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Platz 12. Knapp hinter dem Teamkollegen Daniel Ricciardo. Damit schien die Formel-1-Karriere des Nico Hülkenberg am 1. Dezember des Jahres 2019 eigentlich beendet, die letzte Zielflagge gefallen. Eigentlich. Es folgten kurze Formel-1-Cameos. Vier Rennen in drei Saisons. Quasi eine Art Post-Credits-Scene, um seine Grand-Prix-Bilanz auf 181 Rennen aufzustocken. Ohne Podestplatz, wie einige Statistik-Liebhaber gerne süffisant anmerken werden. Eine Tatsache, die Hülkenberg selbst kalt lässt. Doch es waren nicht seine 177 Grands Prix für Williams, Force India und Renault, die den 35-Jährigen wieder auf dem Radar der Formel-1-Teamchefs aufblinken ließen.
Es waren die vier Blitzeinsätze für Racing Point und Aston Martin, inmitten der Pandemie 2020 und zu Beginn der Saison 2021, die seinen Aktienkurs urplötzlich wieder in die Höhe schnellen ließen. Dessen ist sich Hülkenberg durchaus bewusst. "Ich glaube, diese Einsätze haben sehr, sehr gut getan", antwortet er dem Motorsport-Magazin. "Es war auch ein riesiger PR-Push jedes Mal, wenn das passiert ist, zusätzlich waren sie sportlich recht erfolgreich, das hat noch mal gezeigt: 'Hier Leute, mich gibt’s auch noch!' Und mich zurück in Erinnerung gerufen, ich glaube also schon, dass das viel wert war."
Super-Sub der Schlüssel zur Formel-1-Rückkehr
Zwei Mal sprang Hülkenberg ohne Vorlaufzeit bei Racing Point ein, beide Male fuhr er in Silverstone und auf dem Nürburgring in die Punkteränge. Zu Saisonbeginn 2022 das gleiche Spiel, diesmal nur in Grün statt in Pink: Hülkenberg ersetzte den erkrankten Sebastian Vettel in Bahrain und Saudi-Arabien. Punkte lagen mit dem schwachen Aston Martin nicht im Bereich des Möglichen, aber seine Leistungen aus dem Stegreif hinterließen erneut Eindruck.
"Als er andere Fahrer ersetzt hat, war er immer auf Anhieb da", erinnert sich Günther Steiner, der sich gemeinsam mit Teambesitzer Gene Haas die gleiche Frage stellte wie viele Beobachter: Kann Hülkenberg nach drei Jahren ohne Vollzeit-Cockpit in die Formel 1 zurückkehren und besser abschneiden als sein Landsmann Mick Schumacher, der voll im F1-Saft steht und zwei Jahre Erfahrung mit dem Team aufweist?
Erfahrung. Ein Begriff, den Steiner bei seiner Begründung der Fahrerwahl geradezu gebetsmühlenartig wiederholt. Erfahrung, Erfahrung. "Es geht um Erfahrung, er war lange in der Formel 1, ist lange bei Mittelfeldteams gefahren, er weiß also, wie sie funktionieren, wie er sie besser machen kann", zählt Steiner auf. "Wir hoffen, dass er das auch hier kann." Mick Schumacher besaß diese Erfahrung nach zwei Jahren noch nicht in ausreichendem Maße, so die Rechnung des US-Rennstalls. "Erfahrung braucht Zeit, wir haben aktuell aber keine Zeit, wir wollen nach vorne kommen, wir wollen besser werden", führt Steiner aus. "Mick hat nicht die Erfahrung, die Nico hat. Wir glauben, dass Nico der Fahrer ist, der uns vorwärts bringen kann."
Noch zu Jahresbeginn verschwendete Nico Hülkenberg keinen Gedanken an eine F1-Rückkehr. Im Gegenteil. Nach seinem Formel-1-Abschied 2019, den beiden SuperSub-Einsätzen 2020 und dem kompletten Pausenjahr 2021 verspürte er keinen Drang, in ein Formel-1-Cockpit zurückzukehren. "Ich war draußen und glücklich, dass ich Abstand gewonnen hatte", verrät er. "Auch Anfang dieses Jahres habe ich mich nicht reingestresst, nicht zu viel darüber nachgedacht." Stattdessen war die Formel-1-Pause, die Zeit für seine junge Familie genau das Richtige für ihn. "Ich hatte die Zeit, um Abstand zu gewinnen. Es war gut, Zeit für mich zu haben, um über einige Dinge nachzudenken, eine andere Perspektive zu gewinnen."
Manchmal war es vielleicht schwieriger als an anderen Tagen, von außen zuschauen zu müssen, aber alles in allem war es für ihn okay. Im Sommer 2022 wurde es für ihn jedoch immer schwieriger, beim Besuch an der Rennstrecke nur am Streckenrand zu stehen und von außen ins Cockpit reinzuschauen. Die Action und Spannung nur als Zuschauer oder TV-Experte zu erleben. "Vor allem wenn man es analysiert und sich denkt: 'Das könnte ich stellenweise aber besser!'
