Das zweite Rennen in Folge verpufft ein mögliches erstes Formel-1-Podium für Oscar Piastri. In Ungarn hatte es noch besser ausgesehen als in Silverstone. Nach starkem Start war F1-Rookie Piastri an Lewis Hamilton und an Teamkollege Lando Norris vorbeigegangen und hatte den zweiten Platz erobert. Die Freude endete schon beim ersten Boxenstopp, denn die McLaren-Strategen stoppten Norris zuerst - und verschafften ihm damit im internen Kampf bessere Karten.

Ungarn war ein klassisches Undercut-Rennen. Wer zuerst stoppt, hat auf frischeren Reifen einen massiven Vorteil. Norris nutzte das aus und nahm Piastri den zweiten Platz ab. Das Rennen des Australiers fiel danach auseinander, er wurde nach hinten durchgereicht und von Sergio Perez und Lewis Hamilton auf den fünften Platz verdrängt. Sein Team und er sehen aber nicht die strategische Benachteiligung als Grund.

McLaren erklärt Piastri-Nachteil beim ersten Stopp

Traditionell erhält der besser platzierte Fahrer bei einem direkten Duell immer den Undercut-Vorteil. Für McLaren war das aber in Ungarn keine Option. Denn Priorität hatte zuerst einmal der direkt hinter Piastri und Norris liegende Lewis Hamilton. Der war schon in Runde 16 zum ersten Stopp gekommen, und versuchte damit seinerseits einen Undercut gegen beiden McLaren auszuführen.

McLaren holte zur Verteidigung in Runde 17 zuerst Norris ein, für den die Gefahr durch Hamilton größer war. "Wenn du gegen andere Wettbewerber außerhalb des Teams fährst, musst du sehr vorsichtig sein, dass du nicht einen internen Kampf anfängst, der dem Team teuer zu stehen kommt", rechtfertigt McLaren-Teamchef Andrea Stella. Dass Norris nicht nur vor Hamilton blieb, sondern mit einer sensationellen Outlap dem in Runde 18 stoppenden Piastri Platz zwei entriss, war bitter für den Australier, aber rückblickend sogar besser für das Team. Denn Norris hatte im weiteren Rennverlauf deutlich mehr Pace.

Piastri vor Norris und Hamilton nach dem Start, Foto: LAT Images
Piastri vor Norris und Hamilton nach dem Start, Foto: LAT Images

Piastri-Absturz unabhängig von McLaren-Strategie

Viel zu klären gibt es nach Ungarn intern nicht. Piastri hat Verständnis: "Vielleicht wäre der Undercut viel größer gewesen als erwartet. Am Ende des Tages hatte ich sowieso ganz klar nicht die Pace, um mit Lando mitzufahren oder ihn zu fordern. Das ist etwas, das wir uns anschauen können, aber für mich selbst ist die wichtigste Erkenntnis das Reifenmanagement."

Der Reifenverschleiß stellte sich in der Ungarn-Hitze als Piastris Achillesferse heraus. Waren er und Norris im ersten Stint noch gleich schnell, so begann er im Mittelstint im Schnitt drei Zehntel pro Runde zu verlieren. Nach dem zweiten Boxenstopp stürzte er völlig ab, verlor acht Zehntel pro Runde, wurde in Runde 47 von Sergio Perez vom Podium verdrängt und in Runde 57 von Lewis Hamilton auch noch auf den fünften Platz verbannt.

Piastri pushte in allen drei Stints zu Beginn aggressiv. Was im ersten funktionierte, ging im zweiten und im dritten schief. Obendrauf fuhr er sich wohl einen Unterboden-Schaden ein, was den Reifenverschleiß am Heck verschlimmerte, mutmaßt Teamchef Stella nach dem Rennen basierend auf den Sensor-Daten des Autos. Drei Mal rutschte Piastri in Kurve vier zu weit raus auf den Kerb, in Runde 46 saß er dort, unter starkem Druck von Perez, besonders hart auf.

Erst nachdem Hamilton ab Runde 50 aufzuschließen begann, brachen Piastris Zeiten so richtig ein. Über 28 Sekunden lag er am Rennende hinter Norris. Wie viel der Schaden dazu beitrug, muss McLaren erst herausfinden. Piastri selbst ermahnt sich trotzdem, beim Reifenmanagement noch zu arbeiten: "Barcelona war eigentlich das einzige andere Rennen mit vielen Stopps und Verschleiß. Diese Dinge kannst du im Training oder im Test nicht lernen, das musst du im Rennen auf die harte Tour erfahren."