Der Formel-1-Rennsonntag lieferte einen nicht sonderlich aufregenden Saudi-Arabien-GP. Doch der ungefährdete Red-Bull-Doppelsieg wurde von einer Strafen-Kontroverse in den Schatten gestellt: Fernando Alonso freute sich über das 100. Podium seiner Formel-1-Karriere, dann wurde es ihm aufgrund einer Zeitstrafe aberkannt, nur um schließlich die Strafe vier Stunden nach Rennende wieder zu annullieren.

Das entscheidende Detail war der Wagenheber, der das Auto beim Absitzen der Strafe berührte. Laut ursprünglicher Interpretation sei das illegal gewesen. Aston Martin intervenierte und konnte Präzedenzfälle aus der Vergangenheit vorweisen, in denen ein ähnliches "Vergehen" ohne Strafe blieb.

Aston Martin erfolgreich: Keine Strafe für Alonso

Das Grundproblem: Die Stewards beriefen sich bei der ursprünglichen Strafverteilung und der späteren Annulation dieser nicht etwa auf das frei zugängliche sportliche Reglement, denn in diesem wird nicht genauer definiert, was "Arbeiten am Auto" in diesem Kontext bedeutet. Sie beriefen sich auf eine Absprache bei einem Treffen des "Sporting Advisory Committee" (SAC). In diesem sei die Übereinkunft getroffen worden, dass die Berührung eines Autos bereits eine Regelverletzung darstellt.

Diese Übereinkunft gab es so wohl nicht, wie Aston Martin mit dem Protokoll jenes Treffens beweisen konnte. Es ist nur die neueste Episode in einer Reihe von chaotischen und fragwürdigen Entscheidungen der Stewards und der Rennleitung. Dabei hatte die Formel 1 nach dem berüchtigten Abu-Dhabi-GP 2021 Verbesserung gelobt. Wir werfen einen Blick auf die letzten Regel-Kontroversen in der Königsklasse seit dem Abschied von Michael Masi.

Formel 1 Austin 2022: Nochmal Alonso

Fernando Alonso bekommt nach einem erfolgreichen "Right of Review" seine Position zurück. Das gab es bereits im Vorjahr schon einmal. In Austin wurde der damalige Alpine-Pilot nach einem Protest von Haas vom Rennergebnis ausgeschlossen, da er nach einem Unfall trotz eines beschädigten Boliden das Rennen fortsetzte - sein Spiegel war nach einem Zwischenfall mit Lance Stroll lange locker und löste sich schließlich vom Fahrzeug.

Alpine ging dagegen vor und die Rennkommissare stellten fest, dass der Einspruch von Haas gegen das Rennergebnis 54 Minuten nach Rennende erfolgte. Es gilt jedoch ein Limit von 30 Minuten. Besonders peinlich für die FIA: Rennleiter Niels Wittich hatte Haas mündlich eine verlängerte Einspruch-Frist zugestanden. Das Reglement ließ eine derartige Ausnameregelung aber nicht zu.

Formel 1 Japan 2022: Ist Max Verstappen Weltmeister?

Bei der WM-Entscheidung des Jahres 2022 hatte die FIA hingegen alles richtig gemacht. Zumindest entsprechend dem Reglement-Wortlaut. Max Verstappen erhielt für seinen Sieg in Japan die vollen Punkte, obwohl nur knapp 53 Prozent der Renndistanz absolviert waren. Grund dafür war eine Passage im Reglement. Dort war die Verteilung von verminderten Punktzahlen nur für Rennen vorgesehen, in denen nach einer roten Flagge kein Restart erfolgt.

Ausgerechnet diese Punkte entschieden schließlich darüber, ob Verstappen schon fix den WM-Titel gewonnen hatte. In der Verwirrung nach dem Rennen dachten sogar Red Bull und der Niederländer selbst, dass es nicht gereicht hatte. Doch da volle Punkte vergeben wurden, war er Doppel-Weltmeister. Die fragliche Formulierung im sportlichen Reglement wurde für die F1-Saison 2023 abgeändert.

Max Verstappen 2022: Verwirrung um die Titelentscheidung in Japan, Foto: Getty Images / Red Bull Content Pool
Max Verstappen 2022: Verwirrung um die Titelentscheidung in Japan, Foto: Getty Images / Red Bull Content Pool

Rennleitung schickt Kran zu früh auf Strecke

Der ungewöhnlichen WM-Entscheidung war ein aufregendes Rennen vorangegangen. Nach einem Unfall von Carlos Sainz rief Rennleiter Eduardo Freitas eine Safety-Car-Phase aus, um den Ferrari zu bergen. Freitas übersah allerdings, dass Gasly zum Boxenstopp kam. Dadurch war das Feld nicht geschlossen hinter dem Safety Car. Während Gasly auf das Feld aufschloss, schickte Freitas schon Bergungsfahrzeuge auf die Strecke. Der Zwischenfall kostete den Portugiesen den Job.

Formel 1 Belgien & Italien 2022: Wie macht man eine Startaufstellung?

Die Grands Prix in Belgien und Italien entwickelten sich in den letzten Jahren zu wahren Motorstrafen-Mekkas. Die Kombination aus Highspeed und relativ guten Überholmöglichkeiten, sowie der Zeitpunkt im Formel-1-Kalender führen immer wieder dazu, dass zahlreiche Teams bei diesen GPs ihre Power Units tauschen. Insgesamt acht Piloten wechselten 2022 in Spa ihre PUs und neun in Monza. Die dazugehörigen Strafen sorgten für Chaos. Getriebestrafen verkomplizierten die Situation erst recht.

Beide Male rätselte man, wie die Startaufstellung nun aussehen würde, verschiedene Versionen kursierten und Stunden vergingen, bis die FIA endlich das offizielle Grid bekanntgab. Das Problem war dabei ein ähnliches wie am vergangenen Wochenende in Saudi-Arabien: Nirgendwo im Sportlichen Reglement stand geschrieben, wie Motorstrafen angewandt werden, wenn sie sich gegenseitig überschneiden. Das wird nur in internen Richtlinien der FIA geklärt. Richtlinien, welche in der Vergangenheit auch schon intern geändert wurden - ohne die Formel-1-Welt zu informieren.

Formel-1-Start in Belgien: Stundenlanges Warten auf die Startaufstellung, Foto: LAT Images
Formel-1-Start in Belgien: Stundenlanges Warten auf die Startaufstellung, Foto: LAT Images

Formel 1 Österreich 2022: Späte Track-Limit-Strafe

Die Erkenntnis, dass Sergio Perez beim Qualifying zum Österreich-GP 2022 die Streckenlimits verletzt hatte, benötigte zwar nicht Stunden. Es dauerte aber dennoch viel zu lange. Denn obwohl der Mexikaner im Q2 der Spielberg-Qualifikation eindeutig in Kurve 6 mit allen vier Reifen außerhalb der weißen Linie war, schwieg die Rennleitung.

Erst nach dem Ende von Q3 griffen die Stewards ein, strichen ihn aus dem Ergebnis des letzten Qualifying-Abschnitts und versetzen ihn für den Sprint auf Startplatz 13. Leittragender der späten Entscheidung war Pierre Gasly, dem dadurch die Teilnahme an Q3 durch die Lappen ging.