Zwei Qualifying-Bestzeiten und zwei Top-3-Resultate waren für Charles Leclerc am Formel-1-Wochenende in Baku ein großer Fortschritt. Nach dem völlig verhexten Saisonstart kam er in Aserbaidschan endlich in Gang. Die Zufriedenheit hielt sich trotzdem in Grenzen. Ferrari war gegenüber Red Bull deutlich zu langsam und das Podium im Grand Prix rettete der Monegasse auch nur gerade so über den Zielstrich. Für Leclercs Geschmack war das Maximum der Scuderia in Baku immer noch viel zu wenig.
Obwohl er den Start gegen Red Bull von der Pole Position zunächst gewann, musste er sich am Sonntag ausschließlich nach hinten orientieren. Dort lauerte Fernando Alonso. Der Altmeister verfolgte Leclerc das gesamte Rennen ruhigen Schrittes, um in der Schlussphase aufzudrehen. Nach 51 Runden rettete Leclerc sein erstes Podium der Saison mit nur acht Zehntelsekunden Vorsprung über die Linie.
"Ich wusste, dass er in den letzten Runden angreifen wird. Ich kenne Fernandos Stil. Er ist zu Anfang des Stints immer ganz entspannt, um am Ende zu pushen", sagt Leclerc. Nachdem Alonso in den ersten drei Saisonrennen eine Serie von dritten Plätzen hingelegt hatte, war er es, der dem Aston-Martin-Fahrer den nächsten Besuch auf dem Treppchen verwehrte. "Am Ende war es knapp, aber heute hat es für Fernando nicht gereicht", freut sich Leclerc.
Er richtete seinen Grand Prix früh darauf aus, den Aston-Martin-Fahrer nicht zum Zug kommen zu lassen: "Ich habe das erwartet und meine Reifen so gut ich konnte geschont, und so bin ich vorne geblieben. Das war die richtige Entscheidung, wenn man sich anschaut, wie nah Fernando am Ende dran war. Ich habe gut daran getan, mich auf mein eigenes Rennen zu konzentrieren und das bestmögliche Resultat zu erzielen."
Ferrari-Fortschritte für Leclerc zu wenig
Abgesehen davon hielt sich seine Euphorie in Grenzen. "Glücklich ist wohl das falsche Wort. Es ist gut, endlich mal ein paar Punkte geholt zu haben", so Leclerc, der mit nur sechs WM-Zählern nach Aserbaidschan gereist war. Mit der Ausbeute vom vierten Rennwochenende des Jahres steht er nun bei 28 Punkten, doch diese Zahlen sind für den fünfmaligen Grand-Prix-Sieger schlussendlich nicht der Rede wert. "Die sechs Punkte waren für unsere wahre Performance nicht repräsentativ."
Repräsentativ war für ihn eher der Rückstand von 21 Sekunden auf Rennsieger Sergio Perez. Wie schon im Sprint hatte er sich am Start gegen das Red-Bull-Duo behauptet, doch es dauerte nicht lange, bis die Weltmeister ihn kassierten und am Horizont verschwanden. "Im Rennen sind die einfach in einer anderen Liga. Ich hatte ein paar gute Runden, um vorne zu bleiben, aber über 51 Runden ist das einfach nicht drin", hält Leclerc ernüchtert fest.
Am Samstag behauptete er sich auf die Sprint-Distanz von 17 Runden noch gegen Max Verstappen, doch der war nach einer Kollision mit George Russell ohnehin mit stumpfen Waffen unterwegs. Unter diesen Umständen fiel nicht auf, dass Leclerc selber längst sein Pulver verschossen hatte. Im Grand Prix teilte er sich den Reifen anders ein, doch das Resultat war dasselbe.
Leclerc winkt Red Bull vorbei
"Ich habe es anders gemanagt, aber es lief auf dasselbe hinaus. Ob ich am Anfang die Zeit verliere, weil ich mit den Reifen aufpasse und dann später pushe, oder umgekehrt. Im Grunde habe ich die Zeit, die ich gestern am Ende des Stints verloren habe, diesmal schon am Anfang verloren", erklärt der 25-Jährige. "Wir haben alles versucht aber die Quintessenz ist, dass wir nicht schnell genug sind."
Die Reifenperformance war in den ersten Saisonrennen die Achillesferse von Ferrari. In Melbourne machten die Roten in diesem Bereich erkennbare Fortschritte, doch in Baku gestaltete sich die Lage wieder schwieriger. Leclerc wusste nach dem Sprint, dass er im Rennen keinen Widerstand gegen Red Bull zu leisten braucht: "Ich habe mich nicht zu sehr gewehrt, weil es für mich nichts zu holen gab, außer, dass ich mir die Reifen ruiniere und dann noch mehr Probleme bekomme."
In Runde drei winkte er bei Freigabe des DRS erst Verstappen vorbei, drei Umläufe später auch Perez. "Sie haben nicht nur einen besseren Topspeed, sondern sie sind überall besser. Besonders im Rennen können sie mehr. Wir versuchen noch, zu verstehen, wo die größten Unterschiede liegen, damit wir daran arbeiten können, um siegfähig zu sein", so Leclerc, der im fünften Jahr mit Ferrari nicht in der Position ist, die er sich vorgestellt hatte: "Ich bin hier, um zu gewinnen. Zweiter oder Dritter zu werden ist nicht, was ich will."
Auch Aston Martin immer noch einen Schritt voraus
Doch selbst mit zweiten oder dritten Plätzen wird es bei der momentanen Konkurrenz weiterhin schwierig. "Im Qualifying sind wir schneller als Aston Martin, denke ich, aber im Rennen haben sie das bessere Auto - und Red Bull ist sowieso in einer anderen Liga", sagt er. Inwiefern sich die Marschroute von Ferrari in den kommenden Rennen als richtig erweist, vermag er noch nicht einzuschätzen.
"Wir arbeiten in eine Richtung, von der wir denken, dass sie uns im Rennen helfen wird. Ich kann da aber noch nicht ins Detail gehen. Wir hoffen, dass es sich auszahlen wird. Wir müssen die nächsten Rennen abwarten und sehen, ob es eine Verbesserung ist", so Leclerc. Der positivste Aspekt aus Baku bleibt für ihn, dass seine Pechsträhne ein Ende hatte: "Wir hatten keine Probleme und ein Wochenende ohne Ärger. Wir haben in jeder Session das Maximum herausgeholt."
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