Knapp zwei Wochen nach der Fast-Katastrophe beim Japan GP hat die FIA einen ausführlichen Bericht veröffentlich. Darin werden nicht nur die Ursachen erläutert, wie es zur haarsträubenden Szene mit Pierre Gasly und einem Bergungsfahrzeug kam, sondern auch konkrete Maßnahme vorgestellt. Zahlreiche Änderungen treten schon am Rennwochenende in Austin in Kraft.

Bei regnerischen Bedingungen verunfallte Carlos Sainz in der Startrunde des Japan GP. Nach dem Rennen gab es Kritik über die Entscheidung, das Rennen bei diesen Bedingungen regulär gestartet zu haben. Die weist die FIA allerdings zurück. Nach den Sichtungsrunden entschieden sich die Piloten dazu, auf Intermediate-Reifen zu starten, obwohl der Regen vor dem Start zugenommen hatte.

Rennleitung übersieht Gasly-Boxenstopp

"Die Bedingungen waren gut genug, das Rennen mit einem stehenden Start aufzunehmen", heißt es im FIA-Bericht. Dass niemand auf Regenreifen startete, erklärten die Fahrer mit dem schwachen Produkt von Pirelli. Die Technik-Abteilung der FIA untersucht dieses Problem gesondert mit dem Reifenausrüster.

Zwar wurden laut Bericht in Folge des Sainz-Unfalls alle FIA-Protokolle befolgt, trotzdem kam es zur Horror-Szene. Verantwortlich dafür waren mehrere Gründe, unter anderem, dass man Gasly, der nach der Startrunde für einen Nasenwechsel an die Box gekommen war, übersehen hatte.

Rennleiter Freitas für 2022 raus

Auch deshalb wird es für den Rest der Saison zu personellen Veränderungen in der Rennleitung kommen. Seit dieser Formel-1-Saison wechselten sich Niels Wittich und Eduardo Freitas als Rennleiter ab. In Suzuka hatte Freitas aber zum letzten Mal den Vorsitz. Die letzten vier Rennen der Saison 2022 übernimmt Wittich.

Eduardo Freitas wird aus der Rennleitung verbannt, Niels Wittich übernimmt bis Saisonende alle Rennen, Foto: Motorsport-Magazin.com
Eduardo Freitas wird aus der Rennleitung verbannt, Niels Wittich übernimmt bis Saisonende alle Rennen, Foto: Motorsport-Magazin.com

Die FIA stellt im Bericht klar, dass es trotz Safety Car besser gewesen wäre, den Kran erst später auf die Strecke zu schicken. Tatsächlich waren sogar zwei Bergungsfahrzeuge zeitgleich auf der Stecke. Am Eingang von Kurve 12 wurde das Auto von Alexander Albon geborgen, am Ausgang der Ferrari von Carlos Sainz.

Während das Feld hinter dem Safety Car mit Geschwindigkeiten zwischen 80 km/h (Latifi) und 122 km/h (Magnussen) die Sainz-Stelle passierte, flog Gasly mit 163 km/h an der Unfallstelle vorbei. Dabei hielt er sich aber an die VSC-Delta-Zeit, die im Regen nicht nur 40 Prozent unter dem Rennspeed liegt, sondern 50 Prozent.

Wie konnte Gasly aber trotzdem so schnell fahren? Das Problem liegt in den VSC-Regeln. Weil sich Gasly in der Startrunde sein Fahrzeug an einer Werbebande beschädigt hatte, fuhr er relativ langsam an die Box zurück. Weil zu dieser Zeit schon das Safety Car ausgerufen war, mussten die Piloten schon nach VSC-Zeiten fahren.

Regellücke VSC: Gasly darf 18 Sekunden aufholen

Gasly fuhr durch die Beschädigung langsamer als VSC-Speed. Die Delta-Zeit wird in der Boxengasse aber nicht zurückgesetzt. Als er wieder zurück auf die Strecke ging, lag er 18 Sekunden hinter seiner Ziel-Zeit, die er nun wieder aufholen durfte. Die FIA will deshalb für 2023 an den VSC-Regeln arbeiten und einen speziellen Passus einführen, der die Piloten vor der Gefahrenstelle zusätzlich abbremsen soll.

Stein des Anstoßes: Das Bergungsfahrzeug sorgte für Ärger bei den Fahrern, Foto: LAT Images
Stein des Anstoßes: Das Bergungsfahrzeug sorgte für Ärger bei den Fahrern, Foto: LAT Images

Trotzdem appellierte der Bericht auch an den gesunden Menschenverstand der Fahrer. Schließlich hatte Gasly die Unfallstelle schon eine Runde zuvor passiert und wusste, dass sich Marshalls auf der Strecke befinden konnten. Die FIA-Verantwortlichen setzen sich deshalb in Austin zusammen und wollen Strafen bei Gelb-Vergehen und Co. diskutieren. Im Fahrerbriefing wird der Sachverhalt auch mit den Piloten besprochen.

Formel-1-Teams müssen Fahrer informieren

Gleichzeitig werden ab dem US GP auch die Teams sofort darüber informiert, wenn ein Bergungsfahrzeug auf die Strecke geschickt wird. Das geschah bislang nicht. Die Teams sind dazu verpflichtet, den Piloten die Information umgehend weiterzugeben. Langfristig wird auch an der Sichtbarkeit der Bergungsfahrzeuge gearbeitet, so sollen diese in Zukunft zum Beispiel Formel-1-Regenlichter anbringen.

Die Boxenausfahrt könnte in Zukunft geschlossen werden, Foto: Sutton
Die Boxenausfahrt könnte in Zukunft geschlossen werden, Foto: Sutton

Für 2023 wird zudem überlegt, die Boxenausfahrt in solchen Fällen zu schließen und pro Runde nur kurz zu öffnen, damit sich die Piloten direkt am Ende des Feldes einsortieren und nicht mit höherer Geschwindigkeit aufschließen.

Außerdem steht die Streckensicherheit im Fokus. Einerseits will man die Befestigung der Werbebanden überdenken. Beim Sainz-Unfall wurde eine Werbebande auf die Strecke geschleudert, die Gasly überfuhr und sich dabei sein Auto beschädigte. Andererseits will man sich die Regendrainage in Suzuka genauer ansehen.

Das Punkte-Fiasko, das Max Verstappen schließlich für viele überraschend zum Weltmeister machte, soll ebenfalls angegangen werden.