Wer während der letzten Formel-1-Wochenende aufmerksam die Team-Radios lauschte, dem ist bei Lando Norris eine neue Stimme am Funk aufgefallen. Anstatt mit seinem angestammten Renningenieur Will Joseph kommunizierte der McLaren-Pilot mit Jose Manuel Lopez. Der Spanier ist seit 2020 Performance-Ingenieur am Norris-Auto, doch füllte er nun die Rolle des Renningenieurs aus.

Der Personalwechsel am Radio hat keineswegs mit einer Erkrankung oder einem Abgang bzw. einer Degradierung Josephs zu tun, sondern er ist genau so gewollt. Wie McLaren-Teamchef Andrea Stella erklärt, geht das Traditionsteam neue Wege in Sachen Personalpolitik: "Der Grund dafür ist, dass es eine Gruppe von Ingenieuren gibt, die jeden Fahrer unterstützen, im Gegensatz den klassischen drei oder vier Leuten. Das machen wir, weil wir einige Ziele damit erreichen wollen."

McLarens Ingenieursrotation: Aufbau einer 'Ersatzbank'

Statt auf feste Posten setzt McLaren auf Rotation in der Garage. Dies kommt nicht von ungefähr, denn die Belastungen und Risiken in der Formel 1 werden größer. "Wir bewegen uns auf 24 Rennen zu und es wird immer mehr eine Herausforderung, auf der Personalebene sicherzustellen, dass du alle Rennen abdecken kannst. Da geht es um die Planung, aber auch um die Möglichkeit eines Notfalls, wenn wir einen der Renningenieure ersetzen müssen. Wir wollen also eine Art lange Ersatzbank von Leuten schaffen, die die Fahrer unterstützen können", berichtet der Italiener über McLarens neuen Weg.

Für Wokings Leistungen in den letzten Rennen scheint die Rotation keine Nachteile gebracht zu haben. Nicht umsonst ist Stella voll des Lobes für seine Ingenieursmannschaft: "Ohne im Detail auf die einzelnen Ingenieure eingehen zu wollen, bin ich sehr zufrieden damit, wie dieser Prozess zu einer sehr kompetenten Gruppe von Ingenieuren führt, die mit den Fahrern interagieren."

Andrea Stella, der McLaren-Teamchef in der Pressekonferenz.
Andrea Stella hat McLaren erfolgreich umgekrempelt, Foto: LAT Images

Der Kontakt mit den Fahrern ist aber nicht das einzige Kriterium: "Als Renningenieur musst du auch mit den Strategen arbeiten. Du musst mit möglichst wenig Worten das kommunizieren, was mittgeteilt werden muss. Du musst dich gegenseitig in der Fachsprache verstehen. Es gibt also eine Menge an Dingen, an die du dich als Renningenieur gewöhnen musst. Deswegen gibt es so viel Rotation, weil wir allen Ingenieuren so viel wie möglich von diesen Erfahrungen ermöglichen wollen. Darum machen wir das und ich bin sehr zufrieden, mit dem, was ich bereits gesehen habe."

F1 Team-Check: McLaren schlägt zurück! was macht sie so stark? (15:39 Min.)

Stören Wechsel die Fahrer? Stella: Ist in Landos eigenem Interesse

McLarens Strategie ist es also, Ingenieurspower in der Breite auszubauen. Damit ginge jedoch auch die Gefahr einher, die besondere Qualität einzelner Spezialisten nicht voll auszunutzen. Zuletzt etwa lobte Christian Horner den besonderen Anteil von Max Verstappens Renningenieur Gianpiero Lambiase am Erfolg des Weltmeisters. Besteht also die Gefahr, dass diese besonderen Arbeitsbeziehungen bei McLaren durch die Rotation im Keim erstickt werden und ist ein Fahrer wie Lando Norris durch solche Wechsel nicht eher gestört?

Stella widerspricht diesen Theorien. "Lando ist damit glücklich. Es liegt in seinem eigenen Interesse, dass seine Ingenieure weiterwachsen. Das sind die Jungs, die ihm zu Speed und zukünftigem Erfolg verhelfen sollen. Ein Fahrer ist nicht der Empfänger in diesem Prozess, sondern in einer Führungsposition. Und Lando macht das sehr gut", betont er den Mannschaftsaspekt und die Führungsqualitäten seines Piloten.