Mit einem dominanten Sieg im Sprint am Samstag hat sich Max Verstappen nach einem schwierigen Start ins Austin-Wochenende eindrucksvoll zurückgemeldet. Die wirkliche Herausforderung folgt aber heute im Rennen. Nur Startplatz sechs für Verstappen. Red Bull zittert vor der Konkurrenz, die beim USA-GP den Weltmeister penetrant umschwirrt. Sind das echte Gefahren, oder leicht zu zerquetschen? Der Favoritencheck analysiert.

Red Bull nimmt die Gefahr ernst. Man hat guten Grund dazu. Das Wochenende in Austin verläuft bis jetzt überwiegend nicht nach Wunsch. Die absolute Pace ist es, die Sorgen macht. In nur einem Training war man von einem in den letzten zwölf Monaten deutlich welliger gewordenen Circuit of the Americas unangenehm überrascht worden.

Die Bodenwellen erzwangen ein Höherlegen des Autos. Das Sprint-Wochenende verhinderte dann ein Verifizieren dieser Änderungen und ein Feintuning. In keiner einzigen Session war Verstappen dran am Optimum von dem, was sich Red Bull besonders im aus schnellen Kurven bestehenden ersten Sektor erwartet hatte. Entsprechend scheiterte er am Freitag an der Pole für den Grand Prix.

Lewis Hamilton & Lando Norris: Schwere Hürden für Verstappen

In einer fehlerbehafteten Runde schaffte es Verstappen nur auf Platz sechs. Von den fünf Autos vor ihm streicht Red Bull am Samstagabend zwei Fahrer besonders hervor: Den von Platz zwei startenden Lando Norris und den von Platz drei startenden Lewis Hamilton.

"Vor allem Norris ist, wenn man die Gesamtzeiten betrachtet, sehr schnell gewesen, und dieses Auto ist auch auf der Geraden schnell", analysierte Dr. Helmut Marko nach dem Sprint auf ServusTV den McLaren. Das Sprint-Ergebnis von Norris reflektiert nicht ganz das Potenzial von McLaren: Beim Start war er hinter Carlos Sainz zurückgefallen. Der aber hatte als einziger überwiegend nutzlose Soft-Reifen montiert.

McLaren-Pilot Lando Norris nach dem Start vor Carlos Sainz Jr. im Ferrari
Lando Norris war im Sprint in Positionskämpfe verwickelt, Foto: LAT Images

Norris steckte trotzdem bis Runde 10 hinter Sainz fest, ehe dessen Reifen so stark nachließen, dass er vorbeikam. Das Problem ist die Kombination aus Hitze und schnellen Kurven. Das lässt ein Auto in diesen Passagen schnell rutschen, wenn es in der verwirbelten Luft eines Konkurrenten fährt. Das strapaziert wiederum die Reifen in einer Tortur, von die sie sich nie mehr ganz erholen können. Denn der Verschleiß ist in Austin schon grundsätzlich sehr hoch.

Hamilton erlebte Ähnliches. Zu Sprint-Beginn lag er hinter Verstappen auf Rang zwei und versuchte Druck auszuüben. Ab Runde fünf begann er abzustürzen. So kann Verstappen im Sprint zwar die besten Rundenzeiten vorweisen, fuhr jede einzelne Runde unter 1:40. Aber der viertplatzierte Norris schaffte in Runde 17 noch eine 1:40,0, ehe er zum drittplatzierten Charles Leclerc aufschloss und wieder feststeckte. Das ist das Warnsignal für Red Bull.

Hamilton & Norris brauchen in Austin Charles Leclercs Hilfe

Während Norris und Hamilton signifikant Zeit damit verbrachten, in der verwirbelten Luft eines Konkurrenten Druck zu machen, hatte Verstappen 19 Runden lang nämlich freie Fahrt und perfekte Bedingungen. Wenn er heute von Platz sechs losfährt, ist er der im Verkehr. "Natürlich nimmst du die Reifen anders ran, wenn du durch das Feld musst", warnt Red-Bull-Teamchef Christian Horner. Einen einfachen Sieg sieht er sicherlich nicht: "Es wird ein herausforderndes, aber aufregendes Rennen."

Zünglein an der Waage droht in diesem Rennen Polesitter Charles Leclerc zu werden. Warum hier im Favoritencheck Hamilton und Norris, nicht aber Leclerc genannt wurden? Weil der Ferrari in Austin zwar auf eine Runde sehr schnell ist, mit vollen Tanks aber die Hinterreifen zu stark beansprucht. "Fahrerisch habe ich denke ich heute alles maximiert", resignierte Leclerc nach dem Sprint und zweifelt, dass er sich noch steigern kann. Die Pace von Mercedes oder McLaren hat er nicht.

Im Angesicht dieser Umstände ist es für Norris und Hamilton von äußerster Dringlichkeit, schnell an Leclerc vorbeizugehen. "Das wird mein Rennen mit Sicherheit deutlich einfacher machen", weiß Norris. Denn die beiden Briten haben einen weiteren Nachteil: Carlos Sainz startet von vier, damit ist Ferrari vorne von allen Teams für Strategie-Spiele am besten aufgestellt. Hamiltons Kollege George Russell steht nur auf fünf, Norris' Parter Oscar Piastri gar nur auf zehn.

Verstappen-Vorteil in Austin trotzdem zu groß?

Während Red Bull auf die Gefahr schwört, zweifelt die Konkurrenz an der Ernsthaftigkeit. "Im Rennen, wenn die Reifen abbauen, kann man sehen, dass Red Bull deutlich mehr Performance herausholen kann", glaubt McLaren-Teamchef Andrea Stella. Letztendlich war der Red Bull am Ende des Sprints über sieben Zehntel schneller als Norris und eine Sekunde schneller als Hamilton.

Auch wenn die beiden ihre Reifen verkehrsbedingt unverhältnismäßig stärker beansprucht hatten als Verstappen, so ist eine Sekunde eine Menge Holz. Stella bleibt also nüchtern: "Dementsprechend erwarten wir, dass Verstappen im Rennen schnell durch das Feld pflügen wird."

"Er hat sicher eine halbe Sekunde Vorteil gegenüber all den Autos vor ihm", schätzt Lewis Hamilton ähnlich pessimistisch den tatsächlichen Vorteil bei vergleichbaren Bedingungen ein. "Das sollte reichen, um vorbeizukommen. Auch wenn es Verschleiß gibt und diese ganzen Dinge, Strategie und so, nehme ich trotzdem an, dass er relativ schnell nach oben klettern wird." Mit der langen Geraden bietet Austin auch einen guten Überholspot mit DRS.

Red Bull-Pilot Max Verstappen führt vor Lewis Hamilton im Mercedes
Verstappen konnte Hamilton nur anfangs nicht abschütteln, Foto: LAT Images

Nicht zu vergessen ist schließlich noch das Wetter. Heute könnten am Nachmittag erstmals Wolken über den heißen Circuit of the Americas ziehen. Wie immer ist es dann schwierig vorherzusagen, wie sich die in dem Fall schnell sinkenden Streckentemperaturen auf die Reifen auswirken würden. Aber zumindest die Lufttemperatur soll weiterhin über 30 Grad bleiben.

Eine Zweistopp in einer Medium-Hard-Kombination gilt als gesetzt, aber wie genau wird sie ablaufen? McLaren hat sich strategisch anders vorbereitet, hat zwei neue Hard und einen neuen Medium gespart. Mercedes, Red Bull und Ferrari haben einen Hard zurückgegeben, nur mehr einen in der Garage. Dafür haben sie mehr neue Medium.