Weiter geht es mit den kurzen Rückblicken aller aus der Formel-1-Redaktion von Motorsport-Magazin. Heute mit der Frage nach dem Absteiger des Jahres. Dabei herrscht so große Einigkeit in der Redaktion wie kaum einer anderen Frage. 2022 war leider überhaupt kein gutes Jahr für Daniel Ricciardo.

Von der Saison des Australiers waren also viele enttäuscht. Es gibt aber auch andere Absteiger. Dabei kommen auch Formel 1 und FIA nicht gut weg. Das sind die Meinungen aller aus der MSM-Redaktion.

Führt an Daniel Ricciardo kein Weg vorbei?

Daniel Ricciardo
Christian Menath
Wer hätte nach 2021 gedachte, dass wir gerade Daniel Ricciardos beste McLaren-Saison gesehen haben? Wohl kaum jemand. Seine Vorstellung im abgelaufenen Jahr war einfach nur traurig. Ich kann mir noch immer nicht erklären, wie er sich so demontieren lassen konnte. Rennen für Rennen tat es weh, ihn so zu sehen. Trauriger Tiefpunkt: Der vorzeitige Abschied nach vorherigen Bekundungen, 2023 weiterzumachen.

Daniel Ricciardo
Florian Niedermair
Was war bloß mit dem Honey Badger los? Nachdem Ricciardos Ruf in der Königsklasse schon im schwachen Vorjahr schwere Schäden erlitten hatte, wurde diese Stellung 2022 endgültig abgeschossen. Grand-Prix-Sieger? WM-Hoffnung? Davon war im abgelaufenen Jahr gar nichts mehr zu sehen. Je länger die Saison lief, desto mehr Risse bekam die fröhliche Maske der australischen Grinsebacke. Für das Paddock ist der Abgang von Ricciardo ein Verlust, dem Sonnenschein aus Perth könnte ein Jahr Pause guttun. Er wäre andererseits auch nicht der erste Fahrer, der nach einem Sabbatical nie wieder in die Formel 1 zurückkehrt.

Daniel Ricciardo
Tobias Mühlbauer
2021 noch Grand-Prix-Sieger und 2023 ohne Stammcockpit. Daniel Ricciardos zweites und letztes McLaren-Jahr war einfach katastrophal. Konnte er im bereits schwierigen Vorjahr noch einzelne Highlights zeigen, wurde er 2022 von Teamkollege Lando Norris durchweg in Grund und Boden gefahren. Nie freundete er sich mit dem MCL36 an. Dass McLaren bereits am 4. Juli Oscar Piastri verpflichtete (auch wenn dies erst später bekannt wurde), spricht Bände über Ricciardos Nicht-Leistung. Nun geht es zurück zu Red Bull als Ersatzfahrer, der krasse Abstieg eines Siegfahrers.

Daniel Ricciardo
Carina Teifelhard
Neues Jahr, neues Glück. Die neue Ära kam Daniel Ricciardo gerade recht. 2022 blieb der Australier dann aber auf allen Ebenen erneut erfolglos. Durchsetzungsvermögen? Gegen seinen Teamkollegen Lando Norris war hiervon nichts zu sehen. Der einst so ehrgeizige Honey Badger musste sich im internen Duell haushoch geschlagen geben. Früher kämpfte er noch um Podiumsplätze und Rennsiege, 2022 war er davon Welten entfernt. In der kommenden Saison wird sich Ricciardo dann vorerst einmal verabschieden. Ob er bald wieder zurückkehren wird, steht noch in den Sternen.

AlphaTauris böse Pleite mit neuen Regeln

AlphaTauri
Stephan Heublein
Sehr enttäuschend, sehr blass, sehr langsam. So lässt sich die Formel-1-Saison 2022 aus Sicht der kleinen Scuderia aus Faenza zusammenfassen. Sportlich ging es klar bergab. Von P6 und 142 WM-Punkten auf P9 und 35 WM-Zähler abgestürzt. Das Spannendste war noch die Verpflichtung von Nyck de Vries für 2023. Wenn der denkwürdigste Moment einer Saison eine Teamchef-Pressekonferenz war, die sich nur aufgrund der einsilbigen Antworten des Teambosses ins Gedächtnis gebrannt hat, dann sah es um dieses Team nicht besonders gut bestellt aus. 2023 kann nur besser werden.

