Formel 1 ohne Aufreger gibt es nicht. Polit-Drama gehört genauso zu diesem Sport wie Aerodynamik. 2023 boten ausgerechnet die beiden Organisationen ganz oben die größten Konflikte. Zwischen dem Automobil-Weltverband FIA und dem F1-Management FOM ging es heiß her. Das beschäftigt viele der Redakteure von Motorsport-Magazin.com an Tag zwei der großen Saison-Rückblicke. Mit der Frage nach dem größten Aufreger.

FIA & FOM überragen 2023 das Sportliche

FIA vs F1
von Christian Menath
Das Gegenteil von gut ist nicht böse, sondern gut gemeint. Es hat sich abgezeichnet, dass die Beziehung zwischen Formel 1 und FIA unter Präsident Mohammed Ben Sulayem komplizierter wird. Im Wesentlichen hat der Präsident damit auch recht, die FIA muss ein Gegenpol zu Liberty Media sein, die FIA muss für den Sport einstehen - genau dafür gibt es diese Trennung. Reibung muss nicht schlecht sein. Allerdings schießt die FIA auch ab und an über das Ziel hinaus und die Formel 1 hilft nicht gerade dabei, die Gräben zu verkleinern. Ich habe Angst um unseren Sport.

20 Milliarden Gründe für Streit
von Florian Niedermair
Der Zwist zwischen der FIA und der FOM war ein tragendes Element in der F1-Daily-Soap dieses Jahres. Eine Episode davon geriet fast schon in Vergessenheit: Im Januar wurde bekannt, dass der staatliche Saudi-Investmentfonds die Formel 1 kaufen wollte - um 20 Milliarden US-Dollar. Als sich FIA-Chef Mohammed Ben Sulayem zu diesem "überteuerten" Preis äußerte, wurde er in einem scharfen Brief in die Schranken gewiesen. Unterm Strich kam es trotz des Milliarden-Angebots zu keinem Verkauf - angesichts der Interessenten wohl besser so. Aber das Klima zwischen F1 und FIA war trotzdem vergiftet.

Track Limits: Wie lange noch, FIA?
von Markus Steinrisser
1.200 mögliche Verstöße in Österreich untersuchen zu müssen ist schlimm, und ich habe alles Mitleid der Welt mit den vier Leuten, die jeden einzelnen checken mussten. Ja, vier. Es dauerte nur bis zur Rennmitte, bis sie überlastet waren. Fahrer, die nicht einmal wussten, dass ihnen Strafen drohten. Bis neun Uhr abends warten, nach einem Protest 13 nachträgliche Strafen in Empfang nehmen. Ich sage nur ein weiteres Mal: Das Problem war abzusehen gewesen. Bleibt nur zu hoffen, dass die hochgelobte KI und "Computer Vision" (klingt irgendwie nach Sponsor eines 80er-Hinterbänklers, sorry) jetzt wenigstens Verstöße zeitnah erfasst. Wenn wir schon kein Kies bekommen.

Der unglückliche FIA-Präsident
von Moritz Wimmer
Sei es ein öffentlich in Frage gestelltes Kaufangebot der Formel 1 oder eine mehr als fragwürdige Compliance-Untersuchung gegen Toto und Susie Wolff. Die FIA und insbesondere ihr Präsident Mohammed Ben Sulayem haben in dieser Saison häufig ein unglückliches Bild abgegeben. Ich mache meinen Aufreger des Jahres daher nicht an einem Ereignis, sondern an der Person Ben Sulayem fest, der 2023 für seine Position zu oft negativ in den Schlagzeilen stand. Sein Engagement für Andretti in allen Ehren, aber die Auftritte Ben Sulayems waren in dieser Saison oftmals nicht eines FIA-Präsidenten würdig.

Hamilton lässt FIA-Trophäe stehen
von Carina Teifelhard
Zum Jahresende sorgte die FIA in der Causa-Wolff noch einmal für Zündstoff. Der Wirbel rund um einen angeblichen Interessenskonflikt zwischen dem Mercedes-Team und der Formel 1 sorgte für den Dachverband von vielen Seiten für heftige Kritik. Mein Highlight war in diesem Fall ganz klar Lewis Hamiltons "stille Geste" nach der FIA-Gala. Wer hätte gedacht, dass eine stehen gelassene Trophäe für den dritten Platz die Gerüchteküche wieder zum Brodeln bringt. Die Kritiker können jedenfalls wieder aufatmen: Die Trophäe wurde nicht verschenkt, nur von den Offiziellen ans Team geschickt.

Lewis Hamilton auf der FIA-Gala 2023.
Viel Drama um diese eine Trophäe, Foto: FIA

Ausschluss der Fans in Las Vegas
von Tobias Mühlbauer
Dass sich ein Gullideckel löst und bei der groß gehypten Las-Vegas-Premiere gleichmal den Ferrari von Carlos Sainz zerlegt, war sicherlich Wasser auf die Mühlen aller Kritiker des Events. Auch dass Sainz danach eine Grid-Strafe bekam, erregte die Gemüter. Was aber wirklich der Skandal war: An diesem Freitag wurden zahlende Fans aufgrund des verzögerten Zeitplanes vorzeitig nach Hause geschickt, obwohl die Formel 1 noch fuhr. Und die Preise in Las Vegas waren so absurd, wie der Hype um das Event selbst. Eine absolute Frechheit, nichts anderes!

Hitze-Diskussionen
von Isabelle Grasser
Es war das heißeste Rennen der F1-Saison 2023 – buchstäblich. Beim Katar-GP waren viele Piloten mit den Kräften am Ende. Manche übergaben sich im Cockpit, anderen wurde schwarz vor Augen. Die Fahrer beschwerten sich, die FIA zeigte Einsicht. Dennoch hagelte es Macho-Meinungen, besonders von Personen, die seit Jahrzehnten nicht mehr im Auto saßen, oder das noch nie taten. Die heutigen Piloten seien verweichlicht und müssen das aushalten, hieß es. Das muss 2023 wirklich nicht mehr sein. Besser: Die Sicherheit geht vor und es war nicht die beste Idee, zu dieser Jahreszeit in Katar rennzufahren.

Toto Wolff vs. das meistgelesene Medium der Welt
von Rebekka Bauer
Max Verstappen brach 2023 Rekorde am laufenden Band, nur einer war davon absolut nicht beeindruckt. "Mir sind alle Statistiken wurscht, auch die eigenen damals", so Toto Wolff. "Die sind schon von gestern. Die stehen auf Wikipedia, das sowieso niemand liest." Es folgte ein mehr oder weniger lustiger Schlagabtausch zwischen Mercedes und Red Bull über die Bedeutung einer Internetseite. Am Ende ruderte Toto Wolff zurück und sah ein, dass er in seinem Leben schon intelligentere Aussagen getroffen hat. Trotzdem: Das Bild eines schlechten Verlierers bleibt. Im Zweifelsfall Wikipedia konsultieren.

Gestern waren wir schon mit dem ersten Teil der Serie unterwegs - den größten Überraschungen. Die gibt es hier: