Bis zum letzten Rennen der Saison zog sich der Kampf zwischen Alfa Romeo und Aston Martin um den sechsten Platz in der Konstrukteurs-WM. Am Ende mit knapp besserem Ausgang für das Team aus Hinwil: Beide Teams punktegleich, aber Sauber mit den besseren Einzel-Platzierungen und einer riskanten Prellbock-Strategie, die sich am Ende auszahlte. Das Rennen und mögliche Punkte für Zhou geopfert, P6 in der WM erfolgreich verteidigt. Und Daniel Ricciardo als Alfa-Sauber-Geheimagent.

Defensiv-Schlacht bei Alfa Romeo

"Im Rennen ging es heute nicht darum, selbst Punkte zu erzielen", erklärte Xevi Pujolar. Alfa-Sauber warf alles ins Feuer, um ihren sechsten Platz in der Konstrukteursmeisterschaft gegen Aston Martin zu verteidigen. Punkte wären dabei zwar wünschenswert, aber nicht Teil des Plans. Stattdessen versuchten es Valtteri Bottas und Zhou Guanyu mit einer Einbrems-Taktik gegen Lance Stroll und Sebastian Vettel. "Unsere Priorität Nummer eins war sicherzustellen, dass sie möglichst viel Zeit hinter uns verlieren", so Pujolar.

Valtteri Bottas und Alfa Romeo waren in Abu Dhabi auf einer Mission, Foto: LAT Images
Valtteri Bottas und Alfa Romeo waren in Abu Dhabi auf einer Mission, Foto: LAT Images

Das gelang beiden Fahrern sehr gut, aber der Chefingenieur hob besonders Zhous Leistung in seinem Debütjahr in der Formel 1 hervor. "Jede Sekunde, die sie (Aston Martin) verloren haben, machte ihr Leben und das Ziel, P6 zu erreichen, schwerer." Verteidigung statt Angriff beim Schweizer Team. Anders als bei Lewis Hamilton 2016 gegen Nico Rosberg ging die Taktik auf. "So haben wir uns den sechsten Platz geholt. Beide Fahrer und das Team können sehr stolz auf sich sein."

Bottas mit uralt Reifen gegen Aston Martin

Alfa Romeo war das ganze Wochenende nicht konkurrenzfähig, dazu kamen Probleme mit den Reifen. Im Rennen sah die Pace dann etwas besser aus, aber da war die Strategie eine andere. "Heute hatten wir andere Ziele", erklärte Pujolar. "Deswegen haben wir die Reifen länger draufgelassen als normalerweise." Der Masterplan: Möglichst viel Wirbel in das Rennen bringen und Aston Martin aufhalten. Kein Weg durfte an der Alfa-Blockade vorbeiführen.

"Valtteri startete auf den harten Reifen, damit er länger draußen bleiben kann", erzählte der Alfa-Sauber-Ingenieur. Ein sehr langer erster Stint für Bottas: 30 Runden blieb der Finne auf dem Startreifen, bevor er auf Mediums wechselte. "Wir warteten, bis Aston Martin stoppte und zu uns aufschloss, dann machten wir ihnen das Leben schwer", ergänzte Bottas.

Zhou mit Undercut gegen Aston Martin

Ursprünglich sollte Zhou Guanyu aufgrund seiner besseren Startposition selbst versuchen, Punkte zu erzielen "Als wir sahen, dass sie trotzdem genug Punkte erreichen könnten, haben wir das zweite Auto miteinbezogen", berichtete Pujolar. Das Schweizer Team machte mit Zhou einen Undercut gegen Vettel und Stroll. Die Boxenstopps waren ebenfalls genau so getimt, dass McLaren und Alpine auf jeden Fall vor beiden Aston Martins zurück auf die Strecke kamen. "Damit waren wir dann ziemlich erfolgreich."

"Wir wussten, dass wir von so weit hinten fast keine Chance auf Punkte haben werden. Was wir aber tun konnten: Als Team und strategisch zusammenarbeiten", erklärte Frederic Vasseur. "Am Ende wurde es durch den Ausfall von Hamilton spannender als uns lieb war, und die letzten Runden waren wirklich zum Nägelkauen. Aber wir brachten es nach Hause, das ist das Einzige, was zählt", freut sich der Alfa-Sauber Teamchef.

Saubers Devise: Verteidigung und Daniel Ricciardo ist der beste Angriff

"Nur die WM-Wertung zählt. Dementsprechend war unsere Strategie defensiv ausgelegt: Position halten und den Gegner so viel wie möglich aufhalten", berichtete Valtteri Bottas. "Und es hat funktioniert!" Nicht ohne seinen fünften Platz in Imola, der bei Punktegleichheit das Zünglein an der Waage war.

