Die Königsklasse ist in der Halbzeit angekommen. Motorsport-Magazin.com nutzt die Sommerpause und wirft einen genauen Blick auf die erste Saisonhälfte der zehn Formel-1-Teams. Wer konnte die geplanten Ziele in die Tat umsetzten und wer befindet sich im Abwärtstrend? Nun ist McLaren an der Reihe. Der Traditionsrennstall sieht zur Sommerpause wieder Licht am Ende des Tunnels.

Ziel vs. Realität:
McLaren startete mit einer niedrigen Erwartungshaltung in das Jahr 2023. Nach einer schwachen Saison 2022 und dem Verlust von WM-Platz vier an Alpine verpatzte das britische Team die Entwicklung des Boliden für 2023. Schon beim Launch des MCL60 verriet Teamchef Andrea Stella, dass das Team aus Woking bei der aerodynamischen Entwicklung die falsche Richtung eingeschlagen hatte.

Ein ähnlich böses Erwachen hatte das britische Team bereits zum Saisonauftakt 2022. Nach einigen Upgrades konnte Lando Norris das Ruder noch rechtzeitig herumreißen, Ex-Teamkollege Daniel Ricciardo zog McLarens Punktestatistik aber drastisch nach unten. Ein Jahr später gelang McLaren aber die Trendwende, diesmal trug sogar Neuzugang Oscar Piastri zur Punkteausbeute bei.

Zwei zweite Plätze stellten seitens Norris das Highlight der ersten Saisonhälfte dar. Mit dem Aufwärtstrend änderte sich auch die Zielsetzung. Teamchef Andrea Stella kündigte nach Kanada an, dass McLaren nun Jagd auf den WM-Viertplatzierten [Ferrari] machen möchte.

Entwicklung 2023:
Um Upgrades an den Start zu bringen, arbeitete McLaren nach dem Saisonauftakt auf Hochtouren. Eine geplante B-Spezifikation des MCL60 sollte das Team wieder ins obere Mittelfeld befördern. Später gab das Team bekannt, dass 50 Prozent des Upgrades in Österreich und jeweils 25 Prozent in Großbritannien und Ungarn kommen sollten. Demnach musste sich der britische Rennstall vorerst mit kleinen Änderungen am Diffusor zufriedengeben.

In Aserbaidschan hatte das Team erstmals einen neuen Unterboden im Gepäck. Von Erfolg war der aber weder in Baku noch in Miami geprägt. Nach einer Änderung an der Unterbodenkante in Monaco und der Bremsbelüftung in Spanien folgte auch in Kanada nur ein kleines Upgrade am Heckflügel und Beamwing.

In Österreich erblickte bei Norris dann die lang ersehnte B-Version das Licht der Welt. Mit dem neuen Unterboden, den Seitenkästen und der Motorabdeckung machte sich ein klarer Fortschritt bemerkbar. Mit neuem Frontflügel erzielte McLaren in Silverstone den Durchbruch. Gleichzeitig kündigte der britische Rennstall die Verlegung des Ungarn-Upgrades an. Die geplanten Teile werden nach der Sommerpause am MCL60 zu sehen sein.

Höhepunkt 2023: Aufatmen in Großbritannien
McLaren gelang in Großbritannien die große Sensation. Mit dem Upgrade-Paket in der Tasche startete das Wochenende bereits mit einem Hoch. Die beiden McLaren-Piloten setzten im Qualifying den amtierenden Weltmeister Max Verstappen unter Druck, der am Ende fast die Pole Position an Lando Norris verlor. Mit den Startplätzen zwei und drei hätte die Ausgangslage für ein Podium nicht besser sein können. Und so sollte es dann auch kommen: Norris feierte mit Champagner auf dem Treppchen und Oscar Piastri erzielte sein bisher bestes Karriereergebnis in der Königsklasse.

Tiefpunkt 2023: Saisonauftakt des Grauens
Dagegen hätte es für McLaren in Bahrain nicht schlimmer kommen können: Keiner der beiden Piloten sah zum Saisonauftakt die Zielflagge. Ein Elektronik-Problem beendete Piastris Formel-1-Debüt schon nach 13 Runden. Lando Norris musste seinen Boliden zwei Runden vor Rennende an der Box abstellen. Dabei brach der Brite noch einen ungewollten Rekord: Aufgrund eines pneumatischen Drucklecks an der Antriebseinheit war er gezwungen, alle zehn Runden an die Box zu kommen. Damit krönte er sich zum Fahrer mit den meisten Boxenstopps während eines Rennens.

McLaren-Fahrer: Oscar Piastri fast auf Augenhöhe mit Lando Norris

Lando Norris:
WM: 8. Platz (69 Punkte) Note im MSM-Ranking: 2,29 (4. Platz)
Neben den 19 anderen Piloten hatte Lando Norris zum Saisonstart einen weiteren Rivalen: den MCL60. Und das spiegelte sich beim Briten auch im WM-Kampf wider. Punkte blieben beim McLaren-Piloten aus, ein Podium schien zu diesem Zeitpunkt undenkbar. 2022 hielt er McLaren mehr oder weniger als Ein-Mann-Team über Wasser, nun hatte aber auch Norris sichtbar zu kämpfen. Allerdings stellte er 2023 erneut seine Willensstärke unter Beweis, bezwang mit der Anpassung seines Fahrstils und McLarens Weiterentwicklungsplan die Makel des MCL60 und sicherte sich vor der Sommerpause sogar noch zwei Podiumsplätze.

Lando Norris und Oscar Piastri im Rennen in Monaco, Foto: LAT Images
Lando Norris und Oscar Piastri im Rennen in Monaco, Foto: LAT Images

Oscar Piastri:
WM: 11. Platz (34 Punkte) Note im MSM-Ranking: 2,65 (8. Platz)
Oscar Piastri brachte 2022 mit seinem McLaren-Vertrag die 'Silly Season' so richtig in Schwung. Alle Augen waren zum Saisonstart auf den Australier gerichtet. Doch dem Druck hielt der Sieger der Formel 3 und Formel 2 mit Bravour stand. Im Gegensatz zu Ex-McLaren-Pilot Daniel Ricciardo war sein Landsmann in fast jedem Rennen auf Augenhöhe mit Teamkollege Norris. Nur auf eine schnelle Runde hatte Piastri anfangs hin und wieder seine Schwierigkeiten, aber auch diesen Rückstand konnte er noch vor der Sommerpause glattbügeln. Im Gegensatz zu seinen Rookie-Teamkollegen untermauerte Piastri seine positive Formkurve mit wenig Fehlern und keinen selbstverschuldeten Ausfällen.

Ist McLaren jetzt überall schnell? (07:23 Min.)

Fazit und Ausblick:
Mit dem Upgrade-Paket blühte McLaren wieder auf, vor allem im Qualifying scheint die B-Spezifikation Wirkung zu zeigen. Mit dem dritten und letzten Teil des Pakets will der Traditionsrennstall nach der Sommerpause einen weiteren Sprung nach vorne machen. Und dieser Schritt ist durchaus möglich. An der Leistung der McLaren-Piloten wird es jedenfalls nicht scheitern. Nun bleibt abzuwarten, wer im Weiterentwicklungskampf das Zepter in die Hand nimmt.