Der Normalzustand in der Formel 1 ist wiederhergestellt. Red Bull winkt nach dem schwachen Singapur-Wochenende wieder von der Spitze. Besser gesagt: Max Verstappen winkt an der Spitze. Sergio Perez hinkt genauso wie der Rest des Feldes weit hinter dem Weltmeister hinterher.

Im zweiten Training distanzierte Verstappen Charles Leclerc um über drei Zehntelsekunden, Lando Norris fehlte schon beinahe eine halbe Sekunde auf den WM-Führenden. Im Gegensatz zu Singapur startete der RB19 gut aussortiert und mit einer starken Balance ausgestattet in die erste Trainings-Session. "Es hat sich gut angefühlt. Von Runde 1 an war das Auto angenehm zu fahren", freute sich Verstappen.

Sergio Perez zeigte sich mit dem Handling seines Red Bulls hingegen noch nicht ganz zufrieden. Der Mexikaner ging in FP1 mit einer älteren Ausbaustufe des Red-Bull-Unterbodens ins Wochenende. Erst in FP2 wurde an seinem Boliden ebenfalls die neue Spezifikation angeschraubt. Dennoch halste ihm Verstappen über eine Sekunde Rückstand auf.

Max Verstappen: Wo gewinnt der Weltmeister seine Zeit?

Etwa drei Zehntelsekunden dieses Rückstandes kommen aus einem einzigen Streckenabschnitt: Den S-Kurven im ersten Sektor. In diesem Abschnitt lässt sich gut ablesen, wie viel mehr Schwung Verstappen mitnehmen kann. Während Perez in allen Kurven leicht lupfen muss, kann Verstappen immer wenigstens sanft auf dem Gas bleiben. Perez muss an der Einfahrt in den fünften Gang schalten, Verstappen bleibt im sechsten Gang. Perez ist in diesem Fall jedoch eher die Ausnahme, die Top 6 bleiben mit Ausnahme von Norris allesamt im sechsten Gang.

Die Überlegenheit des Weltmeisters zeigt sich in diesem Sektor nicht nur im teaminternen Vergleich. Auch verglichen mit den anderen Spitzenpiloten ist Verstappen in einer eigenen Welt unterwegs. In den Kurven 4 und 5 ist Verstappen 7 beziehungsweise 9 km/h schneller als seine ersten Verfolger. Nur in Kurve 6 kann er sich nicht absetzen und verliert auf seiner schnellsten Runde sogar etwas Zeit auf Lando Norris.

Bei diesen Werten überrascht es wenig, dass Verstappen im ersten Sektor den Großteil seines Vorsprungs herausholt. Konkret bedeutet das: Lando Norris verliert nur etwa zwei Zehntelsekunden in den letzten beiden Sektoren, Carlos Sainz eine Zehntel. Charles Leclerc macht hingegen sogar zwei Zehntel gut, dafür ist sein Rückstand im ersten Abschnitt umso größer.

Die einzigen ausmachbaren Schwachstellen des Red Bull zeigen sich eingangs der Spoon-Kurve (T13) und vor Kurve 18, jedoch macht Verstappen diesen Zeitverlust am Ausgang wieder wett. Viel Hoffnung macht sich die Konkurrenz deshalb nicht.

Verstappen auch im Longrun eine Macht

Die Longruns sind genauso wie der Vergleich auf einer Runde eine klare Angelegenheit für Verstappen. Verglichen mit den anderen Medium-Runs nahm er Leclerc im Durchschnitt sieben Zehntelsekunden ab. Die Zeiten kann man jedoch nicht zu 100 Prozent vergleichen, denn der Niederländer absolvierte seinen Run mit den Prototypen, von denen Pirelli aus Testzwecken zwei Sätze pro Fahrer zur Verfügung stellte.

Überraschend stark präsentierten sich auch die Longrun-Zeiten von Ferrari, in der Vergangenheit eine Achillesferse des SF-23 und seiner Vorgänger-Autos. McLaren fuhr seine Longruns jeweils auf Soft-Pneus und führte dort das Zeiten-Tableau an. Mercedes hingegen lag im Renntrimm ebenfalls noch deutlich zurück. Lewis Hamilton beklagte sich nach den Trainings über die Balance seines Boliden, Russell zog ein etwas positiveres Fazit.

Japan GP: Hoher Reifenverschleiß = Spannendes Rennen?

Japan ist zwar keine Strecke, die für zahlreiche Überholmöglichkeiten bekannt ist, dennoch darf man auf dem Suzuka International Racing Course den Renntrimm nicht vernachlässigen. Das gilt an diesem Wochenende umso mehr. Die heißen Temperaturen, und die kurvenreiche Streckenführung treiben den Reifenverschleiß in die Höhe.

Dazu kommt noch der alte Asphalt, der zu vielen Rutschphasen führt und die Reifenbelastung noch weiter in die Höhe treibt. Eine 2-Stopp-Strategie scheint unumgänglich. "Der Reifenverschleiß ist näher an einem 3-Stopper dran als an einem 1-Stopper", illustrierte George Russell die Ausgangslage.

Bedeutet im Umkehrschluss: Strategisch wird am Sonntag viel zu machen sein. Ohne Chaos oder die Schützenhilfe von Red Bull ist es allerdings nach den Freitags-Eindrücken schwer vorstellbar, dass Verstappen unter allzu viel Bedrängnis gerät. Die Red-Bull-Pleite in Singapur ist erst wenige Tage alt und doch pacemäßig sehr weit entfernt. Alle Stimmen zum Formel-1-Qualifying heute in Japan gibt es im Live-Ticker.