Blitzschnell und bis ins kleinste Detail koordiniert. So kennt man den Boxenstopp in der Formel 1 (in den besten Fällen). McLaren setzte beim Katar-GP das beeindruckende Paradebeispiel. In nur 1.80 Sekunden wurden die Reifen an Lando Norris' Auto gewechselt. Das Team stellte damit einen neuen Weltrekord auf. Doch nicht immer waren Boxenstopps in der Formel 1 eine rasche Angelegenheit. Motorsport-Magazin.com wirft einen Blick in die Vergangenheit und zeigt auf, wie sich Boxenstopps im Laufe der Jahre verändert haben.

1950er: Die holprigen Anfänge

In den Anfangsjahren der Formel 1 waren Boxenstopps noch weit entfernt von den blitzschnellen Choreografien, die heutzutage von den Mechanikern geleistet werden. Gefährlich, langsam und unkoordiniert trifft es eher. In den 1950er Jahren war es komplett üblich, dass ein Boxenstopp eine volle Minute dauerte. Zwei Mechaniker, später auch vier, arbeiteten am Auto. Boxenstopps waren für das Wechseln von Reifen, Reparaturen und für das Tanken zuständig und notwendig, da es die damaligen Autos sonst nicht bis zum Ende des Rennens schafften.

Die Ausstattung des Boxenteams ließ zu wünschen übrig. Schlagschrauber gab es keine, stattdessen musste die Radmutter mit einem Hammer hinuntergeschlagen werden. Sicherheitskleidung, wie Helme und feuerfeste Overalls, wurde ebenfalls noch nicht getragen. Wenn es eine eigene Boxengasse gab, so herrschten noch keinerlei Tempolimits.

1960er & 1970er: Boxenstopp? Nein, danke.

In den 1960ern veränderten sich die Boxenstopps der Formel 1 grob. Schneller wurden sie aber nicht. Stattdessen wurden die Motoren der Autos effizienter. Da man zusätzlich für jede Wetterbedingung dieselben Reifen einsetzte, mussten Piloten nicht zwingend einen Stopp absolvieren, anders als in den Jahren zuvor. Das Resultat: Boxenstopps wurden so gut es ging vermieden. Hatte man Pech, und musste trotzdem seine Mechaniker aufsuchen, war das Rennen so gut wie gelaufen.

Noch weit entfernt von den heutigen Standards waren Boxenstopps auch noch in den 1970ern. Sie dauerten noch lange (etwa eine halbe Minute im Durchschnitt) und wurden weiterhin gescheut. Da man in dieser Zeit jedoch bereits zwischen Trocken- und Regenreifen unterschied, wurden Reifenwechsel bei ändernden Wetterbedingungen durchgeführt. Schlagschrauber kamen in dieser Zeit erstmals zum Einsatz, was das Montieren der Reifen deutlich erleichterte.

Boxenstopp 1976, Foto: Phipps/Sutton
Boxenstopp 1976, Foto: Phipps/Sutton

1980er: Die Geburt des strategischen Boxenstopps

Die erste große Revolution des Boxenstopps fand schließlich in den 1980ern statt. Die Wende brachte Gordon Murray, damals Rennwagen-Konstrukteur bei Brabham, indem er den Boxenstopp zum Teil der Formel-1-Strategie machte. Dabei im Mittelpunkt stand die Überlegung, nicht mit vollen Tanks loszufahren, um Gewicht und dadurch auch Rundenzeit zu reduzieren. Gelang ein Boxenstopp mit Reifenwechsel und Tanken schnell genug (circa unter 26 Sekunden), so konnte man demnach wertvolle Zeit gewinnen und auch dem Reifenverschleiß entgegenwirken.

Doch der strategische Boxenstopp kam mit einigen Herausforderungen: Kraftstoff musste rasch nachgefüllt werden, ein neues Design der Radmutter musste her, um schnellere Reifenwechsel zu ermöglichen, kalte Reifen mussten aufgewärmt werden, und das Auto durfte im stehenden Zustand nicht überhitzen.