Pierre Gasly
Isabelle Grasser
Nur wer einst beeindruckte, kann auch enttäuschen. Das traf in der Saison 2022 zweifelslos auf Pierre Gasly zu. Auch nach seiner Degradierung vom Red-Bull-Team galt der Franzose als F1-Talent, was er in Monza 2020 bewies. Im Vorjahr hatte Gasly seinen Teamkollegen Yuki Tsunoda noch fest im Griff, und war souveräner Teamleader. Davon war 2022 kaum etwas zu spüren. Besonders gegen Ende der Saison sammelte er vermehrt Straf- anstatt WM-Punkte. Spätestens seit Gaslys Wechsel zu Alpine bekannt wurde, schien auch seine Motivation verloren zu gehen. Insgesamt ein unerwartet schwacher Auftritt.

Mattia Binottos ist Geschichte bei Ferrari

Mattia Binotto
Rebekka Bauer
Mattia Binottos Zeit als Teamchef bei Ferrari geht dem Ende zu. Das kann jetzt entweder gutgeheißen werden oder nicht. Fakt ist: Ferrari hatte zu Saisonbeginn das schnellste Auto und einen überragend fahrenden Charles Leclerc. Aber: Wieder kein Titel. Strategiepannen, schlechte Boxenstopps, mangelhafte Updates, Motorenprobleme. Der F1-75 verlor immer mehr Boden auf den RB18. Am Ende musste die Scuderia Platz zwei nach hinten gegen Mercedes absichern. Mattia Binotto macht weder die Strategie noch wechselt Reifen. Aber: Als Teamchef trägt er die Verantwortung und konnte diese nicht erfüllen.

Leclerc und Binotto feierten in Bahrain noch gemeinsam, Foto: LAT Images
Leclerc und Binotto feierten in Bahrain noch gemeinsam, Foto: LAT Images

Frust wegen Formel 1 & Rennleitung

Rennleitung, Stewards & FIA
Markus Steinrisser
Abu Dhabi 2021 hat Defizite aufgezeigt. Die Saison 2022, dass es zur Lösung ein weiter Weg ist. Chaos um Startaufstellungen, verpasste Übertretungen von Linien, die Bergekran-Aktion in Japan, Lecks bei einer kritischen Cost-Cap-Ermittlung - das alles zeugt von systemischen Problemen. Hoffentlich werden die neuen FIA-Projekte zur Verbesserung mit den nötigen Ressourcen ausgestattet. Ich möchte klarstellen: Keine Einzelperson hat Schuld. Das ganze System krankt. Das Reglement ist ein Flickwerk mit Relikten, mit Lücken, braucht eine Überarbeitung. Die Zusammenarbeit zwischen den ständigen F1-Leuten und den örtlichen Offiziellen steht immer wieder in Zweifel. Die Steward-Konstanz bleibt ein Problem. Und ich habe keine Lust mehr, an jedem Abend vier Stunden zu warten, bis die letzte Entscheidung da und das Ergebnis offiziell ist.

Die Formel 1
Samuel Marton
Der Absteiger der Saison ist für mich die Formel 1. Eigentlich ist es kein Anliegen, dass erst dieses Jahr betrifft, der Saudi-Arabien GP hat dem 2022 aber wieder die Krone aufgesetzt. In einem Land, das politisch in allen Belangen mehr als nur fragwürdig ist, ein Rennen zu fahren, grenzt an Größenwahn. Und das trotz der Tatsache, dass es während dem Rennwochenende unweit der Strecke zu einem Raketenangriff kam. Will sich die Formel 1 weiterhin für Sportswashing missbrauchen lassen? Ein 10-Jahres-Vertrag mit dem Katar GP ab 2023, der bereits 2021 abgeschlossen wurde, beantwortet diese Frage.