Dann kam das Verlangen auf, wieder zurückzukommen." Und plötzlich war er wieder da, dieser Hunger, Rennen zu fahren. "Das Feuer, in der Formel 1 dabei zu sein, der Königsklasse des Motorsports, das ist ein ziemlich cooles Umfeld", erinnert sich Hülkenberg daran, wie das F1-Feuer in ihm wieder aufflammte. "Ich liebe, was ich tue, und es ist wahrscheinlich, was ich am besten kann. Es ist einfach diese Liebe zum Motorsport und fürs Racing." Der Startschuss für die Mission 'Hülkenback' war gefallen, wie Hülkenbergs Formel-1-Rückkehr von den Fans auf Social Media liebevoll getauft wurde.
Hülkenberg kommt frisch zurück
Die drei Jahre ohne Vollzeit-Engagement mit bis zu 22 Rennen pro Saisons hatten Wunder gewirkt. "Glücklich, frisch und eine gute Einstellung - das gibt dir das Selbstvertrauen und alles was, was dazu gehört", sagt Hülkenberg, bereit für den Restart seiner Formel-1-Karriere. "In diesem Sport passiert viel hier oben drin [zeigt auf seinen Kopf]. Wenn man in eine Spirale gerät, wo man das nicht hat, dann wird es hart. Dann kommen unbequeme Fragen, es entsteht eine Negativspirale. Wenn man sich davon löst und frisch zurückkommt, fühlt es sich gut und gesund an." Mit diesem neu gewonnenen Elan macht sich Hülkenberg ans Werk, nimmt im Sommer selbst das Handy in die Hand und Kontakt mit Günther Steiner auf. "Es gab auch andere Gespräche, aber alle Wege führten mehr oder weniger hierher." Zu Haas.
Wo es nur noch eine Hürde zu bewältigen gab. Mick Schumacher. Während Kevin Magnussen bei seinem F1-Comeback zu Saisonbeginn einen mehrjährigen Vertrag unterzeichnete, saß ausgerechnet Hülkenbergs Landsmann im Objekt der Begierde: dem zweiten Haas-Cockpit für die Saison 2023. Am Ende gab laut Günther Steiner, richtig geraten, die Erfahrung den Ausschlag zugunsten von Hülkenberg. Mitleid oder gar ein schlechtes Gewissen hat Hülkenberg nicht, dass er seinen Landsmann aus dem Team verdrängt hat.
"Das ist normal in der Formel 1, wir kämpfen alle für unsere Karriere, auf dem gleichen Stück Asphalt", sagt er. "Viele Fahrer mussten in ihrer Karriere für einen anderen Platz machen, ob es zwei oder zehn Jahre mehr Erfahrung waren, ist irrelevant. So ist die F1 eben. Der Fahrer muss das Team mit Leistung überzeugen, wenn das nicht klappt, gibt es einen Wechsel." Die Formel 1 ist eben ein Profisport. Oder wie Mercedes-Teamchef Toto Wolff gerne zu sagen pflegt: eine Leistungsgesellschaft.
Das bedeutet im Umkehrschluss aber ebenso, dass auch Hülkenberg diese Performance bei seinem Comeback abrufen muss - sonst könnte es schon bald wieder vorbei sein und im Sommer 2023 der nächste erfahrene Pilot zum Telefonhörer greifen, um bei Günther Steiner vorstellig zu werden. Entsprechend gilt es, sich schnell im Team einzugewöhnen und das neue Auto kennenzulernen. "Ich hatte zu Beginn der vergangenen Saison zwei Rennen [mit Aston Martin, d. Red.] mit diesen neuen Autos", sagt Hülkenberg. "Sie sind also kein komplett weißes Blatt Papier für mich, aber jetzt ist es ein anderes Auto, ein anderes Team. Wir sehen bei jedem Teamwechsel, dass es für den Fahrer eine Lernphase gibt, bis man nach ein paar Rennwochenenden hoffentlich sein Optimum erreicht."
Dieses Gefühl im Auto lässt sich jedoch nicht erzwingen, der Fahrer muss es sich erarbeiten. Mit nur einem Reifentesttag in Abu Dhabi und drei weiteren Testtagen vor Saisonbeginn in Bahrain fällt die Eingewöhnungszeit für Rookies und Teamwechsler in der kommenden Saison noch einmal kürzer als in den vergangenen Jahren aus. "Aber das ist Teil der Herausforderung, die wir alle kennen", so Hülkenberg. "Wir müssen damit leben und schnell lernen." Dass er diese Fähigkeit besitzt, konnte er bei seinen Blitzeinsätzen für Racing Point und Aston Martin bereits eindrucksvoll unter Beweis stellen. In Abu Dhabi durfte er mit Erlaubnis von Aston Martin schon zum ersten Mal im Haas Platz nehmen, es war seine erste Ausfahrt in einem F1-Auto seit einem Reifentest im August in Budapest.
