siebenfache Weltmeister wieder etwas pessimistischer. "Überholen ist hier sehr schwierig, ich erwarte nicht viel."

Mercedes-Diva ist zurück: Unkonstant und schwankend

Vorhersagen über die Rennpace des W14 lassen sich ebenfalls nur bedingt treffen. Zwar glaubt Teamchef Toto Wolff, eine ordentliche Rennpace in den Freitagstrainings gesehen zu haben, doch hat das Team seitdem etliche Setupänderungen vorgenommen. Trackside Engineering Director Andrew Shovlin betont deshalb: "Wir haben über Nacht so viele Veränderungen vorgenommen, dass unsere Long-Run-Daten vom Freitag nicht besonders aussagekräftig sind, aber hoffentlich haben wir die Pace verbessert."

Mercedes-Fahrer Lewis Hamilton
Rückschlag für Mercedes, Foto: LAT Images

Auf einer Runde verhielt sich der schwarze Silberpfeil am Samstag jedenfalls extrem unkonstant. "Es war ein ziemlicher Albtraum, das Auto zu fahren", klagte Hamilton, der nach den nächtlichen Änderungen etwas zufriedener mit dem Fahrverhalten war. Trotzdem schwankte die Performance des W14 je nachdem, ob die Fahrer die Reifentemperatur ins Fenster brachten oder nicht. Ein paar Sekunden in die eine oder andere Richtung reichten auf der Out-Lap bereits, um die Pneus ins Arbeitsfenster zu bekommen oder aus diesem herauszurutschen. "Auf dem letzten Versuch hatten wir einen Satz neuer Reifen und haben auf der Out-Lap etwas anderes ausprobiert", verriet Russell. "Aber es hat nicht funktioniert und die Reifen waren nicht im Fenster."

Ärger verhindert: Mercedes springt Strafen von der Schippe

Für Mercedes hätte es sogar noch schlimmer kommen. Beiden Piloten drohte eine nachträgliche Strafe. Russell wird für Blockieren auf der Strecke untersucht, Hamilton für zu schnell fahren unter gelben Flaggen. Für Hamilton wäre es nach seiner Disqualifikation aus Austin die zweite nachträgliche Strafe in Folge, für Russell sogar die dritte innerhalb einer Woche. Doch die Stewards sahen von einer Strafe ab. Was genau war passiert?

Am Ende von Q1 kam es zu kuriosen Szenen am Boxenausgang. Insgesamt neun Autos stauten sich am Ende der Boxengasse und wollten für ihre finalen Runs auf die Strecke. An der Spitze machte Russell allerdings keine Anstalten loszufahren. Handgestoppte 34 Sekunden dauerte es, bis Russell sich auf seine Outlap begab. Zu einem ähnlichen Vorfall kam es im Qualifying für den Großen Preis von Singapur vor gut einem Monat. Protagonist war damals Max Verstappen, der nach einer Untersuchung allerdings ohne Strafe davonkam. Doch warum blieb Russell stehen?

Mercedes-Fahrer Lewis Hamilton im Parc Ferme
Hamilton entkam einer Strafe wegen Speeding, Foto: LAT Images

"Wenn jeder zum gleichen Zeitpunkt aus der Box kommt, ist es schwer, eine Lücke aufzubauen. Sie [FIA] haben uns angewiesen, nicht in der Boxengasse zu stoppen, aber wenn man diese Lücke nicht in der Boxengasse aufbaut, muss man das auf der Strecke machen. Für mich ist das ziemlich gefährlich, wenn du mit 10 km/h auf der Geraden fährst, während die anderen mit 330 km/h ihre schnellen Runden fahren. Ich weiß nicht, was ich sonst hätte tun können", verteidigte sich Russell nach dem Qualifying.

Lewis Hamiltons Vorfall ereignete sich ebenfalls im ersten Qualifying-Abschnitt. Auf seinem finalen Run drehte sich sein ehemaliger Teamkollege Fernando Alonso am Ausgang von Kurve 3 und stand um 180 Grad gedreht beinahe auf der Ideallinie. Die Marshals schwenkten folgerichtig gelbe Flaggen. George Russell verlangsamte daraufhin deutlich, fuhr im ersten Sektor eine 29.752.

Hamilton hingegen verlangsamte nach dem Hinweis seines Renningenieurs Peter 'Bono' Bonnington, dass nur eine einfache gelbe Flagge geschwenkt sei, deutlich weniger. Er fuhr mit einer 27.904 nur drei Zehntel langsamer als in seinem ersten Versuch in Sektor 1. Für das Weiterkommen hätte allerdings auch seine erste gezeitete Runde gereicht. Doch die gelben Flaggen konnten zahlreiche Piloten sich nicht verbessern, was unter anderem Lando Norris im Q1 ausknockte.