Aston Martin ist innerhalb eines Jahres der Schritt von einem in Q1 ausscheidenden Team Anfang 2022 hin zur vermeintlichen zweiten Kraft der Formel 1 im Jahr 2023 gelungen. Eine solche Trendwende findet sich selten in der Formel 1, doch hat es sie durchaus gegeben. Wir blicken zurück, welche Teams ebenfalls ein starkes Comeback nach Rückschlägen feierten. Ausgenommen haben wir hierbei aber Jahre, in denen ein neues Reglement in Kraft trat. Sprünge wie die von Williams 2014 oder Brawn 2009 tauchen hier also nicht auf.

2020: Der pinke Mercedes von Racing Point

Aston Martins Vorgängerteam Racing Point gelang bereits einmal eine starke Trendwende, auch wenn diese durchaus kontrovers verlief. 2018 war Force India Insolvent gegangen und nach der Übernahme durch Lawrence Strolls Konsortium in Racing Point übergegangen. Die Entwicklung des 2019er Boliden konnte erst spät finanziert werden und so handelte es sich mehr oder weniger um ein geupdatetes Vorjahresmodell, mit dem das Team 73 Punkte und Rang sieben in der WM holte.

Der 'pinke Mercedes' erhitzte die Gemüter im Fahrerlager, Foto: LAT Images
Der 'pinke Mercedes' erhitzte die Gemüter im Fahrerlager, Foto: LAT Images

2020 fuhr ein komplett neues Fahrzeug aus der Garage, oder eben auch nicht. Beim RP20 handelte es sich sehr zum Ärger der Konkurrenz um eine fast exakte Kopie des Mercedes W10, der 2019 beide Weltmeisterschaften gewonnen hatte. Mit dem High-Rake-Prinzip der Vorgängerwägen von Racing Point bzw. Force India hatte er nichts mehr gemein. Und die Kopie funktionierte sofort: Das Team aus Silverstone holte die erste Pole-Position und den ersten Sieg. Obwohl das Auto über die Saison hinweg die dritte Kraft war, konnte aufgrund einiger vertaner Chancen sowie Corona-Erkrankungen der Fahrer nur Rang vier der WM hinter McLaren erreicht werden. Außerdem waren 15 Punkte aufgrund der Kopie der Bremsbelüftungen des W10 abgezogen worden. Trotzdem war der Schritt von 73 Punkten aus 21 Rennen im Vorjahr hin zu 195 Zählern aus 17 Rennen in der Saison 2020 mehr als bemerkenswert.

2019: McLaren vom Ende des Mittelfeldes and dessen Spitze

62 Punkte und Rang sechs in der WM: McLarens Bilanz von 2018 liest sich nicht katastrophal. Doch wenn man bedenkt, dass 40 der 62 Zähler schon nach fünf Rennen eingefahren waren und das Team durch die Insolvenz von Force India einen Platz in der Wertung aufrückte, dann sieht das Bild schon wieder anders aus. Der MCL33 war eine Fehlkonstruktion mit zu viel Luftwiderstand. Selbst Fernando Alonso konnte aus dem Auto gegen Saisonende nichts mehr herausprügeln, oft war bereits im Q1 Schluss. McLaren war im freien Fall.

Mit dem MCL34 ging es bei McLaren wieder aufwärts, Foto: LAT Images
Mit dem MCL34 ging es bei McLaren wieder aufwärts, Foto: LAT Images

2019 war davon aber nichts mehr zu sehen. Am MCL34 wurden die Schwächen des Vorgängers abgestellt und das Auto war auf jeder Strecke konkurrenzfähig. Gegen Saisonmitte hatte sich Woking mit der neuen Fahrerpaarung aus Carlos Sainz und Lando Norris als vierte Kraft hinter den großen drei von Mercedes, Ferrari und Red Bull etabliert. In Brasilien gelang Sainz sogar das erste Podium des Teams seit 2014. 145 Punkte waren mehr als das doppelte der Vorjahresausbeute und das obwohl Fernando Alonso nicht mehr am Lenkrad zauberte.

2013: Mercedes und der kontroverse Reifentest

2012 hatte Mercedes zwar bereits den ersten Sieg nach der Rückkehr als Werksteam durch Nico Rosberg einfahren können und auch Michael Schumacher stieg in Valencia noch einmal auf das Podest, doch der W03 fiel in der zweiten Saisonhälfte vor allem aufgrund von drastischem Reifenverschleiß weit zurück. In den letzten sechs Rennen gelang nur noch eine Punkteankunft durch Schumacher in dessen Abschiedsrennen, welches durch brasilianischen Regen beeinflusst war.

2013 zeigte sich ein ähnliches Bild, aber auf wesentlich höherem Niveau. Der W04 war extrem schnell im Qualifying und holte zahlreihe Pole-Positions durch Nico Rosberg und Neuzugang Lewis Hamilton. Doch in reifenkritischen Rennen brach der Wagen gegen die Konkurrenz von Red Bull, Ferrari und Lotus oft regelrecht ein. Tiefpunkt war ein zwölfter Platz von Hamilton in Spanien, nachdem er noch von Rang zwei gestartet war. Nach dem Rennen in Barcelona nahmen die Silberpfeile an einem umstrittenen Reifentest von Pirelli teil und das Problem schien auf einmal gelöst. Aus 142 Punkten im Jahr 2012 wurden ein Jahr später deren 360. WM-Platz zwei hinter der dominanten Kombination aus Sebastian Vettel und Red Bull war der bis dahin größte Erfolg der Silberpfeile der Neuzeit gewesen.

Der Mercedes W04 musste erst einmal lernen, mit den Reifen hauszuhalten, Foto: Sutton
Der Mercedes W04 musste erst einmal lernen, mit den Reifen hauszuhalten, Foto: Sutton

2012: Lotus baut einen Reifenstreichler

Lotus hatte sich 2011, noch unter dem Namen Renault antretend, mit seinem Fahrzeugkonzept verkalkuliert. Die Auspuffgase vorne am äußeren Rand der Seitenkästen herauszuleiten und so den Effekt des Diffusors zu verstärken, funktionierte zu Saisonbeginn noch gut, wie zwei Podestplätze in den ersten beiden Rennen bewiesen. Danach gab der R31 aber kaum noch Entwicklungspotential her. Zur Saisonmitte waren bereits 65 der insgesamt 73 Punkte des Jahres eingefahren, Renault rutschte Schritt für Schritt aus den Punkterängen.

Lotus gelang 2012 ein großer Schritt, Foto: Sutton
Lotus gelang 2012 ein großer Schritt, Foto: Sutton

Für 2012 wurden die Tricks der angeblasenen Diffusoren durch das Reglement eingeschränkt und Lotus konzentrierte sich beim Bau des E20 auf die einfachen Tugenden des Rennwagenbaus: Gute Balance und pfleglicher Umgang mit den Reifen. Der Plan ging auf. Gerade bei Hitzerennen konnten Rückkehrer Kimi Räikkönen und Neuling Romain Grosjean einen Reifenvorteil zu ihren Gunsten ausspielen. 10 Podestplätze und sogar ein Sieg in Abu Dhabi wurden eingefahren. Auch wenn sich das Team 2012 in der WM nur um einen Platz auf rang Vier verbesserte, so waren aus den 73 Zählern des Vorjahres satte 303 Punkte geworden.