Beim Großen Preis von Katar hagelte es schon zum zweiten Mal in der Formel-1-Saison 2023 unzählige Track-Limit-Verstöße. Zuletzt war das beim Österreich GP der Fall. Die Ausmaße sorgten nicht nur im Fahrerlager für reichlich Zündstoff, auch die Fans ärgerten sich über das Chaos während der Übertragung. Motorsport-Magazin.com betrachtet die Strecken, die im Jahr 2023 bisher am häufigsten von Track-Limit-Verstößen betroffen waren und welche Maßnahmen im Zuge dessen getroffen wurden.

Österreich GP ist (bisheriger) Track-Limit-Champion 2023

In Österreich ist die Auslaufzone in den Kurven 9 und 10 hinter den Kerbs asphaltiert, Foto: LAT Images
In Österreich ist die Auslaufzone in den Kurven 9 und 10 hinter den Kerbs asphaltiert, Foto: LAT Images

In Sachen Track-Limit-Vergehen konnte der Katar GP den Österreich GP nicht vom Thron stoßen. Mit 127 Delikten reihte sich die Strecke im Wüstenstaat hinter dem Red Bull Ring ein. Der Große Preis von Monaco liegt bisher an dritter Stelle. Der Übeltäter? Die Nouvelle-Schikane. 2022 übertraten im Rennen nur 15 Fahrer die Limits in Kurve 10 und 11. Ein Jahr später schoss die Anzahl mit 23 Vergehen allein in Kurve 10 in die Höhe.

Das Chaos auf dem Red Bull Ring konnte 2023 jedoch nicht übertroffen werden. 1.200 potenzielle Vergehen wurden über das gesamte Wochenende hinweg gemeldet. Insgesamt wurden den Piloten 150 Runden aberkannt. Im Qualifying strich die Rennleitung 47 Rundenzeiten, im Shootout 13, im Sprint 7 und im Rennen 83. Allein 148 Verstöße hatten in Spielberg ihren Ursprung in den Kurven 9 und 10.

Die beiden Kurven sind im Formel-1-Kalender ein beliebter Schauplatz für zahlreiche Track-Limit-Verbrechen. "Wir wussten vor dem Wochenende, dass Track Limits ein Problem sein würden, das sind sie seit 25 Jahren", so Ferrari-Teamchef Frederic Vasseur nach dem Grand Prix in Spielberg.

Am Trainingsfreitag hatte man bereits mit der Idee gespielt, die weiße Linie breiter zu machen. Eine Maßnahme, die laut Max Verstappen zumindest in 75 Prozent der Fälle geholfen hätte, da die Fahrer die Linie wegen der großen Reifen und Kotflügel kaum noch erkennen konnten. "Aber dann konnten sie die weißen Linien nicht breiter machen, weil es regnete", sagte der Red-Bull-Pilot. So wurde für das restliche Wochenende lediglich das Straf-System angepasst.

Nach Österreich-Farce: Das waren die Lösungsvorschläge

Die Fahrer und Teams forderten nach dem Chaos Lösungen. Neben einer breiteren weißen Linie gab es noch drei weitere Maßnahmen, die nach dem Wochenende auf dem Red Bull Ring zur Debatte standen:

  • Automatische Mess-Systeme
  • Kiesbetten
  • Änderung der Track-Limit-Regeln

Derzeit macht die Königsklasse von einem elektronischen Messschleifensystem Gebrauch, das mögliche Vergehen an die Rennleitung sendet. Das Problem? Die Meldungen müssen am Ende noch durch einen Linienrichter bestätigt werden. Bei 1.200 Meldungen - wie in Österreich - wird die Überprüfung zur Mammutaufgabe. Das Resultat: lange Wartezeiten. Die Fahrer erfahren nicht sofort von ihren Verstößen. Und so drehen die Piloten ihre Runden unter der Annahme, dass sie keine Fehler machen, obwohl das gar nicht der Fall ist.

Ferrari-Teamchef Frederic Vasseur machte deshalb den Vorschlag, auf die Messsysteme anderer Sportarten zurückzugreifen. Als Beispiel nannte er den Fußball, der sich mehr und mehr an Überwachungs-Technik bedient. "Ich denke, wir könnten so eine Art von System einführen", so Vasseur. Der Nachteil: Die Einführung würde eine langfristige Planung voraussetzen.

