"Wir hatten das zweitschnellste Auto heute, aber das Ergebnis zeigt es nicht." Mercedes-Teamchef Toto Wolff ist sich nach dem Rennen sicher. Mit Lewis Hamilton, der Max Verstappen um drei Tausendstel sogar die Pole abrang, und mit George Russell, der von P18 auf P6 durch das Feld stürmte. Doch es wurde ein vierter und ein sechster Platz. Verstappen und McLaren-Pilot Lando Norris ließen Hamilton stehen.

Bei dem waren alle Augen nach dem Rennen auf den Start gerichtet. Klar, den übermächtigen Red Bull von Max Verstappen hätte er nie halten können, aber Hamilton wurde auch von beiden McLaren verdrängt. Doch allein darin das verpasste Podium festzumachen? Wie kann es etwa sein, dass beim Boxenstopp aus dem Nichts über fünf Sekunden verschwinden? Die Renn-Analyse findet sie, und erklärt sie.

Der Start brachte Lewis Hamilton in eine schlechte Position, Foto: LAT Images
Der Start brachte Lewis Hamilton in eine schlechte Position, Foto: LAT Images

Natürlich waren die ersten zwei Kurven für Hamilton schlecht. Dass er von Norris und Oscar Piastri abgefertigt wurde, war aber noch nicht das Ende. Aber als die McLaren sofort ein hohes Tempo anschlugen, mussten die Mercedes-Strategen bald reagieren. So riefen sie Hamilton in Runde 16 mit 3,8 Sekunden Rückstand auf Norris zum Undercut an die Box.

Der Undercut ist in Ungarn ein mächtiges Strategie-Instrument. Hoher Reifenverschleiß bedeutet, dass man auf der ersten Runde mit neuen Reifen massiv Zeit gutmachen kann, gut und gerne auch zwei Sekunden. McLaren reagierte daher eine Runde später mit Norris sofort. Doch als der seine Outlap vollendet hatte und die beiden wieder auf gleichem Fuß standen, waren es keine 3,8 Sekunden Rückstand mehr. Sondern 9.

Für den Zuschauer auf den ersten Blick ein Mysterium Es war auch kein Fehler Hamiltons dabei, wie eine Aufschlüsselung der In- und Outlap zeigt. Er war einfach durchweg langsam. Verschlimmert wurde das dadurch, dass Norris seinerseits eine gigantische Outlap fuhr. Man sieht es an den 2,1 Sekunden, die er gegenüber Oscar Piastri gewann, der selbst schon schneller als Hamilton war. Damit nahm Norris seinem Teamkollegen den zweiten Platz ab.

Mercedes vs. McLaren: Konträre Pirelli-Philosophien

Ein frustrierter Toto Wolff hat nach dem Rennen eine Erklärung parat: "Wir waren zu vorsichtig, die Reifen ins Fenster zu bringen." Die Pirelli-Reifen in der Formel 1 sind notorisch dafür, dass sie ein Überhitzen zu Beginn eines Stints nicht verzeihen. Sind sie einmal überfordert, tendieren sie zu einer Negativ-Spirale. Wer die Reifen sehr vorsichtig angreift, der erntet den Lohn mit beständigerem Abbau zwanzig Runden später.

Man sieht es, wenn man sich die Runden rund um den ersten Stopp von Hamilton genauer ansieht. Die McLaren preschten vor, Hamilton bummelte. "Die Balance zu finden ist sehr schwierig, denn wenn du sie so hart rannimmst wie Lando, oder Oscar, oder Checo [Perez], dann brechen sie massiv ein", mahnt Wolff, gesteht aber: "Vielleicht waren wir zu konservativ."

Sieht man sich den ganzen Mittelstint an, sieht man, wie die McLaren am Ende den Preis bezahlen. Der Rookie Piastri baute deutlich stärker ab, wenngleich sein Team im Rennverlauf nach starkem Überfahren der Kerbs einen beschädigten Unterboden und infolgedessen verstärkten Reifenverschleiß am Heck wahrnahm. Er selbst sparte die Ausrede nach dem Rennen jedoch aus und verwies auf seine fehlende Erfahrung in Rennszenarien mit hohem Verschleiß.

Aufseiten McLarens waren die ersten Runden auch bewusst schärfer angelegt, auch wenn Teamchef Andrea Stella mahnt: "Es ist immer schwierig, vom Cockpit aus die Auswirkungen der ersten Runden einzuschätzen." Da kommen Faktoren wie Piastris Erfahrung ins Spiel, aber auch das allgemeine Vertrauen ins Auto.

Ein Fahrer, der mehr Vertrauen hat und generell mehr Grip spürt, der tut sich leichter, sofort und vor allem vernünftig zu pushen. Vonseiten Hamiltons ist dieses Gefühl im Mercedes W14 ein schwieriges: "Wir waren einfach in den ersten beiden Stints zu langsam. Die Balance war nicht gut, das Auto zu langsam. Gegen Ende wurde die Balance deutlich besser, dann konnte ich mehr Druck ausüben."

Mercedes: Zu viele Fehler am Ungarn-Wochenende?

Gegen Norris reichte Hamiltons Reifensparen nicht. Der erfahrenere McLaren-Pilot kontrollierte den Verschleiß bis zum Stint-Ende. Die schnellste In- und Outlap-Kombination gehörte George Russell. Vergleicht man seinen zweiten Stopp mit dem zweiten Stopp Hamiltons, so nahm er seinem Teamkollegen auf der Inlap 1,5 und auf der Outlap 1,7 Sekunden ab.

Bei Mercedes wurde im Rennen zum Ende hin alles schneller. Erst mit leeren Tanks und auf dem Medium-Reifen erwachte der W14 so richtig zum Leben. Hamilton und Russell unterstrichen in den letzten 20 Runden Toto Wolffs Ahnung vom zweitschnellsten Auto, wie der Vergleich direkte Vergleich mit Lando Norris zeigt. Der untermauert zugleich aber auch, dass jeder Vorteil gegenüber McLaren nicht riesig war.

Das größte Problem von Mercedes war so schließlich in Ungarn nicht schlechte Pace - sondern schlechte Ausführung. Wer nur knapp das zweitbeste Auto hat, aber Fehler begeht, der macht sich angreifbar. Für Russell begann das im Qualifying, als das Team die Fahrer am Ende einer langen Schlange in Q1 auf die Strecke schickte. Ein fataler Fehler im Verkehrs-Management, der Russell eine gute Startposition kostete.

Auf Hamilton-Seite wurden der schlechte Start und die langsamen Stint-Anfänge zum Problem. In Summe war der Mercedes-Vorteil gegenüber McLaren nur gering. Kleine Fehler und Entscheidungen bestimmen dann das Ergebnis. Und kosten Podien. "Wir haben es nicht gehoben, das Potenzial", war Wolff direkt nach dem Rennen auf ServusTV ehrlich. "Das Rennen war nicht gut."

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