Brabham Boxenstopp 1982: Die Revolution, Foto: LAT Images
Brabham Boxenstopp 1982: Die Revolution, Foto: LAT Images

Murray und sein Team konnten all diese Stolpersteine überwinden, doch die neue Boxenstopp-Technik brachte 1982 noch kaum Vorteile. Wegen des unzuverlässigen BMW-Motors des BT50, kamen die Autos selten so weit, dass sie einen Boxenstopp benötigten. Erst 1983 war es so weit, und Brabham konnte aus den Boxenstopps einen Zeitgewinn herausschlagen, was einen Trend in der Formel 1 setzte. Als Ende des Jahres das Tanken während des Stopps aus Sicherheitsgründen verboten wurde, verschwand der strategische Boxenstopp nicht aus der Königsklasse. Längst hatte man den Vorteil von frischen Reifen entdeckt, wodurch die Ausflüge in die Boxengasse keine Notfallpläne mehr waren. Auch an Sicherheitskleidung wurde zu dieser Zeit bereits gedacht.

1990er & 2000er: Schnell, dann wieder langsam

In den 1990er Jahren waren Reifenwechsel fester Bestandteil der Formel 1. Ein Pflichtboxenstopp war jedoch noch nicht vorgeschrieben, weswegen manche Teams auch versuchten, die Rennen durchzufahren. Die Stopps dauerten circa fünf Sekunden. 1993 stellte Benetton einen neuen Rekord mit einer Zeit von 3.2 Sekunden auf. Danach wurden die Boxenstopps wieder langsamer, da Tanken erneut erlaubt wurde. Ungefährlich war das noch längst nicht, wie Jos Verstappens Feuerunfall beim Deutschland-GP 1994 aufzeigte.

Ein weiterer Zwischenfall beim Imola-GP im selben Jahr, bei dem Ferrari-Mechaniker von einem losgelösten Reifen in der Boxengasse verletzt wurden, sorgte dafür, dass ein Geschwindigkeitslimit in der Boxengasse eingeführt wurde. Zudem wurde es weniger Personen erlaubt, sich im Boxen-Bereich aufzuhalten.

Jos Verstappens Feuerunfall beim Tanken 1994, Foto: LAT Images
Jos Verstappens Feuerunfall beim Tanken 1994, Foto: LAT Images

In den 2000ern bestimmte das Tanken weiterhin die Boxenstoppgeschwindigkeit. Die Reifen waren meist längst gewechselt, bevor wieder aufgetankt war. Das Ganze dauerte zwischen sechs und zwölf Sekunden. Mit Ende 2009 wurde das Tanken während des Rennens aus Sicherheitsgründen dann endgültig verboten, was eine neue Ära einleitete.

2010er - 2020er: Das Rennen um Perfektion

2010 war das Tanken Geschichte und die Regel, dass jeder Pilot mindestens einen Boxenstopp absolvieren muss, wurde eingeführt. Das Rennen der Teams um den schnellsten Reifenwechsel nahm Fahrt auf. Das Equipment der Mechaniker wurde verbessert, das Ampelsystem wurde eingeführt und Boxenstopp-Übungen wurden Teil des täglichen Programms. Im Jahr 2012 lag die Boxenstopp-Zeit der Rennställe regelmäßig bei unter drei Sekunden. 2013 knackte Red Bull bereits die zwei Sekunden Marke. Noch 2019 stellte das Team mit einer Zeit von 1,82 Sekunden eine Zeit auf, die jahrelang nicht zu unterbieten war.

Mit dem neuen F1-Reglement 2022 wurden die Reifen größer und schwerer. Durch die schwierigere Handhabung wurde das Ende der Rekord-Boxenstopps befürchtet. Doch die Formel 1 stieß nicht so leicht an ihre Grenzen. Der neue Weltrekord, den McLaren beim Katar-GP aufstellte, beweist dies. Große Veränderungen, was Boxenstopps betrifft, sind heutzutage nicht mehr zu beobachten. Vielmehr liegt es bei den einzelnen Teams, das Prozedere zu perfektionieren und Hundertstel herauszuquetschen.

Video: McLaren bricht in Katar Boxenstopp-Weltrekord der F1 (00:51 Min.)