Formel-1-Fans wünschen sich in Kurve 9 und 10 wieder Kiesbetten, Foto: Getty Images / Red Bull Content Pool
Formel-1-Fans wünschen sich in Kurve 9 und 10 wieder Kiesbetten, Foto: Getty Images / Red Bull Content Pool

Die beliebteste Maßnahme der Formel-1-Piloten und Fans? Die Kiesbetten. Doch auf Verbands-Instanz stellt sich dieser Vorschlag immer wieder als Streitthema heraus. Teilt sich die Formel 1 die Strecken mit der MotoGP, wie es auch in Österreich der Fall ist, so ist die Durchsetzung nahezu unmöglich. Die Kiesbetten sind für die Motorrad-Fahrer zu gefährlich.

Zuletzt gab es noch die Überlegung, die Track-Limit-Regeln zu ändern. Das heißt, dass nicht mehr die weiße Linie die Streckenbegrenzung bildet, sondern die rot-weißen Kerbs nicht überschritten werden dürfen. Laut George Russell würde diese Vorgehensweise - aufgrund der unterschiedlichen Kerbs an jeder Strecke - nur für Verwirrung sorgen: "Ich verstehe aber die Fan-Sicht, dass es schwierig zu verstehen ist, wenn man von einer Woche zur nächsten andere Regeln hat."

Katar GP wird zum Track-Limit-Trittbrettfahrer

In Katar gab es - zumindest kurzzeitig - Licht am Ende des Tunnels. Der Umbau des Lusail International Circuit sollte 2023 in Sachen Track Limits klare Verhältnisse schaffen. Hinter den Kerbs wurden circa anderthalb mal zwei Meter große Betonplatten verbaut, die je nach Rennserie oder Trackdays gewendet werden können. Für die Königsklasse bildet die Oberfläche gefestigter Kies. Die Maßnahme hätte das Track-Limit-Problem endgültig lösen sollen.

Track Limits für den Katar GP 2023
Die FIA musste beim Katar GP 2023 die weiße Linie in den Kurven 12 und 13 verlegen, Foto: FIA

Außerdem kamen im Vergleich zu Österreich auch deutlich mehr Linienrichter zum Einsatz und damit ging auch die Überprüfung der Meldungen schneller über die Bühne. Doch all die Fortschritte waren vergebens: Denn mit dem Pirelli-Drama gingen kurzfristig auch neue Track Limits einher. Um die Reifen von den aggressiven Pyramiden-Kerbs zu schützen, hat die FIA in den Kurven 12 und 13 die Streckenbegrenzung weiter nach innen verlegt.

Am Samstag hatten die Fahrer in einem kurzen Eingewöhnungs-Training die Möglichkeit, sich mit den neuen Limits vertraut zu machen. Von großem Nutzen war das Zusatz-Training für die Fahrer aber nicht: Im Shootout stiegen die Track-Limit-Vergehen stark an. Die Rennleitung hat insgesamt 31 Rundenzeiten aberkannt. In Österreich lag der Wert in dieser Session mit 13 Vergehen deutlich unter dem vom Qualifying (47).

Für das restliche Wochenende war insbesondere in den Kurven 12 und 13 ein Negativtrend zu erkennen. Im Shootout musste die Rennleitung in diesen Kurven insgesamt 13 Runden streichen, im Sprint 5 und im Rennen 18. Vor der Änderung der Limits hatten nur zwei Fahrer die Linie in Kurve 12 überschritten.

Steht die nächste Track-Limit-Farce vor der Tür?

Die nächste Track-Limit-Welle könnte schon bevorstehen. Am 20. Oktober macht die Königsklasse in den USA Halt. Im vergangenen Jahr wurden auf dem Circuit of The Americas 35 Rundenzeiten gestrichen. 2023 droht es sogar noch mehr zu werden: Austin trägt 2023 erstmals ein Sprint-Rennen aus. Das Chaos in Österreich wird wohl trotzdem unangefochten bleiben.