Die Formel 1 hadert nach Österreich mit dem Thema Track Limits. Plötzlich aufgekommen, und doch so erwartbar, wie das Fahrerlager ein paar Tage später feststellen muss. "Wir wussten vor dem Wochenende, dass Track Limits ein Problem sein würden, das sind sie seit 25 Jahren", akzeptiert Ferrari-Teamchef Frederic Vasseur. Spielberg ist das Worst-Case-Szenario im Kalender. Die Farce hatte sich abgezeichnet.
So schlimm sollte es im Formel-1-Kalender 2023 nirgends mehr werden, aber einmal zwölf Strafen nach dem Rennen auszusprechen ist schon einmal zu viel. "Also Sport können wir nicht noch so ein Wochenende zulassen", mahnt Carlos Sainz, eines der Opfer. Er war von P4 auf P6 zurückgefallen, während er schon im Flugzeug saß. In Silverstone werden rundherum Verbesserungen gefordert. Die Fahrer sind führend. "Mit den aktuellen Lösungen sehen wir momentan einfach nicht gut aus", stellt Max Verstappen klar.
Sainz wird am Donnerstag in Silverstone deutlich: "So viele Lösungen wurden angeboten. Leider schieben wir es immer auf. Wie bei einem Wecker. Aufschieben, aufschieben, anstatt dass wir für diese Art von Strecken etwas machen. Für mich ist es jetzt Zeit, das in die Hand zu nehmen." Automatische Mess-Systeme, breitere weiße Linien, Kiesbetten oder gar ganz andere Track-Limit-Regeln stehen zur Debatte. Alle diese Punkte sind aber nicht über Nacht einzuführen.
Kann die Formel 1 das Track-Limit-System automatisieren?
Das Automatisieren ist das erste Thema. Momentan gibt es zwar Messschleifen, die mögliche Verstöße an die Rennleitung melden, aber das System benötigt eine Bestätigung durch einen menschlichen "Linienrichter". In Österreich wurden 1.200 Vergehen gemeldet. Das Problem wurde da schnell auch für den Zuseher ersichtlich. Nico Hülkenberg bekam erst die Verwarnungs-Flagge gezeigt, als er bereits ausgefallen war.
Die Fahrer erfahren so für ihren Geschmack erst viel zu spät von der Übertretung. Im Cockpit sehen sie wegen der großen Reifen und Kotflügel nicht mehr, wie nahe sie der Linie wirklich sind. Wenn sie erst mit zehn Runden Verspätung eine letzte Warnung erhalten, dann heißt das nichts anderes, als dass sie diese zehn Runden in der Annahme weitergefahren waren, dass alles in Ordnung sei. Und im schlimmsten Fall zehn Mal über die Linie.
"Ich wäre sogar happy, die Regeln so zu lassen, wenn du eine [Messschleife] hast, denn die Schleife sagt mir wenigstens sofort, ob ich die Track Limits übertreten habe", meint Carlos Sainz. "Dann weiß ich, dass ich es korrigieren kann."
Ferrari-Teamchef Frederic Vasseur erinnert sich an Tests eines solchen Systems in der Formel 3, und führt andere Sportarten wie Tennis oder Fußball als Beispiele an, bei denen das Kreuzen von Linien eine wichtige Rolle spielt und in denen mehr und mehr Technik zum Überwachen dieser Einzug hält: "Ich denke, wir könnten so eine Art von System einführen." Wie viel man aus anderen Sportarten technisch wirklich auf die Formel 1 übertragen könnte, ist aber unklar.
Hätte die Formel 1 in Österreich mehr tun können?
Bis so eine technische Lösung ausgereift ist, könnte es also dauern. Daher geht es zurück zur Frage, was an der Strecke verändert werden könnte. Eine Lösung ist simpel: Eine dickere weiße Linie, die für die Fahrer im Cockpit besser zu sehen ist. So geschehen schon in Barcelona.
Max Verstappen brachte diese Idee schon gegenüber Rennleiter Niels Wittich in Österreich am Freitag zur Sprache: "Sie wollten die weißen Linien etwas breiter machen, aber dann konnten sie nicht, weil es regnete. Das war Pech." Verstappen schätzt, dass eine verbreiterte weiße Linie schon in 75 Prozent der Fälle geholfen hätte.
Das Kiesbett als offensichtliche Track-Limit-Lösung?
Langfristig sehen die Formel-1-Fahrer das Wiedereinführen eines Kiesbetts an solchen kritischen Stellen als die wahre Lösung. "Für uns ist es kein Problem, dort Kies zu haben", glaubt Verstappen. "Aber die Rennstrecke hat auch andere Serien zu Gast, da geht es um viel Geld." Es beginnt bei der MotoGP, die kein Kies direkt hinter dem Kerb möchte, und endet bei Track Days, bei denen Privatfahrer nicht verunfallen oder steckenbleiben möchten.
"Außerdem hat Kies den Nebeneffekt, dass es sofort überall verteilt wird, wenn Autos rausfahren, und das ist gefährlich", zweifelt Frederic Vasseur weiters an, ob es wirklich eine so simple Lösung wäre. "Ich weiß nicht, ob es für die Formel 1 funktionieren könnte. Wir müssen mit der FIA darüber sprechen, und dürfen auch nicht wegen Spielberg polemisch werden."
Rückkehr zu alten Track-Limit-Regeln?
Eine weitere schnelle Lösung wäre, die weiße Linie wie vor 2022 nicht mehr als Limit herzunehmen, sondern den ersten, rot-weißen Kerb. Je weiter man rausfährt, desto größer wächst dann das Risiko, dass man mit dem Unterboden auf dem Kerb aufsitzt. Das kostet dann echte Zeit, und gibt dem Fahrer das nötige Feedback um das Limit aufzuzeigen.
"Ich verstehe aber die Fan-Sicht, dass es schwierig zu verstehen ist, wenn man von einer Woche zur nächsten andere Regeln hat", hebt George Russell das Problem hiermit hervor. Nicht jede Kurve hat die gleichen Kerbs. Es müsste wieder von Woche zu Woche, von Kurve zu Kurve angepasst werden.
Die Fahrer kommen damit wieder und wieder auf Kies zurück. "Letztendlich müssen die Strecken einfach einen besseren Job abliefern, damit wir uns nicht in dieser Situation finden", lautet Russells Fazit. Die Aufgabe der FIA ist es nur bedingt: "Ich habe Verständnis für die FIA. Was kannst du schon machen?"
Formel 1 Silverstone 2023: Der Zeitplan
- Freitag:
13:30 Uhr - 14:30 Uhr: 1. Freies Training
17:00 Uhr - 18:00 Uhr: 2. Freies Training - Samstag:
12:30 Uhr - 13:30 Uhr: 3. Freies Training
16:00 Uhr - 17:00 Uhr: Qualifying - Sonntag:
16:00 Uhr: Rennen (52 Runden)
Alle Infos zu den TV-Zeitplänen der Formel 1 von Sky, ORF und Co. gibt es hier in der Übersicht.
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