Körperliche Fitness ist in der Königsklasse der heilige Gral. Vor allem wenn sie nicht vorhanden ist: Alex Albon musste in Monza aufgrund seiner Blinddarm-Operation aussetzen und das Rennen vom Krankenhaus aus verfolgen, drei Wochen später in Singapur feierte der Williams-Pilot sein Comeback.

Gerade rechtzeitig fit, beziehungsweise: "So fit wie ich sein kann", meinte Albon damals. Lange nicht bei 100 Prozent. Dafür braucht der Thailänder die ganze Winterpause: Harte Trainingslager und sechs Einheiten Sport pro Woche anstatt Weihnachtsmarkt und Urlaub.

Albon am körperlichen Tiefpunkt seiner Karriere

"Ich brauche noch den Winter, um wieder zu 100 Prozent fit zu sein", schätzte Albon in Abu Dhabi. "Ich hatte einfach nicht genug Zeit." Dazu kam: Singapur war sicher nicht das ideale Einstiegsrennen nach einem Krankenhausaufenthalt. Die hohe Luftfeuchtigkeit und das lange Rennen machen den Marina Bay Street Circuit schon mit perfekter Fitness zu einer Leistungsprobe für Formel-1-Piloten. "Singapur war hart, in Japan war ich dann etwa bei 75 Prozent." Laut seinem Physiotherapeuten eher bei 65.

So unfit wie vor dem Singapur-Rennen hätte sich Albon in seiner vierjährigen Formel-1-Karriere noch nie gefühlt: "Es war knifflig, weil sich meine Lunge erst erholen musste, und mein Körper nicht so leistungsfähig war." Viel Training mit seinem Physiotherapeuten als Mittel zum Erfolg. Motivation hatte der Thailänder genug. "Es ist, wie wenn du bei einem Spiel auf der Bank sitzt. Dort willst du auf keinen Fall sein", meint er. Gemeinsam arbeiteten sie einen Plan aus: Drei Tage nach seiner Krankenhausentlassung Krafttraining, ab Tag vier Cardio.

Alex Albon beim Lauftraining nach seiner OP, Foto: LAT Images
Alex Albon beim Lauftraining nach seiner OP, Foto: LAT Images

"Eigentliche pushe immer bis ans absolute Limit", erzählt der Williams-Pilot über seine Einstellung an Rennwochenenden. Nicht so in Singapur. "Dort fragte ich mich nicht: Bin ich fit genug? Sondern: Ich gebe mir jetzt die Zeit. Wenn ich bereit bin, bin ich bereit." In Singapur war Albon bereit, bis er auf der feuchten Strecke zweimal durch Eigenfehler in die Barrieren krachte und das Auto schließlich abstellen musste.

Super-Hülkenberg spürt körperlichen Verfall

In der Winterpause im Dezember beginnt das harte Training für die kommende Saison. Auch für Nico Hülkenberg, der 2023 sein Comeback auf dem Formel-1-Grid feiert. Nicht nur als Super-Sub, sondern nach drei Jahren Absenz als Stammfahrer bei Haas. Beim Reifentest in Abu Dhabi nach der Saison konnte der Deutsche schon ein Gespür für das, was wieder auf ihn zukommt, bekommen.

"Nicht nur der Nacken, eigentlich am ganzen Körper", beschrieb Hülkenberg die Belastungen. "Die Gesäßmuskeln mussten ebenfalls viel arbeiten." 110 Runden in Abu Dhabi hinterließen ihre Spuren. "Am Ende spürte ich den körperlichen Verfall. Aber das war abzusehen", scherzte der Haas-Pilot. "Ich kam ehrlich gesagt sogar besser zurecht, als ich erwartet hatte."

Jetzt warten drei Monate Hardcore-Training auf ihn. "Ich habe einen Plan und weiß, was ich machen muss", will der Emmericher aber nicht Genaueres verraten. Die Winterpause gilt als die intensivste Trainingsperiode für Formel-1-Piloten. Max Verstappen und Co. trainieren etwa sechs Mal pro Woche.

Das harte Leben eines Formel-1-Piloten

Abseits der gut trainierten Nackenmuskulatur ist für Rennfahrer auch eine gut trainierte Körpermitte und Ausdauer wichtig. Denn: Mit einer durchschnittlichen Herzfrequenz von 170 ist der Puls während des Rennens höher als beim Laufen. Valtteri Bottas ist oft auf dem Rad zu sehen, Max Verstappen oder Sergio Perez joggend durch die Straßen von Monaco. Etwas exotischer durfte es bei Romain Grosjean zugehen, der Langlaufen zu einem wichtigen Teil seines Trainingsprogrammes machte. Jenson Button war hingegen bekennender Verfechter des Triathlons.

Kraftsport kommt auch nicht zu kurz: Mit Widerstandsbändern oder beschwerten Helmen wird die Nackenmuskulatur trainiert: Gut trainierte Fahrer schaffen bis zu 40 Kilogramm Gewicht. Ebenfalls beliebt im Trainingsprogramm: Klimmzüge, Liegestütze, Kniebeugen, Bankdrücken und Kreuzheben.

Ein junger Perez im Sauber-Trainingslager, Foto: Sauber
Ein junger Perez im Sauber-Trainingslager, Foto: Sauber

Wintervorbereitung: Schlaf, Erholung und Sauna

Neben hartem körperlichem Training darf auch die Erholung nicht vergessen werden. Natürlich auch genau nach Plan. Die meisten Piloten greifen auf Massagen zurück, um die Durchblutung der Muskeln zu verbessern. Hartgesottene nutzen Eisbäder oder gehen in die Sauna (nicht nur Valtteri Bottas).

Schlaf ist ein weiterer wichtiger Faktor: Nico Rosberg suchte sogar Rat bei einem Schlafprofessor aus Harvard, um seinen Jetlag beim Reisen durch die Welt in den Griff zu bekommen. "Als Einziger in der Formel 1. Denn der Jetlag ist ein absoluter Killer." Angeblich ein entscheidender Vorteil beim Schlagen von Lewis Hamilton 2016. Mit genug Schlaf zum WM-Titel? Nicht nur etwas für Hochleistungssportler.

Nico Rosberg, mit ausreichend Schlaf auf dem Weg zur Bestzeit, Foto: bylauterbach
Nico Rosberg, mit ausreichend Schlaf auf dem Weg zur Bestzeit, Foto: bylauterbach