Auch Zhou Guanyu freut sich: "Wir haben zwar selbst keine Punkte geholt, aber trotzdem unser Ziel erreicht." Am Ende wurde es noch einmal richtig eng. "Wir mussten in den letzten Runden meine Strategie opfern, um durchzuhalten." Dabei erhielt Alfa Romeo unerwartete Schützenhilfe: "Ricciardo hat für uns einen guten Job gemacht. Das war sehr beeindruckend", lobte Xevi Pujolar. Ohne DRS und mit guter Verteidigung rettete der McLaren-Pilot sechs Zehntel ins Ziel.

"Heute war er Teil unserer Strategie", scherzte der Chefingenieur. Lance Stroll hingegen versuchte selbst nicht, Ricciardo auszubremsen um Sebastian Vettel und seinem Team zu helfen. "Wir haben gar nicht auf Alfa geschaut bei der Strategie", erklärte Mike Krack. "Im Nachhinein wäre es vermutlich besser gewesen, früher zu stoppen und auf eine Zwei-Stopp-Strategie zu gehen." Sebastian Vettel war unzufrieden, sein langer erster Stint ging nicht auf.

Daniel Ricciardo leistete wichtige Schützenhilfe für Alfa Romeo im Kampf mit Aston Martin, Foto: LAT Images
Daniel Ricciardo leistete wichtige Schützenhilfe für Alfa Romeo im Kampf mit Aston Martin, Foto: LAT Images

Krack: Aston Martin vs. Alfa Romeo war teilweise grenzwertig

Trotzdem ist Aston Martin zufrieden mit ihrer Saison. "Kein Grund zur Frustration, das hätte auch ganz anders ausgehen können", meinte der Aston-Martin-Teamchef. Er ist kein Freund der Blockier-Strategie. "Sie haben sich komplett auf uns fokussiert und einige Manöver waren grenzwertig. Aber das haben wir schon erwartet." So blieb Sebastian Vettel bei seinem vorerst letzten Rennen in der Königsklasse nur P10, Lance Stroll P8. Und für Aston Martin P7.

"Wenn du mir in Melbourne gesagt hättest, dass wir um den sechsten Platz mitkämpfen, hätte ich es nicht geglaubt", versucht es der Luxemburger positiv zu sehen. Aston Martin kämpfte 2022 mit drei großen Problemen: Fehlendes Gefühl der Fahrer im Auto, Übergewicht und der Aerodynamik. Diese konnte das Team zumindest teilweise lösen. "Die Aerodynamik kriegst du ja nie wirklich in den Griff", schmunzelt Mike Krack.

Mehr Ehre und Geld für Alfa Romeo

Für Alfa Romeo ist P6 die erfolgreichste Saison seit 2012. In den letzten Jahren war das Team aus Hinwil am unteren Ende der Konstrukteurs-WM zu finden. Nicht nur der Ehre wegen, auch finanziell wichtig für ein kleines Team wie Sauber, das bisher das Budget-Cap nicht voll ausnutzen konnte. Der bessere Rang in der Meisterschaft ist in etwa zehn bis zwölf Millionen wert. "Das ist sehr wichtig für uns", bestätigte Pujolar.

Grund zum Feiern: Das beste Ergebnis für Sauber seit 2012, damals wurde das Team ebenfalls Sechster, Foto: Alfa Romeo
Grund zum Feiern: Das beste Ergebnis für Sauber seit 2012, damals wurde das Team ebenfalls Sechster, Foto: Alfa Romeo

"Nächstes Jahr wird die Saison noch konkurrenzfähiger, und wir haben in einigen Bereichen viel Verbesserungspotenzial", führte der Spanier weiter aus. P6 sei dabei eine große Hilfe, mehr Geld für Updates, neue Ingenieure und einen weiteren Schritt nach vorne. "Diese Saison hatten wir zu Beginn einen kleinen Performance-Vorteil, das wird nächstes Mal nicht mehr so sein."

2022 war ein großes Problem die Zuverlässigkeit: Zwölf Ausfälle für das Team aus Hinwil und viele verlorene Punkte. Nach einem guten Saisonstart erzielte Sauber nur vier Punkte in dreizehn Rennen. "Das beunruhigt uns nicht. Wenn wir auf die Performance in den letzten Rennen schauen, war sie gut." Mehr wäre so oder so nicht möglich gewesen. "Wir hätten nur mehr Abstand zu Aston Martin gehabt", analysierte Pujolar. "Um das Level von Alpine oder McLaren zu erreichen, hätten wir noch einen Schritt mehr machen müssen." Das ist dann Teil des Plans für 2023.