Track Limits konstant und mit Vernunft auszulegen und bestrafen, für die Formel 1 ist das ein Ding der Unmöglichkeit. Spätestens nach Katar ist das offensichtlich. Es war eine schöne Idee, 2022 nach der Umstrukturierung der Rennleitung hart durchzugreifen. Weiße Linie überfahren? Strafe. Zeit gestrichen. Nur scheint niemand über Strafen und Konsequenzen nachgedacht zu haben. Statt Lösungen wird von einer Farce zur nächsten gestolpert.

Verwirrung pur? Formel 1 straft Track Limits jedes Rennen anders ab

Positiv ist seit 2022 sicher, dass man nicht jedes Rennen mehrere verschiedene Regeln in mehreren Kurven hat. Die alte Strategie, einst unter dem langjährigen Rennleiter Charlie Whiting etabliert, hatte aber auch einen Grund. Es war Track-Limit-Politik mit Hausverstand. Regeln so fest- und auslegen, dass es den Fahrern leichter fällt, sie einzuhalten. Etwa in den letzten Österreich-Kurven. Es ist eine Hilfe, sich am Kerb statt an der Linie orientieren zu können. Eine relativ harte Straf-Gangart war daher ohne Probleme Standard. Strafen gab es schließlich nicht so oft.

  • 3. Übertretung: Verwarnungsflagge
  • 4. Übertretung: + 5 Sekunden / + 1 Strafpunkt
  • 5. Übertretung: + 10 Sekunden / + 1 Strafpunkt

Die Konsequenzen der Null-Toleranz-Politik wurden 2022 in Österreich erstmals sichtbar. Abgestraft wurde nach dem bewährten Muster. Das hielt aber nicht lange. Der Strafpunkt geriet ins Fadenkreuz. Nachdem Pierre Gasly für unschuldiges Abkürzen in Mexiko bis auf zwei Punkte an eine Rennsperre herankam, wurde das Strafpunkt-System überdacht. In Bahrain zeigte das der abgeschlagene und experimentierende Nico Hülkenberg, der sich fünf Übertretungen einhandelte.

  • 3. Übertretung: Verwarnungsflagge
  • 4. Übertretung: + 5 Sekunden
  • 5. Übertretung: + 10 Sekunden

Dann kam Österreich wieder. 1.200 potenzielle Übertretungen überforderten 2023 die Linienrichter. Stundenlang hieß es nach einem Protest Warten auf das Ergebnis. Schon im Rennen schien der Überblick verloren. Zuerst fünf Sekunden für die vierte Übertretung. Wer einen Monitor der Rennleitung vor sich hatte, konnte bald fünf bei mehreren Fahrern zählen, aber die üblichen 10-Sekunden-Strafen kamen nicht. Erst nach dem Rennen erst legten die Stewards aufgrund von bis zu 10 Verstößen pro Fahrer ein angepasstes Strafmuster fest.

  • 3. Übertretung: Verwarnungsflagge
  • 4. Übertretung: + 5 Sekunden
  • 5. Übertretung: + 10 Sekunden
  • 9. Übertretung: + 5 Sekunden
  • 10. Übertretung: + 10 Sekunden

Aufgabe des Prinzips "Strafe für jeden Verstoß ab Nummer 4" war das, um es nicht noch schlimmer zu machen. Nachdem die Linienrichter im Rennen nicht nachgekommen waren und die Fahrer daher während dem Rennen nicht wussten, wie schlimm es tatsächlich um sie stand. Wer letztes Wochenende in Katar zuschaute, merkte aber schnell, dass das Österreich-System wieder aufgegeben wurde.

  • 3. Übertretung: Verwarnungsflagge
  • Jede weitere Übertretung: + 5 Sekunden

Formel 1 bei Track Limits völlig ohne Übersicht

Damit sind wir beim ersten Problem. Die Track Limits werden jetzt konstant ausgelegt, aber jedes Rennen neu bestraft. Weder im Sportlichen Reglement noch in den Event-Notizen des Rennleiters steht ein explizites Straf-System. Eigentlich gibt es keinen guten Grund dafür. Die Definition von Track Limits steht dort. Die Straf-Optionen stehen dort. In ähnlichen Szenarien wie Fehlstarts wird explizit auf Strafen verwiesen.

Der erste Schritt muss es da jetzt einmal sein, auch die Strafen zu normieren. Bevor wir uns dem eigentlichen Problem zuwenden, nämlich dass wir in Katar noch immer 12 Strafen in Sprint und Rennen hatten. Würden wir das Katar-System auf Österreich 2023 anwenden, gibt es im Rennen allen ganze 36 5-Sekunden-Zeitstrafen.

Sicher, der Österreich-Wert ist darauf zurückzuführen, dass die Linienrichter nicht nachkamen und uninformierte Fahrer einfach weiterfuhren, ohne zu wissen, dass ihre Linien knapp Verstöße auslösten. In Katar besserte die Rennleitung bei den Beobachtern nach, die Prozesse wurden beschleunigt, und es gab im Rennen keine signifikanten Delays.

Die Track-Limit-Krise benötigt weitere Handlungen

Dafür braucht man sich jetzt aber nicht zu feiern. Wir haben noch gar nicht vom Qualifying gesprochen. Mal im Ernst: Wer freute sich am Samstag noch auf das Shootout-Q3? Wir wussten doch alle, dass 50 Prozent der Session aus Replays von Autos auf weißen Linien bestehen würde. Nachdem am Freitag in den Interviews nach dem Qualifying fünf Fahrer durch die ersten drei Plätze rotierten, während Rundenzeiten gestrichen wurden.

Polesetter Max Verstappen, George Russell und Oscar Piastri im Parc Ferme
Tut uns leid, Oscar, aber nein, kein dritter Platz, Foto: LAT Images

Besser wird es erst, wenn es weniger Verstöße gibt. Es bleibt dabei: Alle Kerb-Lösungen, die in den letzten Jahren ausgetestet wurden, haben nicht funktioniert. Wir kehren damit zurück zum Anfang: Vielleicht wäre der Hausverstand-Ansatz doch erst einmal eine vernünftige Lösung. Also das Anpassen der Track Limits, zumindest so lange, bis eine gute permanente Lösung gefunden ist. Vergessen wir nicht: Echte Probleme gibt es in Österreich, und in Katar. Zwei Strecken.

Dass die Rennleitung dem Hausverstand nicht abgeneigt ist, zeigte sie schließlich auch am Samstag, als Lance Stroll einer zweiten Strafe im Sprint entging, weil er die Strecke nicht freiwillig verlassen hatte. Was andererseits aber wieder nirgends kommuniziert wurde. Auch das führt wieder zurück: Erst einmal kommunikative Klarheit schaffen. Dann hinsetzen und Lösungen für das Problem an sich suchen. Und nicht erst zwei Wochen vor Österreich 2024.