Lance Stroll geriet für sein Benehmen beim Großen Preis von Katar heftig in Kritik. Für die enttäuschende Leistung im Qualifying musste am Ende Physiotherapeut Henry Howe herhalten. Jetzt hat der Aston-Martin-Pilot eine Ermittlung am Hals: Stroll soll mehrere Verstöße begangen haben. Teamchef Mike Krack stellt sich hinter seinen Schützling.

Automobil-Weltverband ermittelt gegen Stroll

Lance Stroll nach dem Qualifying von Katar.
Stroll war nach dem Katar-Qualifying ziemlich frustriert, Foto: LAT Images

Der Vorfall ereignete sich am Freitagabend im Qualifying. Stroll kehrte nach dem frühen Q1-Aus zurück in die Box und stieg sichtlich bedient aus seinem Aston Martin AMR23 aus. Dabei warf der Kanadier sein Lenkrad geradewegs in Richtung Frontflügel. Anschließend wollte Stroll zügig in den hinteren Teil der Garage verschwinden.

Doch sein Physio Howe, der den Aston-Martin-Piloten zum verpflichtenden Wiegen bewegen wollte, stand ihm im Weg. Das gefiel Stroll nicht und schubste den Fitness-Trainer im Vorbeistürmen verärgert zur Seite. Teamintern hatte der Vorfall zumindest in der Öffentlichkeit keine Konsequenzen, dafür musste der Aston-Martin-Pilot insbesondere in den Sozialen Medien für sein Verhalten heftige Kritik einstecken.

Und jetzt mischt auch noch die FIA mit. Der Automobil-Weltverband befindet sich derzeit im Gespräch mit dem 24-Jährigen, das gab die FIA am Dienstagabend bekannt. Dabei wird gegen Stroll "in Bezug auf mehrere Vorfälle, die möglicherweise gegen die Regeln, Richtlinien und Verfahren der FIA während des Großen Preises von Katar verstoßen haben" ermittelt. Der Compliance-Beauftragte der FIA ist mit der Sache betraut.

Grund für die Ermittlung ist nicht nur der Schubser gegen Howe. Nachdem Stroll bereits in der Box sichtlich die Fassung verloren hatte, benahm er sich auch im anschließenden verpflichtenden TV-Interview nicht gerade auf die feine englische Art. Mit weniger als 10 Worten antwortete Stroll auf drei Fragen. Und das mit Ausdrücken, die nicht im Fernsehen gezeigt werden konnten. Doch damit soll man sich bei der FIA bereits abgefunden haben - Ermittlungen dagegen würden an der Realität vorbeigehen.

Schwerer hingegen wiegen die Vorwürfe der körperlichen Gewalt gegen seinen eigenen Physio. Auch das Wegwerfen des Lenkrads schaut man sich noch genauer an, weil es dabei möglicherweise zu einer Gefährdung kam.

Drohen Stroll Sozialstunden?

Einen vergleichbaren Vorfall gab es zuletzt im Jahr 2018, als Max Verstappen im Fahrerlager beim Großen Preis von Brasilien Esteban Ocon schubste. Hier wurde der dreimalige Weltmeister zu zwei Tagen gemeinnütziger Arbeit in der Formel 1 verdonnert. Bei der Bestrafung berief sich die FIA auf den folgenden Artikel (12.2.1.c) des Internationalen Sportgesetzbuchs: "Jedes Fehlverhalten oder jede Handlung, die den Interessen des Wettbewerbs oder des Motorsports im Allgemeinen schadet." Stroll könnte möglicherweise das Gleiche drohen.

Aston-Martin-Teamchef nimmt Stroll in Schutz

Aston Martin-Duo Fernando Alonso vor Lance Stroll
Stroll kann sich nicht gegen Teamkollege Alonso durchsetzen, Foto: LAT Images

Trotz des Vorfalls stärkt Aston Martin Stroll den Rücken. Der Kanadier teilte noch am Samstag den Medien mit, dass es zwischen ihm und Howe keine Probleme gäbe, eine öffentliche Entschuldigung gab es seitens Stroll aber nicht. "Mit uns ist alles gut. Er ist mein Bro und wir durchleben auch den Frust zusammen. Wir sind zusammen auf dieser Reise und alles ist cool", so Stroll.

"Ich hasse es verdammt nochmal, einen schlechten Tag zu haben. Und das wird sich auch nicht ändern", rechtfertigte der Aston-Martin-Pilot sein Handeln. Teamchef Mike Krack versteht die Reaktion des 24-Jährigen: "Die Dinge stauen sich an, wenn man hinter den eigenen Erwartungen zurückbleibt. Und dann kommt irgendwann die Frustration zum Vorschein."

"Um ehrlich zu sein, versuche ich das [Interview] immer so lange wie möglich hinauszuzögern, um das Adrenalin loszuwerden", warb Krack weiter um Verständnis. "Ich bin mir sicher, dass wir an der Boxenmauer vielleicht 10- bis 20-mal weniger Adrenalin ausschütten als die Fahrer. Aber man hält ihnen das Mikrofon direkt vor die Nase oder beobachtet jede Reaktion, die sie zeigen."

Laut dem Teamchef seien solche Emotionen sogar etwas, was von den Sportlern erwartet wird. "Wir wollen die Emotionen sehen, denn dann haben wir etwas, worüber wir reden können. Wenn es aber einen Schritt zu weit geht, dann setzen sich die Leute gerne auf das Sofa oder in einen klimatisierten Raum und sagen 'das ist zu viel' oder 'das kannst du nicht machen'", so der Luxemburger. "Wir müssen ein bisschen mehr Respekt vor den Fahrern und den Spitzensportlern haben."

Zum letzten Mal konnte Stroll beim Großen Preis der Niederlande in die zweite Qualifying-Session einziehen. Seither schied der Aston-Martin-Pilot an jedem Grand-Prix-Wochenende erfolglos in Q1 aus. Im Rennen weist der Kanadier eine ähnlich enttäuschende Bilanz auf. Seit dem Belgien GP konnte er keinen einzigen Punkt mehr ergattern. Inzwischen liegt der Kanadier im WM-Kampf 136 Punkte hinter Teamkollege Fernando Alonso (183 Punkte).