Die ganze Formel 1 hat nach drei Test-Tagen in Bahrain vorerst einmal Red Bull zu den Favoriten des Saisonstarts gekrönt. Das gilt auch für die vermeintliche Hauptkonkurrenz bei Ferrari und Mercedes. Wie in der Analyse der Testfahrten von Motorsport-Magazin erklärt, unterstellen die nackten Zahlen Red Bull einen Vorsprung von mehreren Zehnteln.

Aber woran liegt das? Rundenzeiten allein geben keinen Aufschluss, wohl aber ein Blick auf die Details: Kurventypen, Mikrosektoren, und vor allem auf das Fahrverhalten. Es tut sich zumindest in den ersten drei Tagen der neuen Saison fundamentale Lücken bei der Fahrzeug-Balance auf.

Wo Ferrari & Mercedes gegen Red Bull verlieren

Bei Red Bull gab es von Balance-Problemen nicht viel zu sehen. Max Verstappen kam, sah und fand von Beginn an den Grip. Sein Teamkollege Sergio Perez präsentierte bei den abschließenden Qualifying-Simulationen am Samstag einen ebenso stabilen RB19, der auf den C4-Reifen locker die Bestzeit holte.

Mercedes musste den C5 auspacken, die weichste Reifenmischung, um mitzuhalten. Lewis Hamilton verlor in seinen letzten und besten Versuchen am Samstagabend Zeit auf den Geraden. Das kann noch durchaus mit dem Motormodus erklärt werden, Mercedes dreht bei Testfahrten nur ungern auf. Aber trotz weicherer Reifen holte er in langsameren Kurven nur unwesentlich auf.

Ferrari fuhr die schnellsten Zeiten wie Red Bull mit dem C4. Hier ist der Zeitverlust auf Red Bull in den langsamen Kurven noch gravierender. Zwar können sich Charles Leclerc und Carlos Sainz 2023 über Topspeed freuen, aber der neue SF-23 scheint dafür in den langsamen Kurven zu kämpfen.

Bei Ferrari muss ergänzt werden, dass Sainz seine Zeit am späten Nachmittag, Leclerc seine in der Mittagshitze fuhr. Zu hohe Temperaturen machten den C4-Reifen da schon zu schaffen. Perez und Hamilton fuhren erst am Abend. Aber unabhängig davon gibt es Balance-Sorgen. Leclerc sprach es am Samstag offen aus: Man trifft den perfekten Punkt im Setup-Fenster nicht.

Neue Reifen für Formel 1 machen Balance schwierig

Solche Probleme mit der Fahrzeug-Balance wurden im Laufe der drei Testtage schnell hervorgehoben. Der Wind spielt in Bahrain eine wesentliche Rolle, kann ein loses Heck schnell exponieren. Stimmt man das Auto anhand einer Windrichtung ab und der Wind dreht, zeigt sich hier schnell, wer besonders anfällig ist.

Hinzu kommen die neuen Pirelli-Reifen. Eine neue Konstruktion soll das im letzten Jahr verfluchte Untersteuern in den langsamen Kurven vermindern, aber dadurch änderte sich für die Teams das Zusammenspiel zwischen Vorder- und Hinterachse. "Zu Beginn war es für sie schwierig, die richtige Balance zu finden", sagt Pirelli-Sportchef Mario Isola.

Red Bull schien von all dem unbeeindruckt, auch von der neuen Unterboden-Regel. Leclerc fuhr im Vorjahr mit C3-Reifen in 1:30,588 zur Pole. Korrigiert man die C4-Perez-Bestzeit vom Samstagabend auf C3-Niveau, fehlen ihm auf diesen Wert weniger als eineinhalb Zehntel.

Ferrari 2023 mit neuer Richtung unterwegs

Während Red Bull vom Donnerstag weg entspannt Runden zu drehen schien, war das Balance-Defizit bei Ferrari und Mercedes allgegenwärtig. Die Scuderia verwies am ersten Tag auf Experimente mit extremen Setup-Richtungen, aber das Einengen wurde am zweiten Tag dennoch schwierig.

Verglichen mit dem Bahrain-Qualifying des Vorjahres zeigt sich bei Ferrari ein Zugewinn auf den Geraden. Momentan bezahlt man einen hohen Preis dafür in den langsamen Kurven. Da hilft auch nicht, dass das Team am letzten Tag das Auto gut genug aussortierte, um auch in den mittelschnellen Kurven Stabilität zu finden.

Das macht auch Probleme beim Reifenverschleiß. Die Ferrari-Hoffnungen ruhen auf den Daten. Der neue SF-23 ist eine nicht unwesentliche Weiterentwicklung, nachdem der Vorgänger an einem permanenten Topspeed-Defizit gelitten hatte. Sich auf die Veränderungen einzustellen, das geht in drei dicht gedrängten Test-Tagen nicht so einfach. "Es ist alles im Einklang mit unseren Erwartungen, wir müssen nur noch das richtige Setup finden", versichert Leclerc.

Mercedes behält Setup-Probleme bei

Die Klagen der Mercedes-Fahrer waren lauter. Dem W14 fehlt es aus den Kurven heraus deutlich an Traktion. Lewis Hamilton vermutete außerdem Ähnlichkeiten mit den Setup-Problemen des Vorjahres. Zwar ist das neue Auto das Bouncing in mittelschnellen Kurven los, aber das war nicht das einzige Problem gewesen.

Am Freitag war das Beschleunigen aus den langsamen Kurven heraus für Russell und Hamilton ein Kampf mit vielen Querstehern. Immer wieder stand der W14 lange in der Garage, um das Aufhängungs-Setup ändern zu lassen. Lange wurde am Abend noch gearbeitet, ehe man am Samstag wieder in die Spur fand. Es blieb trotzdem dabei: Verglichen zum Vorjahr ein Schritt nach vorne in den mittelschnellen, aber ein Problem bei der Traktion.

Raus aus der letzten Kurve war der der Verlust gravierend. Über Mercedes hängt so weiter ein Fragezeichen, wie die Saison laufen wird. Das Team glaubt bisher, dass sich das schrittweise Herantasten in der zweiten Saisonhälfte bezahlt machen wird, und nicht an ein fundamentales Defizit des Konzepts. Die ersten Rennen werden richtungsweisend.