Mehr als ein erstes Gefühl fürs Auto zu bekommen, die Systeme kennenzulernen und den Sitz anzupassen war dabei aber nicht möglich. "Das ist schnell gegangen und ich habe mich rasch wohlgefühlt", verrät er. "Es fühlt sich wie ein anderes Auto an, das merkt man schon, wenn man den Motor anlässt und er zum Leben erwacht. Die Vibration der Power Unit ist bei jeder PU anders, aber ich habe mich schnell daran gewöhnt." So konnte er 110 Runden oder gut 580 km abspulen, um das Auto und die Abläufe im Team zu erlernen.
Dem Team attestiert er Potenzial. "2021 war hart für sie, aber 2022 haben sie zurückgeschlagen und sind Achter geworden", sagt er. "Es gibt aber noch Verbesserungsspielraum. Dinge, die wir als Team besser machen können. Ich bin hier, weil ich das herausholen möchte." Für das Team, aber auch für seine eigene Karriere. Jeder Rennfahrer hat das Selbstverständnis, der Beste zu sein und im besten Auto auch Weltmeister werden zu können.
Für Hülkenberg ist dieses Ziel zu Beginn seines zweiten Formel-1-Karriereabschnitts mit Haas realistisch betrachtet unerreichbar. "Das ist vielleicht ein Traum, aber man muss realistisch bleiben mit solchen Träumen und Zielen", mahnt Hülkenberg. "Für mich geht es darum, das Maximum aus dem zu machen, was wir haben. Abhängig davon wie konkurrenzfähig dein Paket ist, kann man mal Glück haben, aber es geht darum, an jedem Rennwochenende das Maximum herauszuholen, nichts auf dem Tisch liegen zu lassen und die bestmöglichen Ergebnisse zu holen."
Hülkenberg: Steiner ist genau wie ich
Angst vor Günther Steiners Reputation als harter Hund hat Hülkenberg nicht. Der Teamchef gelangte durch seine knackigen Sprüche in der Netflix-Serie zu Internet-Berühmtheit, wurde aber für seinen Umgang mit Mick Schumacher in manchen deutschen Medien scharf kritisiert. "Günther ist ein Typ für sich, genau wie ich", wiegelt Hülkenberg souverän ab. Ähnlich locker geht er die Beziehung mit seinem neuen Teamkollegen Kevin Magnussen an. Ein alter Bekannter, mit dem er sich in der Vergangenheit einen denkwürdigen verbalen Schlagabtausch geliefert hat. "Ich erwarte eine gute Beziehung mit ihm", sagt Hülkenberg. "Wir haben den Vorfall hinter uns gelassen, dieses Jahr sogar das Eis gebrochen.
Ich habe ihn mit den gleichen Worten wie 2017 begrüßt und er fand das ziemlich witzig." Damals hatte Hülkenberg den Haas-Piloten bei einem TV-Interview als unsportlichsten Fahrer im Feld bezeichnet. Der Däne konterte mit: "Suck my balls, honey!" Schwamm drüber. Hülkenberg hegt keine Bedenken, mit Magnussen im gleichen Team zu fahren und mit ihm zusammenzuarbeiten. "Wir sind beide erwachsen, respektieren uns und fahren für das Team", betont er. Auch Steiner sieht die Sache locker: "Sie haben beide Kinder im gleichen Alter, sie können jetzt gemeinsam Urlaub machen." Hülkenberg ist seit September 2021 Vater einer Tochter und wie er selbst sagt, "ein paar Jahre älter und klüger" geworden.
Seine Lebensbalance sei aber schon zuvor nicht schlecht gewesen. "Als Vater ist es jetzt ein anderes Szenario, aber wir machen nächstes Jahr dann eine kleine Familienweltreise." Wenn es mit dem Formel-1-Comeback nicht geklappt hätte, wäre seine Welt aber auch nicht zusammengebrochen. "So sehr ich zurückkommen wollte und es auch geschafft habe, wäre ich weich gefallen, [wenn es nicht geklappt hätte]. Ich bin zehn Jahre in der Formel 1 gefahren, klar, ich wäre enttäuscht gewesen, keine Frage, aber es wäre nicht das Ende der Welt gewesen." An eine andere Rennserie wie die Indycar, wo er Ende 2021 einen Test absolvierte, verschwendete er keine ernsthaften Gedanken. Für ihn hieß es Formel 1 oder nichts. 'Mission Hülkenback' erfolgreich.
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