Mit 14 Punkten steht McLaren derzeit auf Rang fünf der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft - einen Platz vor Alpine. Dieselbe Platzierung wie im vergangenen Jahr und daher kein großer Rückschritt könnte eine Schlussfolgerung der derzeitigen Rangfolge heißen. Doch der Schein trügt: Zwölf dieser 14 Punkte sammelte das Team aus Woking durch die chaotische Schlussphase des Australien Grand Prix - nur zwei Punkte sammelten die Papayas in Form von Lando Norris nach einem normalen Rennverlauf. Damit wäre McLaren punktgleich mit dem vorletzten AlphaTauri. Wo liegen also die Probleme des MCL60? Teamchef Andrea Stella klärt auf.
McLaren MCL60 liebt Grip
In Miami blieben für Lando Norris und Oscar Piastri nach einem enttäuschenden Qualifying die Plätze 17 und 19 übrig. Damit waren die Papayas das nominell langsamste Team im gesamten Feld. Dabei wirkten die Mannen aus Woking nach dem zweiten freien Training des ersten US-Grand Prix der Formel-1-Saison 2023 noch zufrieden - gar von Punkten war die Rede. Platz sechs für Lando Norris entfachte Optimismus rund um das Team. Ein Positiv-Trend, der sich durch ein Update am Sorgenkind MCL60 bereits in Baku andeutete, als der Brite zwei Punkte einfahren konnte.
Am Samstag und Sonntag schleuderte Miami das britische Traditionsteam jedoch auf den Boden der Tatsachen zurück. "Die fundamentalen Probleme sind immer noch dieselben, das hat sich wieder gezeigt", blickt Lando Norris ernüchtert zurück.
Nach dem Aufwärtstrend in Australien sowie dem Update in Baku also zurück zu alter Schwäche? Wo liegt das Problem des derzeitigen McLaren? "Auf Strecken mit viel Grip ist das Auto konkurrenzfähiger. Die Strecke in Miami hat immer noch sehr wenig Grip. Wir denken, dass die schlechte Performance daherkommt. Desto niedriger der Grip, desto mehr Zeit verbringen die Fahrer rollend, also ohne das Gaspedal oder die Bremse zu betätigen", analysiert McLaren-Teamchef Andrea Stella die Schwachstellen seines Boliden.
"Im zweiten freien Training in Miami hatten wir am meisten Grip während des Wochenendes. Das lag daran, dass es zum einen später am Tag war und zum anderen daran, dass die Temperaturen niedriger waren, damit kommt das Auto besser klar und die Fahrer konnten attackieren", erklärt Stella die Ideal-Bedingungen des MCL60. "Wenn du auf der Bremse attackierst, minimierst du den Zeitraum mitten in der Kurve, indem du einfach nur rollst, ohne ein Pedal zu betätigen - und plötzlich waren wir konkurrenzfähiger."
Am Freitag nistete sich Lando Norris noch zwischen Aston Martin-Pilot Fernando Alonso und Mercedes-Fahrer Lewis Hamilton ein. Doch am Samstag fand sich der Brite im AlphaTauri-Sandwich auf Rang 16 wieder. Allerdings: Freitags rufen die Teams meist nicht das Maximum ihrer Leistung ab. Der eklatante Unterschied liegt vermutlich auch darin begründet.
"Es gibt einen Trend und es ist wichtig, dass wir ihn verstehen. Denn das bestimmt auch die Entwicklungsrichtung. Wir wussten, dass wir mit dem Baku-Update mehr Abtrieb ans Auto bringen, aber die grundlegende Charakteristik des Autos haben wir nicht verändert", verrät Stella. Der McLaren scheint nur auf bestimmten Strecken schneller zu sein - in Aserbaidschan kämpften das Team immerhin noch um Punkte. "In den Sektionen, in denen du spät bremsen kannst und die Kurve kurz ist, beispielsweise Kurve eins und Kurve zwei in Baku, waren wir konkurrenzfähig. Da waren die Phasen, in denen du nur rollst, sehr kurz."
Liegen die Probleme in der McLaren-DNA?
"Wir sehen, dass das Auto stark beim harten Anbremsen ist", nennt Stella einen positiven Aspekt des aktuellen Boliden. Eine Stärke vor allem in kurzen Kurven und beim harten Anbremsen - das ist ein altbekanntes McLaren-Phänomen.
Vor rund zwei Jahren in Monza half den Papayas diese Stärke schon einmal. Damals gewann Daniel Ricciardo das erste Rennen für McLaren seit Jenson Button 2012. Auch das Autodromo Nazionale di Monza zeichnet sich durch wenige, aber dafür kurze, langsame Kurven mit hartem Anbremsen aus. Liegen die Probleme des McLaren-Teams also tiefer - womöglich in der DNA des Teams? "Ich denke, das, was ihr DNA nennt, könnte auch auf gewisse infrastrukturelle Limitationen zurückzuführen sein, die wir jetzt schon lange haben", erklärt Andrea Stella.
Das Team mietet seit Jahren Toyotas' Windkanal in Köln. Dieser ist nun über zehn Jahre alt und weist diverse Defizite auf - so lässt sich der Bolide darin beispielsweise nicht drehen, um die Wind-Strömung bei Kurvenfahrten zu simulieren. Dazu kommt der hohe logistische Aufwand aufgrund der großen Entfernung zwischen Woking und Köln.
Ein neuer Windkanal in Woking soll allerdings in naher Zukunft in Betrieb genommen werden. "In ein paar Monaten werden wir mehr wissen, wenn wir das, was wir im neuen Windkanal sehen, mit dem vergleichen können, was wir im aktuellen Windkanal sehen, den wir schon seit Jahren benutzen." Die Saisons 2024 und 2025 werden Aufschluss darüber geben, ob damit auch die tiefer liegenden Probleme des Teams gelöst werden können.
Formel 1 WM-Stand 2023: Die Team-Tabelle
- 1. Red Bull (224 Punkte)
- 2. Aston Martin (102 Punkte)
- 3. Mercedes (96 Punkte)
- 4. Ferrari (78 Punkte)
- 5. McLaren (14 Punkte)
- 6. Alpine (14 Punkte)
- 7. Haas (8 Punkte)
- 8. Alfa Romeo (6 Punkte)
- 9. AlphaTauri (2 Punkte)
- 10. Williams (1 Punkte)
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